Eine kleine Einführung in J.R.R. Tolkiens Werk und Leben ...
Aber auch der Tolkien-Kenner und die Besucher, die meine Arbeiten über Tolkien kennen, finden den Artikel vielleicht recht interessant, da ich einige Punkte erstmals anreiße, die ich später in größerer Tiefe zu untersuchen gedenke. So sind die Ideen über den Zusammenhang von Technikfeindlichkeit und dem Glauben Tolkiens in dieser Form meines Wissens nach so noch nicht angedacht worden. Auch die konzentrierte Erläuterung der Verbindung zwischen dem wissenschaftlichen Werk und dem Publikumserfolg Mittelerdes stelle ich hier das erste Mal so dar.
Entstanden ist die kleine Arbeit, weil ich von den Rotariern in Oberhausen gebeten worden war, einmal eine Einführung in das Thema Tolkien zu geben, von dem die meisten Mitglieder fast nichts wussten. Da mir nur 25 Minuten zur Verfügung standen, werden Sie die paar Absätze auch in einer guten Viertelstunde gelesen haben. Ich glaube, es lohnt sich: Bitte sehr.
Wo wir gerade über Tolkien sprechen: Anfang Mai werde
ich auf polyoinos eine Inhaltsanalyse vorstellen, die
erstmals detailliert (erbsenzählerisch, könnte man
auch sagen) aufführt, wie viele Anteile an
Gewaltdarstellung in Der Herr der Ringe
wirklich enthalten sind. Abonnieren Sie doch einfach
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Starke, schmale Schultern
Wow, muss der starke
Schultern beweisen, und dass wo sie so schmal
aussehen, die Schultern des 44. Präsidenten der USA
...
Als ich so durch die Fotos der Inauguration
blätterte, die derzeit auf einen einprasseln, dachte
ich nur daran, unter welchem enormen Druck dieser
Mann steht, der von Millionen, vielleicht Milliarden
von Menschen mit messianischen Hoffnungen befrachtet
wird. Wie will er dem gerecht werden? Anders als
Frodo, dem sein übermenschlich starker Wille allein
genügte, würde Barack Obama nicht einmal ein solcher
Wille hinreichende Stärke verleihen.
Der sogenannte mächtigste Mann der Welt ist auf
dermaßen viele Zu- und Mitarbeiter in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen, dass sein
möglicher Erfolg zu mehr als 95 Prozent von anderen
abhängt. Er kann nicht mehr sein als das Brennglas,
das die Energien des Landes (und vielleicht eines
großen Teiles der Welt) bündelt und so den
allgemeinen Neuanfang ermöglicht.
Der erste Tag beeindruckt mich schon einmal: Die Art
und Weise, in der er das Weiße Haus übernahm und die
Mitarbeiter/innen einschwor und ihnen Grenzen
setzte, das hatte was. Er wird sich schon
damit erste Feinde gemacht haben. Und er wird sich
noch viele Feinde machen müssen. Lassen Sie ihn
erst einmal zwölf Monate so weiterwirken und der
Secret Service wird allen Grund haben, sich Sorgen
um seine Sicherheit zu machen.
Aber es geht ja nicht anders. So kann es in den USA
und der ganzen westlichen Welt nicht weitergehen.
Nicht ökonomisch, nicht ökologisch, nicht
gesellschaftlich, nicht auf der Ebene des allzu
egoistischen Individuums. Wer da gegenlenken will,
macht sich Feinde, denn ein derart umwälzender Wandel
wird viele Unbequemlichkeiten bringen und manche
Pfründen unterpflügen.
Das geht nur, wenn die Menschen in den USA mitziehen.
Und da wir Otto Normalverbraucher in Deutschland
ebenso wie Joanna in Gabun, Cheng in China und Maria
in Argentinien ebenso davon abhängen, dass sich in
den USA was ändert, damit sich auf der Welt was
ändert, müssen wir alle, auf allen Kontinenten ebenso
mitziehen. Bescheidener werden - in materieller
Hinsicht. Optimistischer werden - in sozialer
Hinsicht. Glücklicher sein - in spiritueller Hinsicht
(ob als Atheist oder Gläubige).
Diese starken, schmalen Schultern müssen wir stützen,
auch wenn der Mann noch so strahlend und erfolgreich
scheint. Good luck, Mr. President!
Anderswelt
Als ich dann im Bett lag und noch etwas Musik hörte, unter anderem „Anderswelt“ von Schandmaul, und den Refrain in mir nachklingen ließ - „Dreimal tanz im Sonnensinn um die alte Stätte hin, dann wird offenstehn die Anderswelt, du wirst sie sehn“ - dachte ich, beileibe nicht zum ersten Male, darüber nach, wie es wäre, die Anderswelt zu betreten. Und ich dachte daran, wie oft ich in Gesprächen mit Freunden, besonders aber auf Cons und im Rahmen von Lesungen, bei Gesprächen mit Fans und Zuhörern, zu hören bekomme, dass bei dieser oder jenem ein sehnlicher Wunsch bestehe, die Anderswelten von Science Fiction und Fantasy betreten zu können. Das ist gut, birgt aber mehr als eine Gefahr. Beispielsweise die der Selbsttäuschung.
Vielgestaltig können
die Zugänge zur Anderswelt auftreten
Unterhält man sich
intensiver darüber, wie es wäre, Urlaub von unserer
Welt nehmen zu können, sie vielleicht sogar gänzlich
hinter sich zu lassen, so ist es oftmals ein
vielgestaltiges Mängelempfinden, das als Motiv dafür,
andere Welten besuchen zu wollen, zutage tritt. Da
wird unsere Welt als nüchtern und langweilig oder
auch als angsterregend empfunden. Oder, und das
scheint mir noch öfter vorzukommen, konkret das
eigene Leben wird als mängelbehaftet, als mangelhaft
oder ungenügend erlebt. In den Welten von Schwert und
Magie oder denen von Raumschiffen und
Teleporterstationen wird dann eine Verzauberung des
Lebens, meist aber auch eine Aufwertung der eigenen
Person oder Bedeutung erwartet. Man will ja dann in
der Regel nicht nur von Ferne zusehen, wie Eowyn und
Merry dem Herrscher der Nazgûl entgegentreten oder
wie Picard mit Q diskutiert, sondern eigentlich will
man ja auch mithelfen, will teilhaben - man will „wer
sein“ in der Anderswelt.
Vorteil des Ausweichens in die Welten der Phantastik
ist aber auch, dass man banalen ebenso wie schwer
überwindbaren Problemen im realen Leben ausweicht. Im
Star Trek-Universum gibt es beispielsweise kein Geld;
das wurde abgeschafft, denn für die materiellen
Bedürfnisse aller ist einfach gesorgt. Das ist
natürlich besonders attraktiv, wenn der eigene Job
lausig bezahlt ist oder man dauernd mit dem Minus auf
dem Girokonto kämpfen muss. Kopfnoten,
Weiterbildungen. Probezeiten und Praktika, Audits,
Zwischenzeugnisse und Beurteilungen sind auch solche
Sachen, die einen in Mittelerde nicht belasten
können. Und was die Liebe angeht, so findet die
meistens entweder nicht statt - was je nach eigener
Situation ja auch eine befreiende Vorstellung sein
kann - oder sie ist erfüllt.
Natürlich sind realistisch betrachtet die
Beschwernisse in der Anderswelt so groß, dass man sie
eigentlich jederzeit gegen einen cholerischen Boss
oder einen geplatzten Kredit eintauschen würde, denn
beides ist sehr viel einfacher zu ertragen, als durch
Mordor zu ziehen oder von den Borgs assimiliert zu
werden. Aber beim Hinüberträumen ist es ja genau
umgekehrt - die phantastischen Gefahren sind
abstrakt, die hiesigen konkret und außerdem geht es
drüben ja doch fast immer gut aus.
Doch nehmen wir mal an das ginge. Nehmen wir an, man
würde den Wandschrank finden, der einen hinüber
bringt. Würden Sie gehen? Es muss ja nicht für immer
sein. Nehmen Sie einen Ariadnefaden mit und schauen
Sie mal kurz. Was würden Sie finden?
Alles mögliche würden Sie finden. Das bleibt ganz
Ihrer Phantasie überlassen. Aber eines würden Sie
immer auch finden - sich selbst. Und das ist
die mögliche große Gefahr, die ich bei diesen
Weltfluchtträumen sehe. Wenn Ihre Sorgen auch nur im
Geringsten damit zu tun haben, dass Sie mit sich
selbst im Unreinen sind, dass Sie ein Problem in der
Seele tragen - eine Angst, eine Unzufriedenheit,
etwas, dass Sie als Unzulänglichkeit (evtl. auch nur
unterbewusst) empfinden - dann werden Sie das in der
Anderswelt nicht los.
Sie können vor Situationen flüchten, aber nicht vor
sich selbst. Viele Menschen, die glauben, dass sie
ihr Leben ändern müssen, realisieren nicht, dass ihr
Unbehagen oder Unglück in ihnen liegt und dass sie es
mitnehmen werden, egal wovon sie sich ab- und was sie
sie sich zuwenden. Dann hilft es auch nicht, bis in
den Gammaquadranten vorzudringen.
Manch rettender Ast ist
ganz schön kalt
Natürlich betrifft das
auf keinen Fall alle Träumer, die gerne ein wenig in
den Anderswelten stöbern möchten. Das würde ich bei
sich bietender Gelegenheit ja auch nur allzu gerne
machen. Und ich hoffe doch sehr, dass ich nicht
unbewusst vor mir weglaufen möchte. Zudem kenne ich
so manche Andersweltenreisende, von der ich ganz
sicher bin, dass sie nicht vor sich weg-, sondern nur
aus neugieriger Freude einer Faszination
entgegenläuft. Aber ich kenne auch die anderen ...
Es gibt diese Form des Eskapismus, diese Flucht, bei
der man das, wovor man eigentlich flieht, mit sich
trägt und ihm deshalb nie entkommen kann. Diese
Flucht ist falsch! Könnte das auch auf Sie zutreffen?
Ich hoffe doch nicht. Falls aber doch - auch beim
leisesten „könnte“ - erforschen Sie sich. Denken Sie
einfach ehrlich über sich nach. Das mag schwieriger
werden als die komplizierteste Meditationsübung, aber
es gibt am Ende nur diesen einen Weg.
Die Anderswelten von Buch, Film und Onlinerollenspiel
können ihnen nicht helfen, sich vor sich selbst zu
verstecken; Sie werden dort nicht glücklich werden,
wenn Sie das Unglück mitbringen.
Vampirgeschichte erschienen
Diese Geschichte, „Ein Zwischenfall in der Eulenburg“, ist in der aktuellen „phantastisch!“ abgedruckt, die ab jetzt im Handel ist. Falls Sie sie lesen, würde ich mich über Rückmeldungen sehr freuen. Ansonsten viel Spaß, auch wenn es ziemlich blutig zugeht.
Ach ja - ich wünsche ein
frohes neues Jahr!