Denglisch? Ich mag es nicht, aber es gibt Schlimmeres ...
„Wenn Kulturen über den sprachlichen Austausch leben und sich weiterentwickeln, sind Anleihen und Abgaben, der in die Wörter gefassten und über die Wörter zugänglichen Kulturmerkmale zwangsläufig Mittel des Transfers, die als solche nicht zu beanstanden sind.“ (Hans-Werner Eroms, 2007, 45)
Trotzdem nerven natürlich Sprüche wie „come in and
find out“ jeden, dem etwas an der deutschen
Schriftsprache liegt. Aber ist es mehr als ‚zu
nerven‘? Wenn man den Herren Krämer und Schneider so
zuhört, könnte man meinen, dass unsere gesamte
Ausdrucksfähigkeit in Gefahr ist, ganz abgesehen
natürlich von unserer nationalen Identität im
Besonderen, dem christlichen Abendland und der
humboldtschen Kultur im Allgemeinen
undsoweiterundsofort ...
Problematisch wird das dann, wenn Schneider in seinem
neuesten Buch Speak German! Warum Deutsch
manchmal besser ist fast in Hasstiraden fällt,
wenn er dem Denglischen den Kampf ansagt. Kampf? Ja,
einen „Kampf“ gilt es zu führen ... die Fremdwörter
heißt es „anzugreifen“ ... eine „Invasion“ des
Amerikanismus muss „abgewehrt“ werden ... und, heia
Safari, das wird Spaß bereiten: Anglizismen sind
„abzuschießen“, jede Woche mindestens einer. Allein
an diesem Wesen wird die deutsche Sprache genesen.
Warum das ein Problem ist? Weil es eine emotional
dermaßen aufgeladene Kriegsrhetorik ist, dass sie dem
Thema - Wie erreichen wir eine stilistisch gute
öffentliche Kommunikation? - völlig unangemessen ist.
Ich habe einmal viel von Schneider gehalten - genial
etwa: Unsere tägliche Desinformation aus den
Achtzigern - aber hier fühle ich mich von ihm
angesprungen. Das ist eine Rhetorik aus den
unschöneren Zeiten der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts, eine Rhetorik, die der Sache in jedem
Fall schadet.
Denn auch ein offen denkender und argumentierender
Autor wie der zitierte Eroms kritisiert die besonders
in PR- und Werbereichen inflationär eingesetzten
Anglzismen als schlechten Stil. Das geht durchaus und
stellt eine Kritik dar, die die Werber und
Öffentlichkeitsarbeiterinnnen hinter den
Kosemtikspiegel klemmen sollten. Eroms führt nämlich
schön und sehr differenziert aus, wie dieser Gebrauch
das Gebot des Maßhaltens durchbricht und so auch dem
ungeschulteren Leser als schlechter Stil auffällt und
somit ein kommunikatives Eigentor darstellt.
Aber mehr noch als zu warnen, ist zu beachten, dass
die Sprachbeeinflussung durch Fremdwörter erst einmal
positiv ist, da sie einen Zugang zu anderen Kulturen
eröffnet (Eroms 2007, 50). Überflüssige Anglizismen
zu geißeln, ist zudem eine „wissenschaftlich wenig
haltbare Position“ (Krämer und Schneider sind
schließlich Professoren), „denn wenn Wörter aus einer
anderen Sprache genommen werden, hat offenbar ein
Bezeichnungsbedarf bestanden, der genau diese Option
ausgelöst hat“ (48).
Nun hat dieser Bedarf bei come in and find out
sicherlich nicht bestanden, sondern ist konstruiert
worden und angeblich sechzig Prozent der Deutschen
verstehen darunter ja auch eher etwas wie „Komm rein
und versuche, wieder herauszufinden“. Aber diese
dummen Sprüche sind ja gerade Beispiele dafür, dass
der übertriebene Einsatz, beim Versuch den Zeitgeist
noch etwas schneller zuzureiten, in die Hose gegangen
ist. Schön ist ja, dass diese Kommunikationsversuche
genau die spöttische Reaktion hervorrufen, die einzig
angemessen ist.
Prägnante und sinnvolle Anglizismen reihen sich
demgegenüber nahtlos in die Sprache ein und werden
von ihr aufgenommen: Job, Boss, E-Mail. Und das war
schon immer so: Skonto, Bank und Porto stammen aus
dem Italienischen; Hausse, Chef, Rendezvous hört man
das Französische immer noch an; und wussten Sie das
Tornister, Roboter und Gurke aus dem Slawischen
kommen?
Nein, von einem gewissen Werber-Unsinn geht keinerlei
Gefahr aus, aber von undifferenzierter Kritik am
Fremdwortgebrauch und seiner Schwester der
Überfremdungsangst. Die Gefahr nämlich die Sprache
einzukapseln, und in die Richtung gehen ja die
jüngsten Schneiderschen Forderungen, der nötigenfalls
Sprachreinheit auch per Gesetz herstellen lassen
will, und damit das Denken selbst einzukapseln, es
auf einem lokalpatriotischen, deutschtümelnden Niveau
festzusetzen, das jeglicher Entwicklung zu
widerstehen sucht.
Dem braucht man wenigstens keine gesteigerte
Beachtung zu schenken, wenn man sich schon nicht die
Mühe machen will, Gegenrede zu leisten.
Nichtbeachtung reicht schon: Leute lest Eroms, nicht
Schneider! Schade nur, dass ein wertvoller
Theoriebeitrag wie der Eroms in einem nur von der
engsten Fachwelt beachteten Tagungsband vor sich
hinschlummert, während die Betrachtungen Schneiders
starrsinniger Überzeugungen derzeit alle Feuilletons
verunzieren ...
Literatur:
Das Buch vom Schneider halt ...
Eroms, Hans-Werner: „Fremdwörter“ - MIttel der
Teilhabe an anderen Kulturen. In: Földes, Csaba/
Antos, Gerd (Hrsg.): Interkulturalität:
Methodenprobleme der Forschung. Beiträge der
internationalen Tagung im Germanistischen Institut
der Pannonischen Universität Veszprém, 7.-9. Oktober
2004. München: Iudicium Verlag. 2007. 45 - 57.