Denglisch? Ich mag es nicht, aber es gibt Schlimmeres ...

... und anders als eifrige Streiter wider des Denglischen, wie Walter Krämer und Wolf Schneider zu meinen scheinen, ist es durchaus so, dass Sprachen sich durch den Einfluss von Fremdwörtern weiterentwickeln und nebenbei auch zu einem besseren Verständnis verschiedener Kulturen untereinander beitragen:
„Wenn Kulturen über den sprachlichen Austausch leben und sich weiterentwickeln, sind Anleihen und Abgaben, der in die Wörter gefassten und über die Wörter zugänglichen Kulturmerkmale zwangsläufig Mittel des Transfers, die als solche nicht zu beanstanden sind.“ (Hans-Werner Eroms, 2007, 45)

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Trotzdem nerven natürlich Sprüche wie „come in and find out“ jeden, dem etwas an der deutschen Schriftsprache liegt. Aber ist es mehr als ‚zu nerven‘? Wenn man den Herren Krämer und Schneider so zuhört, könnte man meinen, dass unsere gesamte Ausdrucksfähigkeit in Gefahr ist, ganz abgesehen natürlich von unserer nationalen Identität im Besonderen, dem christlichen Abendland und der humboldtschen Kultur im Allgemeinen undsoweiterundsofort ...

Problematisch wird das dann, wenn Schneider in seinem neuesten Buch Speak German! Warum Deutsch manchmal besser ist fast in Hasstiraden fällt, wenn er dem Denglischen den Kampf ansagt. Kampf? Ja, einen „Kampf“ gilt es zu führen ... die Fremdwörter heißt es „anzugreifen“ ... eine „Invasion“ des Amerikanismus muss „abgewehrt“ werden ... und, heia Safari, das wird Spaß bereiten: Anglizismen sind „abzuschießen“, jede Woche mindestens einer. Allein an diesem Wesen wird die deutsche Sprache genesen.

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Warum das ein Problem ist? Weil es eine emotional dermaßen aufgeladene Kriegsrhetorik ist, dass sie dem Thema - Wie erreichen wir eine stilistisch gute öffentliche Kommunikation? - völlig unangemessen ist. Ich habe einmal viel von Schneider gehalten - genial etwa: Unsere tägliche Desinformation aus den Achtzigern - aber hier fühle ich mich von ihm angesprungen. Das ist eine Rhetorik aus den unschöneren Zeiten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, eine Rhetorik, die der Sache in jedem Fall schadet.

Denn auch ein offen denkender und argumentierender Autor wie der zitierte Eroms kritisiert die besonders in PR- und Werbereichen inflationär eingesetzten Anglzismen als schlechten Stil. Das geht durchaus und stellt eine Kritik dar, die die Werber und Öffentlichkeitsarbeiterinnnen hinter den Kosemtikspiegel klemmen sollten. Eroms führt nämlich schön und sehr differenziert aus, wie dieser Gebrauch das Gebot des Maßhaltens durchbricht und so auch dem ungeschulteren Leser als schlechter Stil auffällt und somit ein kommunikatives Eigentor darstellt.

Aber mehr noch als zu warnen, ist zu beachten, dass die Sprachbeeinflussung durch Fremdwörter erst einmal positiv ist, da sie einen Zugang zu anderen Kulturen eröffnet (Eroms 2007, 50). Überflüssige Anglizismen zu geißeln, ist zudem eine „wissenschaftlich wenig haltbare Position“ (Krämer und Schneider sind schließlich Professoren), „denn wenn Wörter aus einer anderen Sprache genommen werden, hat offenbar ein Bezeichnungsbedarf bestanden, der genau diese Option ausgelöst hat“ (48).

Nun hat dieser Bedarf bei come in and find out sicherlich nicht bestanden, sondern ist konstruiert worden und angeblich sechzig Prozent der Deutschen verstehen darunter ja auch eher etwas wie „Komm rein und versuche, wieder herauszufinden“. Aber diese dummen Sprüche sind ja gerade Beispiele dafür, dass der übertriebene Einsatz, beim Versuch den Zeitgeist noch etwas schneller zuzureiten, in die Hose gegangen ist. Schön ist ja, dass diese Kommunikationsversuche genau die spöttische Reaktion hervorrufen, die einzig angemessen ist.

Prägnante und sinnvolle Anglizismen reihen sich demgegenüber nahtlos in die Sprache ein und werden von ihr aufgenommen: Job, Boss, E-Mail. Und das war schon immer so: Skonto, Bank und Porto stammen aus dem Italienischen; Hausse, Chef, Rendezvous hört man das Französische immer noch an; und wussten Sie das Tornister, Roboter und Gurke aus dem Slawischen kommen?

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Nein, von einem gewissen Werber-Unsinn geht keinerlei Gefahr aus, aber von undifferenzierter Kritik am Fremdwortgebrauch und seiner Schwester der Überfremdungsangst. Die Gefahr nämlich die Sprache einzukapseln, und in die Richtung gehen ja die jüngsten Schneiderschen Forderungen, der nötigenfalls Sprachreinheit auch per Gesetz herstellen lassen will, und damit das Denken selbst einzukapseln, es auf einem lokalpatriotischen, deutschtümelnden Niveau festzusetzen, das jeglicher Entwicklung zu widerstehen sucht.

Dem braucht man wenigstens keine gesteigerte Beachtung zu schenken, wenn man sich schon nicht die Mühe machen will, Gegenrede zu leisten. Nichtbeachtung reicht schon: Leute lest Eroms, nicht Schneider! Schade nur, dass ein wertvoller Theoriebeitrag wie der Eroms in einem nur von der engsten Fachwelt beachteten Tagungsband vor sich hinschlummert, während die Betrachtungen Schneiders starrsinniger Überzeugungen derzeit alle Feuilletons verunzieren ...

Literatur:

Das Buch vom Schneider halt ...

Eroms, Hans-Werner: „Fremdwörter“ - MIttel der Teilhabe an anderen Kulturen. In: Földes, Csaba/ Antos, Gerd (Hrsg.): Interkulturalität: Methodenprobleme der Forschung. Beiträge der internationalen Tagung im Germanistischen Institut der Pannonischen Universität Veszprém, 7.-9. Oktober 2004. München: Iudicium Verlag. 2007. 45 - 57.