Wirtschaftsethik

Frohes neues, gutes altes ...

2008 geht, 2009 ist schon fast da. Hmm, es ist natürlich hoch artifiziell, Zeitläufte willkürlich durch bestimmte Daten einzuteilen, aber der menschliche Ordnungssinn braucht so etwas, auch und gerade, um sich denkend orientieren zu können. Ein kurzer Blick zurück und voraus also, der sich um einen eigentlich insignifikanten Tageswechsel dreht.

2008 war, was „the big picture“ angeht, sicherlich ein Jahr, dass fast völlig vom Wirtschaftsgeschehen bestimmt war. Das Finanzsystem brach also fast zusammen. Das wird auch 2009 stark negativ beeinflussen - glauben Sie mir, das ich das Folgende durchaus in sorgender Anerkenntnis der Tatsache schreibe, dass viele Menschen weltweit in durch Arbeitsplatzverluste in Not geraten werden -, aber letztlich habe ich ein ziemlich starkes Gefühl, dass diese Finanzkrise genau richtig kam.

Die Ökonomen haben in den letzten zwanzig Jahren einen immer wilder werdenden Tiger geritten, aber der jetzige Sturz ist schmerzhaft, doch nicht tödlich, was er in zwei, drei Jahren vielleicht durchaus geworden wäre. So kommt die Erkenntnis, dass Schneeballsysteme nicht funktionieren können und das Geld nur dann einen Sinn hat, wenn es eine Stellvertreter- oder Pfandfunktion für echte Waren und Werte darstellt, noch rechtzeitig. Die kommende Flaute wird die Welt ertragen.

Und daraus lernen. Es stimmt ja gar nicht, dass man nicht aus der Geschichte lernt, es ist nur so, dass es sooo viel ruhiges Bedenken erfordert, die historischen Lektionen zu beherzigen. Aber bei aller Hektik im vergangenen Herbst, wurden doch beispielsweise die Lektionen der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre ganz gut umgesetzt und die gröbsten Fehler wurden vermieden. Aus dem Herbst 2009 werden die Ökonomen neue Dinge lernen und ihre Theorien und Instrumente weiter verbessern.

Und auch wir Nichtökonomen können wichtige Dinge aus der Krise lernen. Zuerst vielleicht die Tatsache, dass das mit den Schneeballsystemen nie und auch nicht in unseren Leben funktionieren kann. Ich finde diese Gier so erstaunlich, die Menschen dazu veranlasst, einfach den Hals mit Geld nicht vollkriegen zu können.

Da reicht es also nicht aus, dass ein Unternehmen eine Rendite von gesunden 5 Prozent macht. 5 Prozent scheint mir eine allseits verträgliche Wertschöpfung zu sein, die nachhaltig wirken kann. Ich hätte gerne ein unkompliziertes Sparkonto, das 5 Prozent abwirft. Das würde mir dann aber auch reichen. Aber nein ...

Da reicht es auch nicht, dass ein Unternehmen eine Rendite von 15 Prozent erreicht. Das ist ein Wachstum, das, egal in welcher Branche, doch schon nicht nachhaltig sein kann, denn so kann es doch nicht immer weitergehen, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Aber nein ... reicht auch noch nicht.

Da gibt es dann, etwa im IT- oder Energiebereich, Unternehmen, die mehr als 15 Prozent schaffen. Jetzt geben die eine „Gewinnwarnung“ aus, dass der nächste Quartalsgewinn nicht 20, sondern nur noch 15 Prozent (also immer noch nichtnachhaltiges Wachstum) betragen wird, und dann verliert so ein höchstprofitables Unternehmen 25 Prozent an (Börsen-)Wert. Die hinter dieser ‚Enttäuschung‘ stehende Gier verstehe ich schlicht nicht. Sie ist mir einfach nicht nachvollziehbar. Doch war es das schon? Aber nein ... es geht noch doller.

Denn man kann ja auch 25 Prozent als Renditeziel ausgeben. Oder versprechen, und zwar als jährliches Ziel. Das ist aber, und da haben die deutschen Bischöfe zu Weihnachten völlig Recht gehabt, so unlauter, dass es an Betrug grenzt.

Warum diese Gier? Ich verstehe jeden Goldgräber am Klondike im 19. Jahrhundert, der, aus einer armseligen materiellen Situation kommend, bei einem Goldfund ausflippt und über alle Stränge schlägt. Ich kann auch nachvollziehen, warum Menschen sich über einem solchen Fundort gegenseitig erschießen. (Nachvollziehen heißt weder billigen noch entschuldigen.)

Aber die Gier eines Menschen, der als Milliardär mit Aktien zockt, um aus 7 Milliarden Euro 9 Milliarden zu machen, und dabei ein Riesenunternehmen mit all dessen sozialen Verantwortlichkeiten aufs Spiel setzt - eine solche Gier verstehe ich nicht. Das ist so absurd, das kann doch nur als pathologisch erklärt werden, oder?

Ganz ähnlich aber ist die Gier gelagert, die auf den Aktionärsversammlungen und auf dem Börsenparkett zum Ausdruck kommt, wenn abgestraft wird, wer keinen exorbitant hohen Gewinn, sondern nur einen sehr hohen Gewinn erreicht. In geringerem Ausmaß zeigt sich hier die gleiche Absurdität wie im Verhalten des erwähnten Milliardärs.

Das Kontinuum des möglichen materiellen Besitzes ist ein endliches; das ist doch völlig klar, oder? Wieso strebt man dann danach, Systeme zu errichten, die eine unendliche Menge von Besitz erzeugen oder zur Verfügung stellen sollen?

Oder wird nur versucht, von dieser endlichen Menge durch all diese unlauteren Konstruktionen einen nahezu unendlich großen Anteil für sich abzuzweigen oder anderen zu versprechen, um an deren Geld zu kommen? Wer das versucht, liegt aber selbst im Erfolgsfall falsch, denn eine solche Sucht zerstört das soziale Wesen des Menschen und versperrt ihm, weil es gegen seine eigentliche Natur ist, den Weg zum persönlichen Glück ebenso wie den Weg zum Glück im persönlichen Umfeld, das ja auch gerne als Entschuldigung für Gier genommen wird ( „Ich muss für die Familie sorgen.“ )

Es liegt eine große (Erkenntnis-)Chance in der derzeitigen Krise. Diese Krise wird auch wieder vergehen, das ist sicher. Aber dann ist auch die Chance zum Lernen vergangen, die wir besser jetzt ergreifen, wo uns der Frack noch saust.

Ich wünsche uns allen ein besseres 2009 und eine noch bessere Zukunft all die anderen Jahre ... gehen Sie lieber spazieren, als Börsenkurse am PC zu verfolgen.

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