Warum der Staat die Steuerhinterzieher-CD-ROM nicht kaufen darf
Das menschliche Zusammenleben unterliegt Regeln, sonst würde das Recht des Stärkeren herrschen. Eine streng kodifizierte Form dieser Regeln sind die Gesetze und die Rechtsgrundsätze, auf denen sie beruhen. Ein in allen Rechtsstaaten gültiger Grundsatz ist, dass man unrechtmäßig erworbene Erkenntnisse nicht für die Strafverfolgung nutzen darf. Der Kauf von Diebesware ist so eine unrechtmäßige Form des Erwerbs.
Würde dieser Grundsatz nicht gelten, so träte unmittelbar wieder das Recht des Stärkeren in Kraft, nämlich der Einsatz der Macht desjenigen, der die Kraft oder die Mittel hat, beispielsweise Informationen aus jemandem herauszuprügeln. Und keiner hat mehr Macht, zu prügeln, als der Staat. Und aus rechtstheoretischer Sicht ist der Einkauf von Hehlerware ebenso Straftat, wie es der Einsatz eines Rollkommandos wäre, um besagte CD mit Gewalt an sich zu bringen (etwa durch die „Kavallerie“, die Herr Steinbrück vor knapp zwei Jahren in die Schweiz schicken wollte).
Besagte Rechtsgrundsätze sind Abwehrmittel gegen den Staat. Selbst gegen einen eher harmlosen Staat wie den deutschen (harmlos verglichen mit, sagen wir mal ... Russland oder China) brauchen die Bürger Abwehrmittel, darin ist sich alle Staatstheorie einig. Denn der Staat hat nun einmal unvergleichlich mehr Macht als alle Bürger und sämtliche Organisationen und muss deshalb wirksam eingeschränkt werden. Durch das Anlegen des Maßstabs der Menschenrechte etwa. Oder auch durch die strikte Einhaltung der in den letzten zwei-, dreihundert Jahren international entwickelten Rechtsgrundsätze.
Und deshalb muss Schäuble die Finger von der CD lassen.
Ich habe mich auch gefreut - Freude = eine Emotion -
als sie den Steuersünder Zumwinkel vor einem Jahr
dermaßen vorgeführt haben. Aber falsch war es doch,
sagt die Vernunft - Vernunft = Ratio -, denn auch
damals dienten unrechtmäßig beschaffte Informationen
als Grundlage für das Verfahren. Manchmal, gar nicht
so selten sogar - leider -, muss man das Gefühl und
sogar ein begründetes Gerechtigkeitsempfinden
hintanstellen, um wichtigere Güter zu schützen.
(Außerdem, ich bitte Sie, wäre es doch wirklich nicht
schwer, Steuersünder zu erwischen, wenn die
Steuerfahndung personell gut ausgestattet wäre - die
würden sogar ihren eigenen Lohn vielfach wieder
einbringen. Aber da sind natürlich die verschiedenen
Einflussgruppen - und natürlich die Klientelpartei
FDP in toto - vor.)
Was jetzt geschehen wird, fragen Sie? Natürlich
werden die die Scheibe kaufen. Und wieder ein
Stückchen Rechtsstaat verraten. Unter dem Applaus der
Bevölkerung ...
Fantasy ist ein Menschenrecht ...
Deshalb nahm ich den Mythentag im Nibelungenmuseum in Worms zum Anlass, diesen Gedanken einmal auszuformulieren und zu erläutern. Friedhelm Schneidewind, der Conventus Tandaradey und ich waren eingalden, im Mythenlabor zu Halloween einen ganzen Tag mit Lesungen, Vorträgen, Workshops und einem Konzert zu gestalten, und als Einstiegsvortrag schien es mir eine gute Idee zu sein, einmal grundlegend auf den politischen und sozialen Stellenwert von fantasy und der Phantastik im Allgemeinen hinzuweisen. Nun, die Gäste fanden es, glaube ich, auch spannend und einleuchtend.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich die Zeit nähmen, den Gedanken einmal mit mir nachzuvollziehen. Und falls Sie meine Ausführungen über das Wesen der Fantasy kennen, so können Sie auch gleich zum Punkt Römisch 2 runterscrollen, wo die eigentliche politische Argumentation beginnt. Bitte sehr ...
Nibelungenmuseum Worms
Nachtrag: Der Wormser
Zeitung hat es auch gefallen (bis auf Friedhelms
Brille): Zeitungsbericht.
Obama und die Folterfotos - ein ethischer Exkurs
Barack Obama hat also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos aus Abu Ghoreib und anderen Lagern untersagt. Und die Gutmenschen dieser Welt prügeln jetzt auf ihn ein. Die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU steckt Obama jetzt sogar mit Ex-Präsident Bush in einen Sack und behauptet, er mache sich damit mitschuldig an den Folterdelikten.
Der Mitbegründer der Soziologie Max Weber (1864-1920) hätte das sicherlich als Beispiel aufgegrifffen, würde er seine berühmte Schrift „Was ist Politik?“ heute verfassen. Darin geht es unter anderem um die gegensätzlichen Paare Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Was Obama betreibt ist Verantwortungsethik, was die Kritiker aber von ihm verlangen ist ein Handeln nach den Grundsätzen der Gesinnungsethik.
Die Situation ist so, dass bekannt ist, dass die USA in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terror selbst zu Terroristen geworden sind und unter anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch das Folterverbot in hohen Fallzahlen missachtet haben. Beweise gibt es dafür zuhauf, unter anderem auch zahlreiche publik gewordene Fotodokumente. Das ist gut so! Und ungemein wichtig, denn es zeigt, dass auch eine Supermacht zumindest nicht unerkannt mit so schweren Verbrechen davon kommt.
Jetzt verweigert der derzeitige Präsident der USA also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos und verhindert damit die lückenlose Information der Weltöffentlichkeit. Die Gesinnungsethik besagt nun, dass eine ethisch gebotene Handlung in jedem Fall durchgeführt werden muss, egal, was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Obama muss nach gesinnungsethischer Anforderung alle Fotos auf den Tisch legen. Die Gesinnungsethik gibt klare, unmissverständliche Anweisungen und erlaubt keinerlei Wischiwaschi.
Die Verantwortungsethik hingegen fragt nach den Konsequenzen einer ethisch gebotenen Handlung. Im Fall Folterfotos ist auch für die Verantwortungsethik klar, dass das Gebot lautet: Publik machen! Aber, so fragt diese Ethik weiter, was würde dann passieren? Obamas Antwort lautet, das Ansehen der USA würde weiter sinken, sein Kurs der weltweiten Bemühungen um eine friedlichere Welt würde torpediert, in direkter Konsequenz würde es zu weltweitem Aufruhr kommen, der höchstwahrscheinlich in zusätzliche terroristische Angriffe münden würde, die eine unabsehbare Zahl von Menschen, US-Amerikaner und andere, das Leben kosten würde. Also hält er die Bilder unter Verschluss.
Was ist richtig? Die Gesinnungsethik ist so schön eindeutig ... und so lebensfremd. Gesinnungsethik - das ist beispielsweise das Gebot, immer und unbedingt nicht zu lügen. Nie halbwahre Komplimente machen, keine Notlügen, keine Ausflüchte und den Chef ungeschminkt auf seine Dummheit und Ungerechtigkeit hinweisen. Oder, extremer gesagt, wenn man 1943 einen versteckten Juden im Keller sitzen wüsste, auf entsprechende Fragen der Gestapo wahrheitsgemäß zu antworten ...
Die Verantwortungsethik ist dagegen ein wenig schmuddelig. Sie laviert immer so ein bisschen herum, macht Ausflüchte, lässt Fünfe gerade sein und erlaubt Ungerechtigkeiten. Sie lässt sich auch leicht missbrauchen („Klar verschweige ich meine Affäre, meine frau würde mich verlassen und ewas wäre dann mit den Kindern?“. Aber sie belügt auch die Gestapo und rettet den Juden.
Was ist richtig? Im Falle Folterfotos ist es so, dass die Welt weiß, was die USA getan hat. Sie weiß auch wie es aussieht, was die USA und ihre Unterstützer in Irak, Polen und anderswo getan haben, denn es wurden hunderte von Fotos mit Folterbeweisen veröffentlicht.
Wenn uns jetzt ein paar hundert mehr verborgen bleiben, dann werden sich Presse und NGOs noch bis schätzungsweise nächsten Dienstag darüber aufregen, dann ist die Sache gegessen - gegessen allerdings ohne, dass vergessen würde, dass die USA gefoltert haben. Es wird ja nichts Grundsätzliches vertuscht, sondern nur weitere Details. Dafür bleiben ein paar Dutzend Selbstmordattentäter vielleicht zuhause und eine ganze Reihe Kalaschnikows unbenutzt.
Die Verantwortungsethik ist dem menschlichen Verhalten einfach angemessener als die Gesinnungsethik. Es gibt keine absolute Gerechtigkeit und der Mensch kann mit schonungsloser Offenheit und Wahrheit in sozialen Angelegenheiten nicht leben. Dass die Verantwortungsethik schmuddeliger ist, ist uns ebenfalls angemessen. Wir sind auch alle ein bisschen schmuddelig in unserem ethischen Verhalten, oder?
Nachgewiesen: Geteilte Freud' ist doppelte Freud' ...
Die Studie, ein Nebenprodukt einer
Langzeituntersuchung über Herzkrankheiten, die seit
1948 in Massachusetts, USA, durchgeführt wird, konnte
zeigen, dass die Empfindung, glücklich zu sein, sich
in sozialen Gruppen verbreitet und zwar über bis zu
drei Stufen, so dass also ein glücklicher Ehemann
einer Kollegin aus dem Sportverein Ihrer Frau, den
Sie nie kennenlernen werden, dazu beiträgt, Ihr Leben
zu verbessern. Und was noch besser ist,
Unglücklichsein verbreitet sich auf diesen sozialen
Wegen viel schlechter als Glücklichsein. Das steht in
einer vorgestern erschienen Studie des British
Medical Journal, deren Text kostenfrei online
heruntergeladen werden kann, und zwar hier.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es bei
e-Science-News. Eine
deutschsprachige Quelle ist mir leider nicht
bekannt.
Die Begründung für die Infektiösität positiver
Stimmungen wird von den Forschern im Bereich der
Evolutionsbiologie gefunden, das Phänomen wäre also
somit genetisch determiniert. Es ist seit langem
bekannt, dass es eine biologisch fundierte Anlage zur
Empathie, zum Mitfühlen also gibt, die auch soweit
geht, dass eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit
besteht, sich von den Stimmungen anderer Menschen
beeinflussen zu lassen: Dein Lachen ist ansteckend,
sagt schon der Volksmund und liegt damit wie so oft
richtig. Auch bei Primaten gibt es das Phänomen der
„play faces“, der freundlichen Gesichtsausdrücke, die
den Zusammenhalt in Affenhorden stärken.
Genauso wie Gelächter und Lächeln dient demnach auch
beim Menschen die Empathie dazu, soziale Bande zu
stärken. Das ist soweit nichts Neues. Was aber neu
ist, ist erstens, dass das im Vergleich zu bloßem
Lächeln äußerst komplexe Gefühl des Glücklichseins
sozial übertragen wird und dies zweitens über weitere
Strecken als von Individuum zu Individuum, nämlich
quer durch soziale Netzwerke und über die Grenzen des
persönlichen Bekanntseins hinweg. Kaskaden des Glücks
sind über Bekanntschaftsgruppen hinweg beobachtbar.
Das ist im Übrigen auch ein in keiner Weise
überraschender Befund, auch wenn der Nachweis erst
jetzt erstmals gelang. Denn Glücklichsein ist eine
ganz wesentliche Bedingung für das gelingende Leben
eines mit Bewusstsein und Selbstbewusstsein
ausgestatteten Geschöpfes, eines Geschöpfes also, das
auch unabhängig von Instinkten sein Leben führen
muss. Dass die Evolution eine Übertragbarkeit dieses
Zustandes hervorgebracht hat, ist nur eine weitere
Ausformung der evolutionstypischen Eigenschaft, alle
möglichen Bedingungen für das Überleben zu fördern.
Dass sich Unglücklichsein - wenn auch aus noch nicht
geklärten Umständen - nicht so gut verbreitet, ist
ein weiteres Indiz für die Stichhaltigkeit der
Hypothese von der evolutionsbiologischen Herkunft des
nachgewiesenen Phänomens.
Ich halte das für einen weiteren Indikator dafür,
dass große Teile der oft verteufelten
soziobiologischen Annahmen richtig sind (der ‚böse’
Edward Wilson - Sie erinnern sich?), vor allem der
Teil, der besagt, dass wir Menschen schon von unserer
Biologie her soziale Wesen sind, die einander zur
bestmöglichen Entfaltung der Persönlichkeit wie auch
des persönlichen Glückes brauchen. Da dies aber nur
bei Beachtung ethischer Grundregeln geht -
schließlich liegen uns auch negative Emotionen wie
Neid, Habgier, Eifersucht inne - sehe ich mich ein
weiteres Mal darin bestätigt, die von der Philosophie
schon lange für überholt gehaltene Gefühlsethik David
Humes zu rehabilitieren.
Das ist das Programm, wie ich es in meiner Dissertation
ausführte. Dort schlug ich vor, eine durch
rationale und an John Rawls´ Spzialphilosophie
orientierte Gesetze eingegrenzte Emotionalität als
Richtschnur für das bestmögliche Zusammenleben zur
Geltung zu bringen. Der nun vorgelegte Befund über
die Verbreitungsweise von Glücklichsein hat zwar
direkt nichts mit Ethik zu tun, aber er weist auf
den Stellenwert des Glückes für das Überleben
selbstbewusster Lebewesen hin.
Dass dieses Glück im hohen Maße durch die soziale
Lebensweise in Gruppen gefördert wird und durch diese
Lebensweise verstärkt wird, während Unglücklichsein
diese Verstärkung nicht erfährt, bedeutet, dass
unsoziale Verhaltensweisen wie Egoismus,
Rücksichtslosigkeit und sozialpathologische
Verhaltensweisen, für das eigentliche Wesen des
sozialen Lebewesens Mensch nicht natürlich sind,
sondern Auswüchse darstellen, die sich für das Glück
und Überleben der Menschen als kontraproduktiv
erweisen. Und das ist wiederum ein Befund, der für
die Ethik von hoher Relevanz ist.
Eine Ethik, die wie die von mir vorgeschlagene
Gefühlsethik beschaffen ist, schafft genau den Raum,
der für die Verbreitung des Glücklichseins förderlich
ist. Insofern lese ich den Befund aus der Studie von
Fowler und Christakis als Bestätigung dafür, mit
meiner Ethik auf dem richtigen Weg zu sein.
Allerdings gibt es keinerlei Erkenntnisse darüber,
wie es mit der Verbreitung des Glücklichseins in
internetbasierten sozialen Netzwerken wie MySpace,
Facebook, Studi- und Schüler VZ oder Xing ist. Da
sich in der Studie jedoch zeigte, dass die infektiöse
Verbreitung von Gefühlen stark von der Nähe der
Menschen zueinander abhängt, glaube ich nicht, dass
Computernetzwerke in der Lage sind, Glückscluster in
der gleichen Art auszubilden wie Netzwerke auf der
Basis persönlichen Kontakts. Da fehlt einfach eine
wichtige soziale Komponente, die sich nicht technisch
vermittelt erleben lässt, wie ich schon vor über zehn
Jahren im Computer Mediated
Magazine ausführte.
Zumindest aber sind Computernetzwerke dazu in der
Lage, Erstkontakten den Weg zu ebnen und später, wenn
man sich im echten Leben kennen und mögen gelernt
hat, Kontakte aktuell zu erhalten. Zudem werden die
Kontakte über weit auseinander liegende
Gruppenzugehörigkeiten hinweg - wie verschiedene
Länder, Ethnien und Weltanschauungen - deutlich
vereinfacht und schaffen so vorher in dieser Form
nicht existierende Berührungspunkte, die sich zu
neuen Gruppen und neuen Verbindungen zwischen Gruppen
ausbilden können. So gesehen können Computernetzwerke
als Keimzellen sozialer Gruppen dienen und später die
Aufrechterhaltung von Verbindungen stark
vereinfachen. Indirekt dienen sie dann auch dazu,
Glück zu verbreiten ...
Der Papst hat Recht, ...
Die andere Hälfte bestand darin, dass Benedikt XVI. das Maß an Gott und dessen Geboten orientieren will. Ob er darin Recht hat, lässt sich objektiv nicht sagen, auch wenn Benedikt in einem weiteren Argumentationszusammenhang gerade beklagte, dass die westliche Kultur sich zu sehr an Positivismen, also an empirisch nachweisbaren Tatsachen, orientiere. Entschuldigt, liebe Heiligkeit, aber Eure metaphysischen Spekulationen sind leider nur unter bestimmten Glaubensannahmen gültig.
Und wie man sieht, konkurrieren diese mit anderen und werden schnell zum Streitfall, der, gerade jährte sich das schlimmste Beispiels zum siebten Male, auch schnell mit militärischen und terroristischen Mitteln ausgetragen wird. Das rechte Maß ist also notwendig – da habt Ihr völlig recht, Benedikt. Aber warum das rechte Maß nicht woanders her nehmen?
Beispielsweise aus unserem Menschsein. Wir sind doch alle nicht so sehr verschieden, dass wir verschiedene Grundbedürfnisse hätten. Vor allen Dingen sind wir soziale Lebewesen, die einander brauchen und ihre Bedürfnisse recht einfach nach der Goldenen Regel organisieren könnten: Was Du nicht wünschst, dass man Dir tu, das füg´ auch keinem andern zu. Immerhin eine Regel, die so auch in der Bibel steht: Matthäus 7,12.
Das Problem besteht hauptsächlich darin, dass einige
meinen, mit der Verletzung der Regel durchzukommen
und dass sie in viel zu vielen Fällen leider damit
auch tatsächlich durchkommen. Was uns zu Punkt zwei
des menschenwürdigen und erfolgreichen Zusammenlebens
führt: ausreichende Sanktionsvorschriften und –mittel
gegen die Regelverletzer.
Also: wir wollen unser Ding machen, können dies in
hinreichender Sicherheit aber nur, wenn wir uns
soweit beschränken, dass wir andere in ihrem Tun
nicht verletzen (Goldene Regel). Das gilt für alle
Menschen; was heißt, dass die sich zumindest darauf
einigen können sollten, dass eine (Welt-)Gesellschaft
geschaffen werden sollte, die das erlaubt und
garantiert. Letzteres ist angewandter Immanuel Kant
und somit nicht gerade neu.
Womit wir zu dem Punkt kommen, wo der Papst nicht
mehr recht hat. Er sagte in Paris nämlich auch, dass
man sich nicht allein auf die Vernunft verlassen
dürfe, sondern auf Gott vertrauen müsse. OK, wenn
Gott seinen Job täte (das Theodizeeproblem!), wäre
das ja richtig. Aber Gott tut seinen Job nicht, sonst
sähe diese Welt nicht so aus, wie sie aussieht,
zumindest was die Unschuldigen angeht, die Kinder und
deren Leid.
Also ist es so, dass es (a) entweder keinen Gott gibt
oder er (b) seinen Job nicht recht tut oder dass er
(c) die Welt so geschaffen hat, dass wir doch zusehen
müssen, ohne seine Hilfe darin zurecht zu kommen. Und
was haben wir dann als Mittel zur Verfügung?
Im Fall (a): die Vernunft. In Fall (b): Appelle an
Gott sich zu bessern – bis er das tut, bleibt uns nur
... genau, die Vernunft. In Fall (c): Auch die
Vernunft; diesmal sogar als göttlicher Auftrag, denn
er gab sie uns als einzige Hilfe für die Existenz in
einer defizitären Welt mit auf den Weg. Also, lieber
Benedikt, die Vernunft ist doch das einzige, was uns
bleibt, wenn wir etwas tun wollen. Glauben und Beten
sind rein passive Tätigkeiten, die nichts bewirken
werden.
Also lasst uns auch was tun. Beispielsweise uns als
Menschen mit gleichen Bedürfnissen zu begreifen und
die Goldene Regel beachten sowie dafür sorgen, dass
diejenigen Kräfte, die dazu zwingen können, sie
einzuhalten, dazu in der Lage sind. Nicht dass das
nicht alles schon ausführlich in mindestens einem
Buch veröffentlicht wäre: in den Anspruchsvollen Schlüssen
beispielsweise.
Prekariat: mein Unwort des Jahres
Schauen wir uns dieses Wort einmal an. Prekariat ist
abgeleitet von prekär, was laut Duden soviel wie
„schwierig“ oder „heikel“ heißt. Angehängt wurde dann
nur eine von „Proletariat“ entlehnte Nachsilbe. Laut
Wikipedia ist „Prekariat ist
ein Begriff aus der Soziologie und definiert
‚ungeschützte Arbeitende und Arbeitslose’ als eine
neue soziale Gruppierung“. Und wer fällt darunter?
Wikipedia weiß: „Betroffen sind einkommensschwache
Selbstständige und Angestellte auf Zeit,
Praktikanten, auch chronisch Kranke,
Alleinerziehende, Zeitarbeitnehmer und
Langzeitarbeitslose, aber zunehmend auch in
wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen
Angestellte: Prekariat definiert keine sozial
homogene Gruppierung.“
Okay, das Prekariat sind also Leute ohne, mit
geringem oder mit unsicherem Einkommen. Ja, die gibt
es. Das ist Sch****, aber es gibt sie, und zwar in
viel zu großer Zahl. Und die sind also „schwierig“
und „heikel“ – das ist aber eine schöne Art, Menschen
zu charakterisieren ... Denn diese Zuschreibung muss
man doch wohl wörtlich nehmen, so wie man im 19.
Jahrhundert Proletarier als Sammelbegriff für
besitzlose, abhängig Beschäftigte wörtlich meinte,
was von „proletarius“ abstammte und die niedrigste
Schicht im römischen Volk meinte, die zu nichts
anderem gut war, als Kinder zu produzieren, die dann
beispielsweise in den Legionen zu dienen hatten, wenn
sie nicht gleich versklavt wurden.
Doch „Proletariat“ ist ein Substantiv, das eine
Gruppe von Menschen beschrieb, eben die Angehörigen
einer besitzlosen Bevölkerungsschicht im alten Rom,
die proletarii, und später die Gruppe der abhängig
Beschäftigten im 19. Jahrhundert. Proletariat
klassifiziert also anhand eines Faktums. Prekariat
klassifiziert nicht nur sehr ungenau, wenn man mal
auf die heterogene Wikipedia-Definition schaut,
sonder es klassifiziert auch anhand einer nicht
objektiv haltbaren Zuschreibung, ist prekär doch ein
Adjektiv – „heikel“ eben. „Heikel“ und „schwierig“,
damit also auch „gefährlich“. Keine substantivisches
Faktum, sondern eine subjektive, adjektivische
Zuschreibung. Das ist immer auch eine Aussage über
angebliche Eigenschaften der so klassifizierten
Menschen.
‚Prekarier’ sind „heikel“?
Quatsch, es ist ihre Situation, die heikel ist;
prekär zu leben ist aber kein Merkmal der Menschen
selbst. „Aus prekären Arbeitsverhältnissen folgen
prekäre Existenzweisen“, schreibt Thomas Gross in der „Zeit“. Das
stimmt natürlich. Durch das Ankleben des Adjektivs
prekär wird die Situation nur noch verschlimmert.
Denn unterbewusst eignen sich die Angehörigen der
Gruppe der prekär lebenden Menschen diese
Zuschreibung mehr oder weniger stark an und
verlieren dadurch an Kraft, Selbstvertrauen und
Änderungswillen. Und auch die Nichtprekarier
übernehmen die heikle Zuschreibung mehr oder
weniger bewusst, wollen mit diesen „schwierigen“
und „gefährlichen“ Menschen nichts zu tun haben
und wünschen nicht, dass ihre Kinder mit ‚deren’
Schmuddelkindern spielen oder lernen. (Ach wie
gut, dass wir ein dreigliedriges Schulsystem
haben, da bleiben die Schmuddelkinder unter sich
...).
Ist schon klar: Worunter die vom wirtschaftlichen
Erfolg abgehängten Menschen hierzulande leiden, ist
sicherlich erst in dritter oder vierter Linie das
Wort Prekariat – kein Geld, keine Arbeit; krank,
unglücklich und mittlerweile sogar wieder hungrig zu
sein, das sind die wahren Probleme. Aber man darf die
Macht der Sprache und die Kraft der sich selbst
erfüllenden sprachlich verfassten Prophezeiungen
nicht unterschätzen.
Deshalb lautet mein Unwort des Jahres 2008:
Preka****.
Sterbehilfe? Für mich schon.
Das winzige Erlebnis, das ich hatte, bestand darin, dass ich bei einem Spaziergang mit meinem Sohn an einem Altenpflegeheim vorbeikam, bei dem in einem der ebenerdigen Zimmer das Fenster offen stand und man gut reinsehen konnte. Was ich sah, war ein freundlicher, heller Raum von ca. 4 x 4 Metern Grundfläche. Bett, Tisch, 2 Stühle, Beistelltisch mit Fernseher; alles in hellem Holz, ich nehme an Kiefer. Eine Blumenvase stand auf dem Tisch, alles wirkte sehr sauber. Kurz: Ein netter Eindruck.
Trotzdem verstehe ich die 79jährige Dame sehr gut, die Herrn Kuschs Hilfe in Anspruch nahm. So hübsch das auch aussah: Dort will ich nicht hin! Das ist kein echtes Zuhause, das ist Klinik. Hübsche Klinik, ja, aber ich war 13 Jahre als Krankenpfleger tätig und erkenne ein Patientenzimmer, wenn ich eines sehe. Nee, nicht für mich.
Was sein wird, wenn ich 79 bin, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich mich in den nächsten 34 Jahren so verändern werde, dass ich Klinik und den Verlust eines echten Heimes dann in Kauf zu nehmen gewillt bin. Wofür auch? Für weitere drei, vier Jahre? Lohnt nicht. Weitere 20 Jahre, so ich sie denn erlebte? Die Vorstellung ist ja noch schlimmer!
Ich habe noch einiges vor, denke aber, dass ich mich dann irgendwann vor der letzten Reise nur noch ein bisschen ausruhen möchte und dann ist es gut. Aber ich ruhe mich doch nicht da aus. Wohlgemerkt, das ist keine Kritik an Pflegeheimen und Personal, wenn die so hübsch und aufmerksam sind, wie sich das in diesem einen Fall darstellte. Das Thema, das ich mit dieser Bemerkung anspreche, ist das der Autonomie meiner Entscheidungen.
Ich rede auch nicht davon, dass die Hospizbewegung gestärkt werden muss, dass die Palliativmeidzin besser werden muss, dass verdammt nochmal niemand Schmerzen zu leiden haben darf. Das ist alles richtig, wichtig und hilft bald hoffentlich vielen Menschen, dass auch die letzten Jahre schön werden.
Nein, ich rede davon, dass ich die alte Dame gut verstehe, die nicht ins Pflegeheim wollte. Und sei es noch so schön. Wenn ich zu dem Entschluss komme, dass es gut ist, dass ich nicht mehr möchte, dann will ich mein Leben auch auf eine Weise abschließen können, die mir den letzten Schritt leicht macht. Ja: leicht macht! Ich werde es mir schon nicht zu leicht machen, zu dieser Entscheidung zu gelangen. Dann aber will ich keine Hürde mehr vor mir sehen.
Es ist mein Leben. Es ist das einzige, was wirklich mir gehört. Vielleicht ist es auch nur das einzige, was wirklich mir gehören sollte. Dazu gehört, dass ich es aufgebe, wann ich will.
Und ein Gott, der mich nicht aufnimmt, weil Suizid Sünde ist, in dessen Reich will ich gar nicht. Aber ich denke nicht, dass Gott das so streng sieht.
Artenschutzkonferenz hat fertich ...
Woher kommt das? Ich denke, es liegt an der mangelnden Betroffenheit. Nicht einer Betroffenheit im emotional-moralischen Sinn, sondern einer Betroffenheit im ursprünglichen Sinn des Wortes: Es betrifft uns nicht direkt, denn die am Amazonas gefällten Bäume treffen niemanden hier auf den Kopf. Es ist alles zu weit weg. Selbst die die Menschen in Australien, die wegen mangelnden Höhen-Ozons direkt von der Sonne verbrannt werden, lernen nichts daraus, da Hautkrebs anscheinend zu weit von seiner Ursache entfernt entsteht, um Betroffensein erzeugen zu können. Der Mensch, so vermute ich, ist anscheinend emotional nicht in der Lage, angemessen auf mittelbare und langfristige Einwirkungen zu reagieren.
Wieso emotional? Weil er
rein vernünftig betrachtet in vielen Dingen sehr wohl
weiß, was ihm passiert. Kognitiv ist unbestritten,
dass wir gefährlichsten Raubbau an unserem Planeten
und damit an uns, vor allem aber an der Zukunft
unserer Kinder betreiben. Trotzdem passiert nichts
Substanzielles. Warum? Ees kann im Großen nur eine
nichtrationale Ursache dahinter stecken. Denn sicher
gibt es zwar einige Egoisten, die rational
durchkalkulieren, das weiteres Fehlverhalten ihnen
kurz- bis mittelfristige Vorteile bringt und dann
gilt, nach mir die Sintflut. Aber den weitaus meisten
Menschen liegt das Leben im Allgemeinen, wie auch das
der Menschen im Besonderen und das der eigenen Kinder
im ganz Besonderen so am Herzen (und im Kopf -
Vernunftdenken!), dass das Ergreifen geeigneter
Maßnahmen und die Wahl entsprechender politischer
Vertreter und Programme ihnen äußerst nahe liegen
sollten. Aber das tun wir nicht. Oder zumindest nur
so wenige, dass sie keinen Unterschied machen.
Dass wir nicht klüger handeln, obwohl alle Erkenntnis
der nötigen Maßnahmen seit den frühen siebziger
Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt sind, kann
nur mit mangelnder irrationaler Eindrücklichkeit der
Gefahren und mit mangelndem Missempfinden der
tatsächlichen Situation erklärt werden. Auf einer
emotionalen Basis fühlen wir uns anscheinend zu
sicher vor der drohenden Gefahr, um in die
angemessene Sorge zu verfallen. Eine Sorge, die eben
groß genug sein müsste, um Verhaltensänderungen zu
bewirken. Da aber einerseits die Entwicklungen in
Natur und Umwelt mit einer Behäbigkeit geschehen, die
für den ausreichenden Anstieg der Gefahr Jahrzehnte
braucht, werden wir die angemessene Menge an Sorge
wohl erst entwickeln, wenn uns die Entwicklung Dürre
auf den eigenen Feldern und die ganz persönliche
Hungersnot bescheren. Und da andererseits die
Korrektur von Umweltschädigungen aufgrund der
gleichen Behäbigkeit Jahrhunderte und Jahrtausende in
Anspruch nehmen wird, ist die Situation wohl
ausweglos.
Bleibt also nur, Swimmingpool und 500 PS-Wagen zu
genießen, um das Beste aus den letzten Jahrzehnten
herauszuholen. Wahrscheinlich wird es ja sogar
unseren Kindern bis zu deren vierzigsten oder
fünfzigsten Lebensjahren noch einigermaßen gut gehen
(obwohl sie mir sehr Leid tun wegen der totalitären
Öko-Diktaturen, die sie in den letzten
Lebensjahrzehnten werden durchmachen müssen ... von
den Enkeln ganz zu schweigen ...).
Und die Natur? Die leidet noch ein paar Jahrhunderte,
freut sich aber schon auf die nachfolgenden Homo
sapiens-freien Jahrmillionen, wenn dann endlich alles
wieder in ein natürliches Gleichgewicht
zurückschwingt. Ich wüsste nur zu gern, ob sich
nachfolgend entwickelnde Intelligenzwesen klüger
verhalten werden, oder ob Intelligenz und
Selbstbewusstheit immer so enden.
Überzeugen Sie mich, dass
ich Unrecht habe. Bitte!
Der Dalai Lama in WAT
Der Eindruck? Nicht viel anders als beim Betrachten eines Fotos, da fehlen mir wohl besondere Sensibilitäten. Interessant aber war, mit welcher Andacht die etwa 500 Menschen draußen auf ihn warteten und wie begeistert, ohne damit zu übertreiben, sie reagierten. Das zeigte mir - wenn auch äußerst indirekt - wie dieser Mann bewegen kann. Wie Charisma, Überzeugung und Spiritualität bewegen können - und sei es durch nicht mehr als durch die kleinste Geste. Der Mensch - animal spirituale ?!
Spannend, einsichtsreich, signifikant ... auch wenn es nur eine so kleine Sache war ....
Der Wert des Lebens
Welchen Wert hat das wertvolle Leben aber? Wenn man auf Umweltzerstörung, Waldrodung, 'moderne' Großlandwirtschaft und Urbanisierung schaut, hat es anscheinend keinen ganz so gewaltigen Wert. Aber es ist das uns umgebende Leben, dass unser eigenes, zumindest in der derzeitigen Form erst ermöglicht. Sie mögen Obst? Ohne Bienen keine Bestäubung und kein Obstanbau. Sie legen Wert auf sauberes Wasser? Ohne Schilfauen, Uferböschungen, Auwälder gibt es kein sauberes Wasser, denn Kläranlagen alleine reichen bei weitem nicht. Und wahrscheinlich wollen Sie ja auch essen und atmen ... Der Wert der Natur lässt sich also schon beziffern, etwa durch das Geld, das Sie für die Nahrung aufwenden - ein paar Cent fünfzig für industriell hergestelltes Billigschweinemett, ein paar Euro für hochwertig und artgerecht erzeugtes Fleisch, das aber auch gesünder für Sie ist. Was die Natur an Leistungen zur Verfügung stellt wird mit einem Wert von 33 Billionen Dollar jährlich beziffert (das Bruttoinlandsprodukt der Welt liegt bei 18 Billionen).
Das ist zwar eine unromantische Betrachtung der
Natur, aber so lässt sich andererseits ein
Bewusstsein dafür wecken, dass die Umwelt und ihr
Schutz gerade im monetären Sinne wertvoll ist. Und es
zeigt sich, dass Umweltschutz zwar kostet, aber auch
einen Mehrwert bringt. So hängt die Qualität unserer
Atemluft entscheidend davon ab, dass in den großen -
aber immer kleiner werdenden - Lungen unserer Welt,
den Regenwäldern, Sauerstoff produziert und
CO2 gebunden wird. Da ist es dann auch
konsequent, dass Ecuadors Umweltminister
fordert, dass der industrialisierte Norden der
Welt dafür zahlt, dass das Land darauf verzichtet,
im Regenwald Öl zu fördern und ihn damit zu
zerstören.
Das klingt nach Erpressung? Ja, vielleicht; ist es
aber nicht. Der ecuadorianische Staat hat gegenüber
seinen Bürgern kostenintensive Aufgaben (Bildung,
Soziales) zu erfüllen und braucht dafür Geld. Das
nimmt er ein, indem er uns saubere Luft verkauft.
Ansonsten verkauft Ecuador uns eben Öl und wir machen
eben noch zusätzliche 12 oder 18 Monate mit
ecuadorianischem Öl weiter wie bisher anstatt uns um
die Umwelt und die Zeit nach dem Öl zu kümmern. Es
ist unsere Wahl! Und keine Angst, das Geld kommt
schon zurück, wenn Ecuador uns wiederum Laptops und
Netzwerktechnik abkauft, um seine Bürger mit IT,
Bildung und Kommunikationsmitteln zu versorgen (Autos
zu exportieren, sollten wir vielleicht nicht
anstreben, solange es noch die AudiBMWMercedesPorsche
mit ihrem exorbitanten Verbrauch sind). Insgesamt
gesehen ist der Tropenwaldschutz zwar teuer, aber
immer noch eine der günstigsten Formen des
Umweltschutzes.
Natürlich ist bei derartigen Geschäften einiges zu
beachten. Etwa das die finanzielle Unterstützung der
Regenwaldbesitzerländer keine Diktaturen unterstützen
hilft; dass sie nicht dazu führt, dass zuhause weiter
die Umwelt übermäßig belastet wird (denn man hat ja
jetzt ein gutes Gewissen); dass die Empfängerländer
ihren Teil des Handels auch wirklich einhalten usw.
Aber Natur und die Biodiversität haben erstens einen
bestimmten, auch in Geld messbaren Wert und es ist
zweitens möglich, Geld im Erhalt von Leben und
Lebensräumen anzulegen, was sich drittens als
sinnvolle Investition spätestens für unsere Kinder
herausstellen wird und viertens sogar zu einer
gerechteren weltweiten Verteilung von Reichtum führt,
was fünftens erwiesenermaßen die Welt sicherer macht.
Die Enzyklopädie des Lebens
Was ist eigentlich der Wert der Biodiversität, also des Umstandes, dass das Leben in unterschiedlichen Formen und Arten auftritt? In allererster Linie liegt der Wert möglichst verschiedenartiger Lebensformen darin, dass das Leben dadurch insgesamt auf stabilerer Basis steht, denn Krankheiten sind meist spezialisiert auf bestimmte Lebensformen oder Gruppen von Lebensformen und die unterschiedlichen Arten bestehen gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen mal besser, mal schlechter, aber je unterschiedlicher das Leben auftritt desto größer ist sein Chance, Krankheiten und Umweltverschmutzung zu widerstehen. Monokulturen, das haben viele Epidemien gezeigt, gehen sehr leicht unter. Dazu kommt, dass Biodiversität für den Menschen auch in mindestens dreierlei Hinsicht wichtig ist: wir leben von Lebensformen, also ist es besser für uns, wenn es deren mehrere und gesündere gibt; wir lernen von Lebensformen in den Ingenieurs-, Bio-, und Medizinwissenschaften und je mehr da ist, von dem wir lernen können, desto besser ist es für unser Überleben; aber auch der ästhetische Wert intakter Natur für unsere seelische Gesundheit darf nicht unterschätzt werden. Als vierter Punkt wird in jüngerer Zeit auch der ökonomische Wert einer effektiveren Ausnutzung der Biodiversität betont, der dann gegeben ist, wenn aus größerer Vielfalt gewählt werden kann, um vermarktbare Produkte zu entwickeln.
Leider geht der Mensch äußerst effizient gegen die noch bestehende Biodiversifikation vor, indem er die Meere und Länder verschmutzt, urwüchsige Pflanzenwelt im Austausch für Felder und Weiden abholzt und zugunsten des Gewinns nichtorganischer Bodenschätze das Leben verdrängt. Wie reich das Leben (noch) ist, können Sie jetzt nach und nach mitverfolgen, wenn Sie die Website der Encyclopedia of Life (www.eol.org) im Auge behalten. Das hochambitionierte Projekt, das der Insektenforscher, Begründer der Soziobiologie und Umweltexperte Edmund O. Wilson ins Leben gerufen hat, verfolgt das Ziel, alle auf der Erde vorkommenden Lebensformen in einer riesigen Datenbank (Schätzungen gehen von bis zu 100 Millionen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten aus) mit je eigener Seite vorzustellen und zu beschreiben. Derzeit sind 25.000 Tier- und Pflanzenarten beschrieben und für 1 Million weitere liegen Grundinformationen vor; täglich werden es mehr. Ein wertvoller Wissensquell für alle Menschen, die am Leben und seinen Erscheinungsformen interessiert sind!