Machtmissbrauch, das ist immer noch das Problem mit der katholischen Kirche

Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht, nicht wahr? Und „brechen“ war denn auch das erste, woran ich beim heutigen Anblick der Zeitung denken musste. Gut, dass der Blick vor der Nahrungsaufnahme fiel. Da hat sich also der Ruhrbischof zum Thema Homosexualität ausgelassen und diese wieder einmal als Sünde verdammt. Das ist aber leider nur auf den ersten Blick lächerlich, denn das eigentliche dahinterstehende Problem ist der immer noch praktizierte Machtmissbrauch des katholischen Klerus. Und damit meine ich nicht einmal das von ihm extra für Kinder aufgestellte elfte Gebot „Du sollst alles tun, was Dein Priester sagt!“ Das Maß ist voll, der Krug gebrochen ...

Jeder aufgeklärte (ich meine die kantsche Aufklärung) Mensch sollte mit einem Achselzucken über diesen Schwachsinn von der Sündhaftigkeit gleichgeschlechtlicher Liebe hinweggehen können, was dem Thema genau die Aufmerksamkeit gewährte, die ihm zusteht - Null. Aber leider geht das nicht, denn die katholische Kirche übt noch sehr viel geistige Macht aus, weil Millionen von Menschen diese Kirche als geistigen Mittler zwischen sich und Gott verstehen.

Wenn es Gott gibt - was ich keineswegs ausschließe -, so ist es zwar so, dass alles, was mein Seelenheil betrifft sich zwischen mir und ihm abspielt. Aber das ist natürlich auch eine ganz schöne Bürde. Schließlich reden wir über das Schicksal meiner unsterblichen, also in alle Ewigkeit existierenden Seele im Angesicht eines allmächtigen Wesens, das auch die Funktion eines Richters über eben diese, meine Seele ausübt. Das ist sicherlich manchmal schwer auszuhalten, und so ist es schön, einen Beistand, Vermittler und Anwalt in diesem Verhältnis zur Verfügung zu haben: den Priester und die Kirche.

Auch ist es schwierig, das ganze Leben und seinen Sinn zu verstehen. Religion kann dabei ungemein hilfreich sein und die professionellen Vertreter von Religion üben auch hier eine tragende Mittlerrolle aus. Auch hier sprechen wir mit Sicherheit von einer Spanne, die das gesamte irdische Leben umfasst und vielleicht von einer ganzen Ewigkeit, die auf dieses Leben noch folgt.

Sollten Sie selbst nicht religiös sein, so stellen Sie sich aber bitte einmal vor, was nun Aussagen wie die von der Sündhaftigkeit von Homosexualität bewirken können. Stellen Sie sich vor, Sie glaubten fest und wirklich und unerschütterlich daran, dass die Lehren der Kirche Ihr Wegweiser durch das Leben und darüber hinaus in die Ewigkeit und zur liebenden Anerkennung durch Gott sind. Stellen Sie sich vor, Sie seien wirklich überzeugt davon, dass das Sündigen Sie zu tausenden von tausenden von tausenden Jahren in der Hölle verurteilt - allein, ungeliebt, eventuell pausenlos gefoltert. Genau so etwas können diese Priester dem Gläubigen nämlich einreden.

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Angst machen, das können sie ...

Wer so viel Verantwortung trägt, wie die Priesterschaft, ist gehalten, damit auch sehr verantwortungsvoll umzugehen. Wer so viel Verantwortung trägt, besitzt damit auch eine sehr große Macht. Schließlich haben diese Leute mit ihren Auslegungen die Hoheit über das spirituelle Leben all der Gläubigen, die beschlossen haben für sich die katholische Heilslehre in Anspruch zu nehmen. Und wer mit der nicht verantwortungsvoll umgeht, missbraucht seine Macht. Und wer Macht missbraucht, dem gehört sie entzogen. Nahezu das gesamte Bischofs- und Kardinalskollegium und der Papst sollten zurücktreten oder bei Nichtbefolgen zum Rücktritt verurteilt werden!

Aber könnte denn etwas dran sein an der Idee Homosexualität sei sündhaft? Nein, ausgeschlossen. Homosexualität ist eine Spielart der Liebe zwischen Menschen, und wenn es eine Sache gibt, die gut ist, wenn Menschen sie ausüben, dann ist es dies: zu lieben.

Ich scherze ja gerne, dass mir eine primitive Religion wie die katholische - und primitiv ist sie trotz all der überflüssigen theologischen Fakultäten an denen gar nicht primitive Menschen sich bemühen, der Primitivität einen intellektuellen Anstrich zu geben - lieber ist als das Wischiwaschi der Evangelen, die selbst Jesus rumdrucksenderweise die Göttlichkeit abzusprechen beginnen. Da haben die Katholen mit ihrem Teufel und echtem Schwefelgeruch ja noch richtig was aufzufahren.

Angesichts der katholischen Realität bleibt mir dieser Scherz aber im Halse stecken. Diese sogenannten Seelsorger gehen mit ihrem Machtmissbrauch nicht weniger verbrecherisch um als die Inquisitoren vor 500 Jahren. Wer so verantwortungslos spricht wie Ruhrbischof Overbeck und Papst Benedikt, verbrennt nämlich die Seelen der Gläubigen.

Das einzige was hilft - denn zurücktreten werden die natürlich nicht - ist, sich klarzumachen, dass das Seelenheil ganz ohne des Klerus´ belanglose Meinung zwischen Ihnen und Gott entschieden wird. Hilfe und Trost in dieser Angelegenheit können auch andere spenden als ausgerechnet diese Priesterschaft. Die liebt Sie nämlich nicht, sondern will Sie beherrschen. Gott aber liebt Sie und will Ihre Freiheit, sonst hätte er sich die Schöpfung gespart.


Bestenfalls einen Viertelsieg ...

... für die Freiheitsredner, den AK Vorratsdatenspeicherung und alle anderen Gegner derselben stellt die Niederlage der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht dar. Denn die Vorratsdatenspeicherung ist mitnichten gekippt worden, nur ihre derzeitige unausgegorene Version wurde für unverfassungsmäßig erklärt.

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Was alle Gegner der Vorratsdatenspeicherung eigentlich erwartet hatten, war, dass sie insgesamt als ein Verstoß gegen die Grundprinzipien des Datenschutzes abgelehnt würde. Stattdessen hat das Gericht festgelegt, dass eine Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform ist, „wenn ihre Ausgestaltung besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht“ (Quelle: heise-online). Denen ist insbesondere dann Genüge getan, wenn Daten zu bestimmten Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gespeichert werden. Verworfen wurde nur eine schwammig-unbestimmte Form der Vorratsdatenspeicherung für erst später aufgestellte Fragestellungen und Interessen. Na ja, einen Katalog relevanter Gefährdungsszenarien wird die Regierung schon hinbekommen ...

Festgelegt wurde nur, dass die derzeitige, und damit gekippte Regelung den Anforderungen an Transparenz und Bestimmbarkeit der Nutzung der erhobenen Daten nicht genügt. Wird diese hergestellt, so ist zu erwarten, dass das BVfG eine etwaige erneute Klage abschlägig bescheiden wird. Und das ist genau das, was unser Innenminister jetzt so schnell von Frau Leutheusser-Schnarrenberger fordert: ein schnelles neues Gesetz, möglichst noch vor dem Sommer.

Warum so schnell? Na, im Herbst entscheidet der EUGh über die europäischen Vorgaben und vielleicht schlüge er Herrn de Maiziére damit ein noch nicht fertigestelltes neues Instrument aus der datensammeleifrigen Hand. Schauen wir mal, was das FDP-geführte Justizministerium jetzt macht. Heute morgen hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger ja noch gegengehalten - hier könnte sich die FDP endlich wieder ein bisschen als liberal profilieren ... auch wenn der Markt mal nicht profitieren würde.

Besonders bedrohlich ist übrigens die vom Gericht vorgenommene Trennung in mittelbar und unmittelbar genutzte Daten. Die ist relevant, weil „mittelbar nutzbare“ Daten, wie IP-Adressen, in den Augen des Gerichtes keinen direkten Datenzugriff darstellen und deshalb auch weiterhin und sogar - allerdings auch wie jetzt schon Praxis - ohne Richtervorbehalt genutzt werden dürfen. Die Abmahnindustrie wirds freuen. Verständlich ist diese Argumentation indes nicht.

So gesehen hat sich entgegen des ersten Eindruckes nicht viel Gutes getan. Für die Praxis hat das Urteil gar keine Folgen und was kommen mag wird sich an dem orientieren, was Europa entscheidet. Schade, unser BVfG war auch schonmal besorgter um Freiheit und Datenschutz.



Warum ich ein Liberaler bin, die FDP aber nicht

Seit einiger Zeit geistern ja diese verhaltensauffälligen und scheinbar hilflosen Menschen durch die Medien, die in der FDP heutzutage Verantwortung haben und Leitungspositionen ausüben. Nein, Mitleid braucht man nicht zu haben, die wirken nur hilflos, sind aber bestens in Unterstützungssysteme eingebunden und erfüllen eine ihnen von Lobbyisten zugewiesene Rolle. Mitleid muss man eher mit den echten Liberalen haben, von denen in der FDP nur noch ein paar wenige zu finden sind (Hirsch, Baum, Hamm-Brücher), und die auch nichts zu sagen haben.

Warum? Weil der Liberalismus eine wichtige Sache ist, er aber von der Mannschaft um Herrn Westerwave vollkommen diskreditiert wird. Sollen die doch Anwälte, Hoteliers und Apotheker vertreten - aber bitte nicht unter dem Label „liberal“.

Ursprünglich ging alle Macht keinesfalls vom Volke aus, sondern musste in der Neuzeit vom Volke Stück für Stück erkämpft werden. Macht ist dem Homo sapiens eine prima Sache, die er genießt, aber aus freien Stücken meist nicht uneigennützig einsetzt. Also musste sie den Königinnen und Königen, Zarinnen und Kaisern und diversen selbsternannten Befreiern, die die Freiheit gleich wieder einkassierten, in zähen Verhandlungen und teilweisen Kämpfen abgerungen werden. Dass wir heute zumindest im Westen Bürger- und Menschenrechte haben, haben wir dem Liberalismus zu verdanken, der diesen Kampf führte.

An der Natur der Menschen hat sich nun nichts verändert, weshalb es immer noch nötig ist, die Freiheit zu verteidigen, sonst wird sich bald jemand finden, der sie uns wieder abnimmt. Also hat der Liberalismus weiterhin eine Daseinsberechtigung, denn nur seine Grundsätze verpflichten zum Erhalt der individuellen Freiheit. Und dieser Liberalismus ist auch kein kalter Freiheitsgedanke, denn er hat seit Adam Smith gewaltig dazugelernt und ist eine Verbindung mit den Grundgedanken von Sozialität und Solidarität eingegangen. Spätestens seit John Rawls Theorie der Gerechtigkeit liegen die theoretischen Grundlagen vor, eine gerechte und solidarische und freiheitliche Gesellschaft zu begründen beziehungsweise zu erhalten, denn noch liegen wir in Deutschland gar nicht so schlecht.

(Ja, es gibt auch andere Spielarten des Liberalismus. Welche aber gelten soll, kann man ja aushandeln, und der gesunde Menschenverstand spricht mit Macht für die Rawlssche Spielart - nachzulesen beispielsweise in Abschnitt 3 meines Buches Anspruchsvolle Schlüsse.)

Rawls und andere beschreiben eine gerechte Gesellschaft, die ihren Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Freiheit gewährt, solange diese Freiheit nur nicht die Solidarität der Gesellschaft auflöst. Als Grundlage dieser Gesellschaft kann man die unveräußerlichen Menschenrechte beschreiben, die ihrerseits dem Liberalismus Ziel und Richtung geben. Und die ihn nötigenfalls einschränken, nämlich immer dann, wenn die angenommenen Freiheiten einiger, die Grundrechte anderer außer Kraft zu setzen drohen. Dies zu verteidigen oder überhaupt erst einmal zu erreichen, wäre ureigenste Aufgabe einer freiheitlichen Partei wie der FDP.

Das hat sie auch mal getan, wenigstens in nicht unerheblichen Teilen. Das war aber, bevor sie sich unter der Herrschaft Helmut Kohls bequem als Anwalt der Partikularinteressen einiger weniger etabliert hat und das Denken einstellte. Dann kam etwas unerwartet Rot-Grün und eine elfjährige Leidenszeit in der Opposition. Dem Verhalten adoleszenter Brüllaffen nicht unähnlich rumpelstilzte ein bei Jürgen Möllemann in die Lehre gegangener Herr Westerwave lauthals neben der Bühne des politischen Geschehens einher und warb um Aufmerksamkeit. Die er leider bekam. Nein, nicht weil jemand die FDP haben wollte, sondern weil ganz viele die Große Koalition nicht mehr haben wollten. Also durfte Herr Westerwave auf die Bühne hinauf - schade.

Jetzt regieren die ‚Liberalen‘ also. In einer Zeit, die ganz besondere Anforderungen an den Liberalismus stellt. Wir haben eine Wirtschaftskrise, die das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören vermag, denn einer wie Josef oder Adolf „würde da sicher aufräumen“. Wir haben eine durch die elektronischen Medien revolutionierte Lebensweise, die mit dem einfachen Zugriff auf sensibelste Daten völlig neue Überwachungsformen und innovative Verarschungsweisen (Abofallen, Phishing, Bankbetrug) ermöglicht. Wir stehen vor dem Klimawandel, der den Liberalismus auf umgekehrte Weise herausfordert, denn der Wandel beruht auf exzessiver Nutzung der eigenen Freiheit, die in Umweltgefährdungen mündet, weshalb das Ausmaß diskutiert werden muss, in der persönliche Freiheiten aufgegeben werden sollten oder nicht. Und und und ...

Und was macht die FDP? Sie entdeckt ihre soziale Ader! Herr Niebel holt Bedürftige von der Straße und schenkt ihnen Staatssekretärsposten in dem Ministerium, das er eigentlich abschaffen wollte und nach OECD-Meinung vielleicht auch besser abschaffen sollte. Ach nee - trauriger Scherz beiseite. Die FDP macht erstens weiter wie bisher und bedient Partikularinteressen und vergisst zweitens alles, wofür der Begriff der bürgerlichen Freiheit steht.

Was soll beispielsweise dieser völlige Blödsinn von der „spätrömischen Dekadenz“ der Empfänger von Sozialleistungen? Außer einem Beweis der Ungebildetheit von Herrn Westerwave, der nicht einmal wie jeder Siebtklässler weiß, wie es in Rom wirklich zuging, kann man darin nichts erkennen. Liberalismus muss sich wirtschaftlichen Problemen von der Wurzel her nähern, heißt: Freiheit ist auch das Recht darauf, Freiheiten wahrnehmen zu können. Dafür braucht man Geld. Haben wir in Deutschland aber nicht, sagt die OECD im Ländervergleich. Also brauchen wir Maßnahmen gegen die ausufernde Armut, wie differenziertere Möglichkeiten der Aufstockung von Sozialleistungen und Absicherung des Alters sowie eine Mindestentlohnung wenigstens auf europäischem Niveau.

Es sind so viele Aufgaben zu meistern, gerade für Liberale. Die Pseudoliberalen von der FDP versuchen es aber nicht einmal. Ich schreibe wenigstens dagegen an. Deshalb bin ich ein Liberaler und die nicht!



Bildungsausgaben in Deutschland werden massiv erhöht! Hurra?

So ist das, wenn die Bildung in die zupackenden Hände der Finanzminister gerät - endlich passiert was. Die Bildungsausgaben in unserem Lande werden - um das gesteckte Ziel zu erreichen, mit 10 Prozent der Bruttoinlandsproduktes wenigstens annähernd an das Niveau bildungspolitisch entwickelter Nationen anzuschließen - massiv erhöht, hat die Finanzministerkonferenz der Länder beschlossen.

Und das kostet nicht mal was, wie schön ...

Denn die Mittelerhöhung besteht aus Buchungstricks. So besitzen Kommunen und Länder bekanntermaßen tausende von Immobilien. Teilweise sind das richtig schicke Dinger, wie etwa die schönen alten Universitätsgebäude in Städten wie Berlin, Tübingen, Heidelberg, Jena usw. Und so gut wie all diese Liegenschaften kosten ja eigentlich nix, denn sie sind im Besitz der öffentlichen Hand.

Ätsch, jetzt kosten sie aber doch, denn nun dürfen die Bundesländer in ihre Bildungshaushalte die Kosten von „fiktiven Mietzahlungen für die Liegenschaften von Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten“ einrechnen (TAZ vom 15.12., S. 3). So entstehen „kalkulatorische Unterbringungskosten in Höhe von 10 Milliarden Euro“ (so ein von der TAZ zitiertes Strategiepapier der Finanzministerkonferenz). Und diese 10 Milliarden Mehrausgaben bessern die Statistik entscheiden auf, so dass reichlich versprochenes Geld übrig bleibt, etwa um Übernachtungen in Luxushotels durch Mehrwertsteuerermäßigung zu subventionieren. „Leidtragende sind lediglich Schüler und Studenten“, so die TAZ.

Außerdem sollen die Bildungsausgaben um einen weiteren massiven Posten angereichert werden. Die Pensionszahlungen für ehemalige Lehrer und Professoren werden demnach in toto den Bildungsausgaben zugerechnet. Jeder sich die Restlebenszeit auf dem Tennisplatz vertreibende Expädagoge verbessert demnach hierzulande statistisch die Bildungsbemühungen. Der OECD, die uns ja schon lange damit nervt, dass wir zuwenig für die Ausbildung der jungen Menschen tun, kann dies dann genüsslich in den nächsten internationalen Bildungsreport untergeschoben werden.

Es ist zum Heulen! Und beängstigend.

Die Politik bietet ein dermaßen schwaches Bild, das man sich um die Demokratie immer mehr Sorgen machen muss, obwohl sie eigentlich die einzig ethisch-sozial angemessene Form des Regierens ist. Aber wenn eine neue Regierung schon in den ersten zwei Monaten solche Bilder bietet (der steuerpolitische Totalfehlschlag, das Wegducken beim Klimagipfel und die Verschleierungsaffäre um die Ereignisse in Afghanistan gehören auch dazu), ist das eine demokratiepraktische Katastrophe, die unmittelbar an Weimarer Eindrücke anschließt.



Aus gegebenem Anlass: Mal wieder Thema Eskapismus

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel macht diese Woche mit einer seiner berüchtigt pessimistischen Titelgeschichten über die aktuellen Zeitläufte auf und analysiert die Zeit von 2000 bis 2009 als das „Verlorene Jahrzehnt“, in dem der 11. September, die Finanzkrise und der Klimawandel für eine umfassende Wende zum schlechteren, verbunden mit dem Verlust fast aller Hoffnung, verantwortlich gemacht werden. Illustriert wird das nach Meinung der Autoren auch und besonders charakteristisch durch den großen Publikumserfolg von Harry Potter und der Verfilmung von Der Herr der Ringe. Dieser Erfolg hat selbstverständlich nichts mit der Qualität der beiden Werke zu tun, sondern ist Ausdruck einer allgemeinen Weltfluchttendenz angesichts der hoffnungslosen Situation des Lebens auf unserem krisengeschüttelten Planeten. Die beiden märchenartigen Geschichten entführen ihre Zuschauer und Leser in bessere Welten, um sie des Nachdenkens über echte Probleme zu entheben - mal wieder Thema Eskapismus. Ein Eskapismus natürlich, das insinuiert schon die Nennung in dem Zusammenhang mit dem Verlorenen Jahrzehnt, der individuell wie gesellschaftlich und politisch von größter Verantwortungslosigkeit zeugt, denn wer Tolkien liest, kümmert sich schließlich nicht gleichzeitig um den Weltfrieden.

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Türen in fremde Welten helfen ...

Allerdings haben sich die Spiegel-Redakteure, wie ich finde, keinen Gefallen damit getan, ausgerechnet diese beiden Fantasyerzählungen auszuwählen. Und damit ziehe ich mich nicht auf die bekannte Replik des Herr-der-Ringe-Autors Tolkien zurück, dass Fluchten ins Phantastische angesichts der nüchtern-trostlosen Moderne legitime Fluchten eines Gefangenen aus dem Gefängnis einer ent-ästhetisierten Welt sind.

Ich halte die Beispiele Harry und Mittelerde für schlechte Eskapismusbeispiele, weil sie beide überhaupt nicht weltabgewandt sind. Doch der Spiegel hält sie für „KIndergeschichten“ und schließt im Weiteren: „Man zieht sich zurück in eine infantile Welt, in der herzige Helden das Böse besiegen.“ Und das natürlich nur, um den Kopf in den Sand zu stecken: „Das moderne Märchen ist die Antwort auf eine ruppige Welt.“ (Alle Zitate S. 154.) Oh ja, Verantwortungslosigkeit pur!

Die „herzigen Helden“ sind natürlich die übliche Spiegel-Polemik und wären gar nicht so schlimm, wenn sie auch nur annähernd den Werken entsprächen, denn schließlich sei auch dem Spiegel gestattet, seine Punkte zu machen, wie er es für richtig hält. Aber anhand dieser Beispiele zeigt sich einfach, dass die Herren Kurbjuweit und Steingart sowie Frau Theile schlicht keine Ahnung haben, wovon sie schreiben.

Wo nämlich die Herzigkeit zu finden sein soll, kann sich dem Publikum nicht erschließen. Etwa in den Folterszenen zwischen Dolores Umbridge und Harry Potter? Oder wenn Sam und Frodo sich am Ende ihrer Kräfte durch die tödliche Ödnis Mordors schleppen? Egal. Geschenkt, würde ich sogar sagen - denn die Bemerkungen sind ja nur Randnotizen zum großen Thema des Artikels -, wenn nicht die Werke und das Publikum damit erstens en passant mal wieder beleidigt würden und zweitens nicht schon wieder der unzutreffende Gemeinplatz bedient würde, dass Fantasy mindestens belanglos, vielleicht aber sogar gefährlich ist, denn sie verhindert ja den Blick auf die wichtigen Dinge.

Aber schauen Sie sich diese herzigen Welten doch einmal an. Nein, es muss gar nicht das bedrückende verheerte Land sein, in das der ‚herzige’, an Lepra erkrankte Held Thomas Covenant geworfen wird (von dieser Fantasy-Serie redet der Spiegel ja auch nicht - meine Entschuldigung). Nein, ich meine das ach so herzige Hogwarts und die herzige Welt Mittelerde.

In Hogwarts erlebt Harry Potter in 7 Bänden eine typische Coming-Of-Age-Geschichte, einen Entwicklungsroman wie es ihn seit Jahrhunderten gibt; klassisches Literaturarsenal sozusagen. Lässt man einmal die phantastische Kulisse beiseite, so findet man eine durchaus realistische Geschichte über die Probleme des Aufwachsens. In höchstem Maße zugespitzt zwar, aber Zuspitzungen sind völlig normal in allen Arten von Romanen und Filmen, um die Punkte zu verdeutlichen, über die die Autorin, der Regisseur Aussagen machen möchte. Dass die Zuspitzungen bei Harry Potter bis ins Übernatürliche hineinreichen, ist weder für die Form noch für die Aussage von Belang. Todes- und Liebeszauber in Fantasy sind nichts weiter als Metaphern für menschliches Handeln. Worauf es ankommt, ist, ob die Geschichte als Geschichte überzeugt und anspricht. Und die ist komplex und reichhaltig, die Charaktere besitzen Tiefe und die Entscheidungen, die den Protagonisten abverlangt werden sind schwierig und folgenschwer - ganz ähnlich wie jeder Jugendliche zu ahnen beginnt, dass alles, was er tut komplex und folgenschwer ist. Jedenfalls ist es keine infantile Welt, in der einfach mal so das Böse besiegt werden kann.

Auch Mittelerde ist keine Welt, in der rechts das Böse und links das Gute stehen und Links mal eben nach Rechts rüberrennen kann, um die Geschichte in allgemeinem Wohlgefallen aufzulösen. Nicht einmal bei Jackson ist sie das ... und um wie viel weniger bei Tolkien, wie Steingart, Kurbjuweit und Theile leicht einsehen sollten, wenn sie sich mal mit Feanor oder Turin befassten oder auch nur über Gollum nachdächten, von dem auch sie schon gehört haben dürften. Es ist eine noch einmal deutlich komplexere Welt als Hogwarts, die Tolkien da erschaffen hat, in der es Unmengen an Gedanken, Überzeugungen und Ideen zu entdecken gibt. Allein der melancholische Niedergangscharakter - der ebenfalls bei Jackson zu sehen ist - gibt schon so vieles zu bedenken, dass nicht wenige Kritiker Tolkien deshalb in eine Reihe mit den großen Kriegspoeten wie T. S. Eliot und Erich Maria Remarque gestellt haben. Herzig? Nein, Modernitätskritik und der Tod auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs finden ihre phantastisch vebrämte Aufarbeitung.

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... die Tür zur eigenen Welt zu öffnen

Und die vermeintlichen happy endings? Sie sind es ja wohl, die den Hauptimpuls zum Eskapismus bergen, über den die Autoren sich mokieren. Märchen - und selbst die sind nicht so naiv wie der Spiegel-Artikel es wohl gerne darstellen würde - enden oft mit der Aussage, dass nach den Ereignissen alle glücklich und zufrieden leben, eventuell bis heute und gleich um die Ecke. Doch welches Fazit können die Helden Harry und Frodo ziehen? In Harrys Fall endet die Geschichte glücklich, aber das Happily-Ever-After-Gefühl stellt sich nicht ein. Es ist gut, aber es fühlt sich eher an wie: „Es ist geschafft.“ Und es war verdammt hart, dorthin zu gelangen. Exakt so, wie sich der vollzogene Austritt aus der Jugend anfühlt. Und für Frodo - und die gesamte Welt Mittelerde, die nun auf allen elbischen Zauber verzichten muss - gibt es überhaupt kein Happy End, denn seine Wunden sind so tief, dass er es nicht mehr in der Welt, die er rettete, aushält und sie verlassen muss.

Harry und Frodo haben gelernt, dass man mitunter große Opfer bringen muss und bilden damit ab, was Menschen im wahren Leben tagtäglich erleben. Dass es überhaupt zu Enden kommt, bei denen wenigstens das Böse nicht triumphiert, verleiht unserer Minimalhoffnung Ausdruck, dass wir das Leben halbwegs anständig bewältigen werden und ist als solches nur legitim. Natürlich sind Hogwarts, Mittelerde und all die anderen zauberhafte Welten, die in sich hinein entführen wollen. Harry, Mittelerde und ein großer Teil der Fantasy erinnern uns aber auch daran, wie steinig der echte (Lebens-)Weg ist. Mit Weltflucht hat das nicht viel zu tun, viel eher ist es zutreffende Diagnose, von den Ärzten Rowling und Tolkien - so wie jeder gute Arzt es machen würde - angereichert mit einem Schuss Hoffnung, der Mut macht, den Weg weiter zu gehen.

Ich auch ein Sondervermögen

Ich denke, ich werde mir jetzt auch ein Sondervermögen einrichten, so wie es die Schwarz-Gelben auf Staatsebene vorhaben. Schließlich gibt es genug dringliche Ausgaben, die getätigt werden müssten. Das Auto ist schon ziemlich alt, die Küche nicht mehr schön und so manche hübsche Kleinigkeit würde mein Leben bereichern können. Und seit man jetzt keine Schulden mehr macht, sondern das Aufnehmen von fremdem Geld als "Anlegen eines Sondervermögens" bezeichnet, fühle ich mich richtig gut bei diesem Gedanken.

Ich bitte Sie - unsere Eltern haben doch immer dazu geraten: "Kind, wenn es geht, leg´ dir beizeiten Vermögen an." Einzig das Verhältnis zu meinem Kind, das könnte dadurch belastet werden, wird der Junge doch in zwanzig oder dreißig Jahren das von mir aufgelegte Vermögen abtragen müssen ... durch 75%ige Abgaben auf seine Arbeit; durch Grundsteuern, die das Haus auffressen werden, das er von uns zu erben hoffte; durch eine Staatsverschuldung, die unser ressourcenfreies Deutschland in einer Armenhaus verwandeln könnte ...

Aber was solls, jetzt wird erst einmal Vermögen geschaffen.

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Egal, Kleingeld halt ...

Obama bekommt Friedensnobelpreis? Das ist gut ...

... auch wenn ich im ersten Augenblick dachte: Wofür, der hat doch noch gar nix erreicht? Aber der Nobelpreis, besonders der für den Frieden war noch nie ein Preis, der nur für Erreichtes verliehen wird, sondern immer schon auch, um als förderungswert erkannte Prozesse durch die enorme Publizität des Preises zu unterstützen. Und das hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen. Warum also nun nicht einmal an jemanden, der offenkundig gute Politik machen will, aber dafür gerade jetzt dringend unterstützt werden muss?

Sicher, mir wäre es lieber gewesen, wenn die chinesischen Dissidenten Hua Jia und/oder Wei Jingsheng, gerade jetzt, 20 Jahre nach dem Tiananmen-Massaker, den Preis bekommen hätten, doch das ist Gefühl. Die Ratio sagt: Wenn das schon ein politischer Preis ist, dann sollte er auch pragmatisch da eingesetzt werden, wo er etwas bewirkt. Und die Unterstützung der Dissidenten würde durch eine Preisverleihung nicht mehr wesentlich weiter gestärkt werden; eher noch würde das Regime Chinas noch weiter auf stur schalten und die Repressionen wegen der vermehrten Öffentlichkeit erhöhen, um nur ja nicht schwach zu erscheinen.

Obama aber hat zwar noch nichts gemacht außer guten Plänen, aber diese sind in großer Gefahr.
- In der Außenpolitik werden Friedensbemühungen immer torpediert, aber die zusammengewachsene Welt ist auch immer mehr durch die öffentliche Meinung beeinflussbar. Obama versucht nun wirklich, ausgleichend zu wirken und gerecht zu vermitteln, besonders im Nahen Osten. Mehr hat Jimmy Carter auch nicht getan, und der wurde auch Preisträger. Bei Obama in seiner derzeitigen Machtposition besteht die Chance, dass die Friedensbemühungen sich nachhaltiger auswirken und wenn nicht, hat Oslo zumindest ein frühes Zeichen gesetzt.
- In der Innenpolitik geht es Obama um Gerechtigkeit und soziale Belange, wie sie in einer so ungleich ausgestalteten Gesellschaft wie den USA bitter nötig sind. Warum also auch nicht hier ein Zeichen für den Wandel setzen? Das wird die Republikaner des rechten Flügels als Einmischung von außen natürlich noch mehr aufbringen, aber die könnten den Päsidenten sowieso nicht mehr hassen, als sie es eh schon tun. All jene aber, die nicht so verbohrt sind, werden moralisch unterstützt, wenn 'ihr' Staatsoberhaupt diese vielleicht anerkannteste Auszeichnung erhält, die man auf der Welt bekommen kann.

Lustig ist es, gerade jetzt, eine Stunde nach Verkündung der Entscheidung, Obama und Friedensnobelpreis zu googeln, und dann auf all die vorher erschienenen Artikel zu stoßen, in denen geweissagt wurde, dass es viel zu früh sei, ihm jetzt den Preis zu verleihen.

Ja, es wäre zu früh, ihm den Preis zu verleihen, wenn wirklich das Ergebnis das Wichtigste des Friedesnobelpreises wäre (in den Naturwissenschaften ist es das), aber das ist ja eben nicht mehr das Wichtigste; der Preis ist ein Fanal der politischen Einmischung geworden. Es ist gefährlich, den Friedensnobelpreis zu diesem Fanal gemacht zu haben, aber dieses Jahr ist es noch mal gutgegangen, denn es hat den Richtigen getroffen.


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Kompromisslos ist immer schwierig ...

... aber in der Politik grundsätzlich fatal, weil es andere Meinungen prinzipiell ausschließt - und die gibt es immer -, denn die eigene wird dadurch absolut gesetzt - und die anderen bleiben auf der Strecke. Was die Linke in NRW nun als Programmentwurf hat durchsickern lassen ist genau das: kompromisslos.

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Ich beurteile dabei gar nicht die Forderungen, sondern die Position an sich, die sich in Forderungen ausdrückt, die der Linken, na sagen wir mal, ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen: Verstaatlichung weiter Industrieteile, Abschaffung des Justizwesens u.ä.

Was die Linke da fordert, steht in meist diametralem Gegensatz zu allem, was die anderen Parteien sowie die Mehrheit der Bevölkerung wünschen. Gut, das kann man machen und hoffen, aus eigener Kraft 51 Prozent aller Mandate zu erringen. (Dann funktioniert natürlich immer noch nicht alles - die Abschaffung der Gewaltenteilung bspw. ist verfassungswidrig und nicht ohne die Abschaffung des Grundgesetzes machbar ... und spätestens hier sollten sich alle Bürger massive Widerstandsmaßnahmen gegen die Linke überlegen.)

Das kann man sich aber nicht auf die Fahnen schreiben, wenn man wirklich etwas verändern will, denn dafür braucht man immer auch die anderen, zumindest einen gewissen Anteil der anderen, bis man eine Masse zusammen hat, die ausreicht, Neues auszuprobieren. Und wir reden hier von einem Wahlprogramm, Landtagswahl 2010 in NRW.

Bei dieser Wahl besteht die reelle Chance, die CDU/FDP-Regierung abzuwählen. Aber nur, wenn Linke, Grüne und SPD zusammenarbeiten. Radikalforderungen wie die der Linken signalisieren aber, wenn sie ernst gemeint sind, dass diese Zusammenarbeit nicht funktionieren wird.

Und warum sie überhaupt erst aufstellen, wenn sie nicht ernstgemeint sind? Die bisherigen Punkte der Linken reichen völlig aus, um all ihre Wähler zu mobilisieren. Mit DDR-Reminiszenzen wie der Verstaatlichung der Industrie aufzuwarten, dürfte so manchen eher wieder abschrecken. Also sind die NRW-Linken entweder verwirrt und glauben tatsächlich an Campanella oder sie meinen es so ernst, dass die befürchtete Kompromisslosigkeit zutrifft.

Sind sie aber wirklich so kompromisslos, dann schließen sie jegliche konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Parteien aus. Das ist eine Radikalität, die sich nicht mit moderner Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft vereinbaren lässt und Stimmen für die Linke sind dann verlorene Stimmen. Beziehungsweise gefährlich, denn wer kompromisslos ist, droht auch, seine Meinungen unter allen Umständen und mit allen Mitteln durchzusetzen.

Schade eigentlich, denn die jetzige NRW-Regierung ist schon bedenklich schlecht. Auch täte es dem ganzen Land gut, wenn NRW ab nächstem Jahr wieder links regiert würde, schon als Gegengewicht zur neuen Bundesregierung. Nur geht das wohl nicht ohne die Linke.

Aber mit dieser Linken dann doch lieber nicht ...

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Kann man also nur hoffen, dass die hier zitierten Meinungen ehrlich sind.



Bleibt alles gleich, außer dass es der Politik gut tun wird ...

Solange es demokratische Parteien sind, die gewählt werden - ob es nun zum Regieren reicht oder nur für die Opposition - bin ich erst einmal zufrieden. Und demokratisch sind sie zum Glück alle bis auf den braunen NPD-Matsch (und die haben ja nirgendwo Erfolge errungen). Also kann ich auch gut mit dem gestrigen Wahlergebnis leben, obwohl es nicht meinen Präferenzen entspricht.

Und wird sich denn etwas ändern für uns Bürger? Ja, aber nicht wegen der neuen Regierung, sondern wegen der allgemeinen Wirtschaftslage, die sogar die Linke zwingen würde, zu sparen. (Da hätte sich deren Klientel in den nächsten vier Jahren aber verdutzt umgesehen.) Also einfacher wird es nicht, schöner auch nicht, gerade nicht für uns Kulturschaffende, denn der Kultur wird es zuerst an den Sparkragen gehen.

Aber was wird außer Sparen sein? Ein paar empörende Steuergeschenke wird es geben, aber das wird sich in engen Grenzen halten. Der ausufernde Verbotewahn wird von der FDP hoffentlich ein bisschen eingeschränkt werden (für irgendwas müssen die ja auch gut sein, und angeblich sind sie ja liberal, müssten also erst einmal gegen Einschränkungen der Freiheit sein, die die CDU ja im kleinbürgerlichen Gleichschritt mit der SPD vornahm). Der Umwelt wird es weiter an den Kragen gehen, aber das hätte Sigmar Gabriel allein bei einer Neuauflage der Koalition auch nicht verhindern können. Bildung und Forschung werden genauso wenig profitieren wie bei allen anderen Parteien außer den Grünen, die sich aber sowieso in keiner Konstellation erfolgreich dafür hätten einsetzen können. Und ansonsten wird weiterhin keiner verhungern müssen und wir werden alle noch zum Arzt dürfen, auch wenn natürlich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dort optimal versorgt werden wird.

Bleibt also alles gleich ... Bis auf unser Politikverständnis - das wird sich zum Guten bessern. Dieser unerträgliche Sumpf großkoalitionären Gekungels, dieses klebrige Einandernichtandiekarrefahrendürfen, dieser erstickende Konsens bloß nichts durchsetzen zu wollen - das alles wird hoffentlich enden. Jetzt haben wir wieder verschiedene Lager und einen Wettstreit der Ideen. Jetzt werden die einen zeigen müssen, dass das, was sie wollen, etwas taugt; und die anderen haben die Gelegenheit, Alternativen aufzuzeigen.

Es wird wieder Streit geben, und in der Politik ist Streit etwas, das wir brauchen. Gibt es keinen Streit, sondern nur Muttis und Möchtegernvatis der Nation, dann brodelt Unheimliches an den Rändern der politischen Landschaft hoch. Lähmt sich die Demokratie so, wie es deren Akteure in den letzten vier Jahren getan haben, dann wächst wieder der Glaube daran, dass es eine vorzuziehenswerte Alternative zur Demokratie gäbe. Die gäbe es natürlich, wenn Sie mich als benevolenten Diktator erwählen. Aber sonst ist eines sicher: Der Bürger ist vor einem Missbrauch der Macht nur dann halbwegs geschützt, wenn er sie in demokratischen Verhältnissen zuteilt und bei Bedarf wieder entzieht. Das muss nicht nur möglich sein, sondern es muss der breiten Masse auch erstrebenswert erscheinen. (Am meisten Besorgnis erregte gestern die niedrige Wahlbeteiligung.)

Das Meiste bleibt gleich, wir werden im wahren Leben nur wenig unmittelbar davon spüren, dass jetzt wieder ein bestimmtes politisches Lager das Sagen hat. Aber der Politik wird es gut tun und in vier Jahren sprechen wir uns wieder und werden urteilen. Das dürfen wir uns nie wieder aus den Händen nehmen lassen.

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Gelassen bleiben, aber wachsam ...

Übrigens kommt die TAZ einen Tag später zu ganz ähnlichen Schlüssen und bietet noch eine Reihe weiterer Trostpflaster an, warum der Wahlausgang gar nicht so schlimm ist ...

Zum Internet-Manifest

Internet-Manifest: Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.

Dieses Manifest wurde heute Mittag an verschiedenen Stellen im Netz veröffentlicht. Interessant, aber doch einiger Kommentare bedürftig, wie ich finde. Deshalb geb ich hier das Manifest wieder, ergänzt um ein paar Anmerkungen.

von markus um 11:55 am Montag, 7. September 2009 | 31 Kommentare
Auf Initiative von Mario Sixtus hat sich eine Gruppe von Menschen in den vergangenen Wochen und Tagen im Netz vernetzt, um der Debatte über den “Untergang des sogenannten Qualitätsjournalismus” und der latenten Internetfeindlichkeit in vielen Medien ein zeitgenössisches Manifest entgegen zu setzen: Das Internet-Manifest “Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.”

1. Das Internet ist anders.
Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln – das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.

polyoinos: Das ist ohne Zweifel richtig.


2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt – zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.

polyoinos: Das ist nur sehr bedingt richtig. Um sich in diesem so heterogenen Medium mit seinen tatsächlich Millionen von Bloggern und anderen Autoren durchsetzen zu können, bedarf es mittlerweile doch herkömmlicher Medienmacht, um mit entsprechenden Werbeaktionen und Erwähnungen wahrgenommen zu werden. Das heißt, dass die Oligopole doch wieder zum Zug kommen, und ob die sich für Qualität oder für das entscheiden, was sie gerne ausgesagt haben möchten, ist die Frage. Die Qualität hat dabei meines Erachtens die schlechteren Karten.


3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.

polyoinos: Das ist schlicht falsch. Die Mehrheit der Menschen ist gerade einmal User und verfügt meist nur irgendwie über einen Internetanschluss (der oftmals gerade einmal im Monat angeworfen wird). Aktiv mitwirkende User sind das also lange nicht zwingend und das Gros der Bevölkerung, besonders der Teil ab 40, 45 Jahren, sitzt immer noch mehrheitlich vor der Glotze (und müsste erst mühsam hin zu aktivität sozialisiert werden). Natürlich sollten die Medienhäuser darauf vorbereitet sein, dass die aktivere Userschaft wächst, aber erst einmal ist sie noch klein. Und ob sie später wirklich aktiv und gestaltend wirken wird, ist noch sehr fraglich.


4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.
Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.

polyoinos: Das ist als Forderung sehr richtig. Aber die Offenheit wird doch schon total eingeschränkt, denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung. Und was sollen erst Chinesen und Iraner sagen? De facto ist da schon nicht mehr viel Offenheit weltweit und es wird immer geschlossener werden.


5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

polyoinos: Das stimmt, aber nur für sehr medienkundige Personen. Schließlich gibt es genug Schwachköpfe und Fundamentalisten, die ebenso ungestört ihren Unsinn verbeiten können wie die Vernünftigen: googeln Sie mal Kreationismus oder suchen Sie die ‚Infoseiten’ von NPD und ähnlichen Organisationen auf. Und selbst da, wo es ‚nur’ um weniger brisante Infos geht, muss der User lernen, welchen er vertrauen kann und welchen nicht, weil sie schlicht falsch oder unvollständig sind. Es muss sehr viel gelernt werden, um mit dem Netz umgehen zu können, und ob das ‚der’ einzelne Mensch tut, darf bezweifelt werden.


6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.

polyoinos: Gut, aber war das vorher wirklich anders? Information war immer schon ein „sich ständig verändernder fortlaufender Prozess“. Das INternet erweiter die Akteure auf dem Schreibmarkt, aber ob das immer so gut ist? Viele schlechte Schreiber mit irrelevanten und redundanten Informationen diskreditieren die Internet-News-Erzeuger.



7. Das Netz verlangt Vernetzung.
Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.

polyoinos: Noch kennen wir uns hauptsächlich durch Begegnungen, lassen Sie uns hoffen, dass es noch lange dabei bleibt. Links sind natürlich gut, aber man sollte die sogenannte virtuelle Realität (die es nicht gibt, s. Blog vom 5.9.) nicht überbewerten.


8. Links lohnen, Zitate zieren.
Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.

polyoinos: Ja, aber es droht die Übermacht der Masse. Suchmasschinen und Aggregatoren können genauso gut Quantität statt Qualität aggregieren und Referenzen durch Verlinkungen können organisiert werden, ohne dass es etwas mit Qualität zu tun hat.

9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.
Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.

polyoinos: Ja, aber wer holt diejenigen mit ins Diskussionsboot, die sich noch vor dem Netz scheuen, wer gibt denen eine Stimme und sorgt dafür, dass sie neben denen den Profibloggern auch gehört werden?


10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

polyoinos: Gut.


11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

polyoinos: Gut. Doch nicht genug damit. Die Informationsflut bedarf der ständigen Diskussion. Um zu verhindern, dass bspw. Fundis und kreationistische oder faschistische Schreihälse allein durch Lautstärke gewinnen.


12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren.

polyoinos: Der Bestandsschutz wird durch die Hintertür kommen, indem die Mediemogule sich in alles einkaufen, was erfolgreich ist und alle Schreibenden kaufen, die Publikum haben. Es gilt hier vor allem, Unabhängigkeit anzumahnen, die trotzdem zu Leben ermöglicht.


13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
Das Urheberrecht ist ein zentraler Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.

polyoinos: Ja, solange gesichert wird, dass die Urheber nicht zum Freiwild werden und von ihren Erzeugnissen auch noch leben können. Piraten sind nicht per se Befreier, oft klauen sie schlicht.


14. Das Internet kennt viele Währungen.
Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.

polyoinos: Werbung allein wird nicht tragfähig sein, es sollte viel mehr Emphase auf die anderen journalistisch vertretbaren (!) Formen gelegt werden ... So es sie denn geben wird?


15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.

polyoinos: Das ist im Augenblick so. Fraglich ist, wer die Datenbanken auf Dauer beherrschen wird, damit Information wirklich lebendig bleibt. Schon jetzt wird – unprofessionell – gefälscht, etwa bei Politkern in Wikipedia. Wenn das gut gemacht wird, wird auch das Internet Geschichtsklitterungen so wenig verhindern können wie alle Medien vorher.


16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

polyoinos: Ein Publikum gewinnt auf Dauer aber auch nur, wer überhaupt erst wahrgenommen wird. Und wahrgenommen zu werden, ist bei zunehmendem Angebot eher eine Frage der Marktmacht als der Qualität. Hier ist der User gefragt, sich nicht abspeisen zu lassen!


17. Alle für alle.
Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die “Generation Wikipedia” weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.

polyoinos: Das ist aber viel Vertrauen in die Recherchefähig- und -willigkeit der Generation Wikipedia, die heute schon den simpelsten Fälschungen in eben dieser -pedia aufsitzt. Der Journalist für die Generation Wikipedia ist einer, der vor allem transparent darüber berichtet, wo er was her hat. Das erfordert einen neuen journalistischen Kodex und nicht simple Statements über angeblich kommunizierende Journalisten.


Das eigentlich nicht schlechte, nur übertrieben optimistische und blauäugige Manifest stammt von diesen Menschen
:

Markus Beckedahl http://www.netzpolitik.org/ Mercedes Bunz http://www.mercedes-bunz.de/ Julius Endert http://www.blinkenlichten.com/ Johnny Haeusler http://www.spreeblick.com Thomas Knüwer http://blog.handelsblatt.com/indiskretion/ Sascha Lobo http://www.saschalobo.com/ Robin Meyer-Lucht http://www.berlin-institute.de/ Wolfgang Michal http://www.autoren-reporter.de/index.php?option=com_content&task=view&id=23&Itemid=66 Stefan Niggemeier http://www.stefan-niggemeier.de Kathrin Passig http://de.wikipedia.org/wiki/Kathrin_Passig Janko Röttgers http://www.lowpass.cc/ Peter Schink http://www.peter-schink.de/ Mario Sixtus http://www.elektrischer-reporter.de/ Peter Stawowy http://www.xing.com/profile/Peter_Stawowy Fiete Stegers http://www.netzjournalismus.de/

Die Einwürfe stammen von mir ...

Nedas Tod - erschütterndes Interview mit dem Ersthelfer

Auch wenn ich bisher nichts darüber geschrieben habe, verfolge ich die Ereignisse im Iran natürlich mit sehr viel Anteilnahme. Auch jetzt möchte ich gar nicht viel selbst darüber sagen. Aber die BBC hat gestern ein Interview ausgestrahlt, das für sich selbst spricht.

Sie werden von dem Tod der jungen Neda Agha-Soltan gehört haben, die von iranischen Milizen dafür erschossen wurde, dass sie friedlich an einer Demonstration teilnahm. Sie werden auch die Bilder in den Medien gesehen haben, auf denen eine junge Frau zu sehen ist, die auf dem Boden liegt, und zwei Männer, die sich über sie beugen, um ihr zu helfen.

Einer der beiden - ein Arzt, der Neda gar nicht kannte - konnte am Mittwoch aus dem Iran fliehen und hat der BBC ein 20-minütiges Interview gegeben, das ich für absolut authentisch halte und das auch die letzten Zweifel an der Echtheit der Handyvideos (es gibt zwei) ausräumen sollte.

Es ist erschütternd, was Arash Hejazi dort berichtet, und ich möchte meinen kleinen Beitrag dazu leisten, das dies Video weiterverbreitet wird:



Danke fürs Anschauen!
Frank



Al Jarreau oder Vom Glück, das die Kunst beschert

Gestern Abend durfte ich in der Jahrhunderthalle in Bochum Al Jarreau und Band zuhören - das war soooo guuut ... Musik und Kunst können unmittelbar glücklich machen! Ich hoffe, das wissen Sie aus eigener Erfahrung.


karten_jarreau

Die Stimme dieses Mann dringt unmittelbar in meine Seele ein - jedesmal, schon auf dem iPod - und löst dort Glücksgefühle aus, ganz, als legte er einen Schalter um; es ist fast unglaublich. Ich unterschreibe jederzeit, dass die Stimme dieses Mannes „one of the most precious treasures of this world“ ist.

Andererseits ist diese beglückende Wirkung aber vielleicht doch ganz gut glaublich, denn ist dieser unvermittelte Effekt mitten hinein in das Emotionszentrum nicht das Wesen aller Kunst? Natürlich nicht jede künstlerische Ausdrucksform bei jedem Menschen, aber hat nicht jeder von uns mindestens einen Punkt, wo ihn die Erzeugnisse menschlicher Kreativität unmittelbar berühren? Das mag bei der einen eine bestimmte Art von Skulpturen sein, beim anderen Gemälde, beim dritten Musik, bei der vierten Buch und Gedicht und bei wieder anderen Schauspiel, Varieté, Artistik. Und viele von uns erleben es gleich mehrfach und in verschiedenen Genres ...

Im Falle der Musik scheinen aber besonders viele Menschen ‚anfällig‘ für die Wirkungen der Kunst zu sein. Lange nicht jeder malt oder fotografiert bzw. sieht sie sich an. Viele lesen nicht. Aber richtige Musikmuffel gibt es meines Eindrucks nach kaum. Musik scheint universell zu berühren.

Die Wissenschaft untermauert das übrigens: Unter dem Titel „Weltsprache Musik“ berichtet wissenschaft.de, von der überkulturellen Verständlichkeit von Musik: „Musik ist eine Sprache, die anscheinend weltweit verstanden wird: Selbst Angehörige von Naturvölkern, die nie zuvor Kontakt mit westlicher Musik hatten, können die emotionalen Anteile darin auf Anhieb identifizieren.“

Hmm, was sagt uns das? Wohl zuerst, dass wir Menschen eben doch alle gleich gestrickt sind, egal ob weiß, gelb, schwarz, rot, Mann, Weib; zumindest in unseren grundlegenden Anlagen. Denn ob es nun Hiphop oder Klassik sind, Schlager oder Jazz, die einen berühren, das ist egal. Rhythmus und Tonlagen kommen an, bei dem einen dieser Rhythmus, bei dem anderen jener. Bei mir war es gestern in ganz, ganz hohem Maße der Jazz von Mr Jarreau ...

aljarreau

Was dabei berührt, sind Schönheit und eine situationsbedingte Stimmigkeit, die mit der jeweiligen Stimmung korrespondiert - oder sie konterkariert -, die man gerade sucht oder zu meiden versucht. Ästhetik und Emotion - die Basisparameter der Musik wie der Kunst überhaupt. Antrieb und Ausdruck der künstlerischen Kreativität.

Losgelöst von einem im Alltäglichen verhafteten, konkreten „Wozu?“ oder „Um zu ...“ spricht die Kunst die Seele unmittelbar an. Und erzeugt Glücksgefühle. Macht glücklich, Heitert auf, Lindert Leid. (Dass sie andererseits auch negativ verstärken können ist mir bewusst, aber nicht das, was ich meine.) Und Negatives ist schon gar nicht das, was der gestrige Abend in mir ausgelöst hat.

Versuchen Sie es bei Gelegenheit mal mit einer 20-minütigen Interpretation von „Take Five“. Oder mit einem Galerie- oder Museumsbesuch, gutem Kino, einer Lesung, dem Zirkus. Nur denken Sie daran, sich regelmäßig der Kunst auszusetzen! Oder Sie - noch besser - selbst zu üben. Wir sind nicht nur hier, um zu essen und zu arbeiten ...


Erfolg gegen die Vorratsdatenspeicherung

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es ... es lohnt sich eben doch, in dieser Gesellschaft die Hände nicht in den Schoß zu stecken, sondern für seine Überzeugungen zu kämpfen. Soeben ist ein eindeutiges Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung bekannt geworden, die wir Freiheitsredner als unverhältnismäßig, undemokratisch und als gefährliches Instrument bekämpfen:

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichte gerade auf seiner Seite:
„Als erstes deutsches Gericht hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die flächendeckende Aufzeichnung der Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetnutzung der gesamten Bevölkerung (sog. Vorratsdatenspeicherung) als unverhältnismäßig bezeichnet.
In der heute vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 27.02.2009, Aktenzeichen 6 K 1045/08.WI) heißt es wörtlich: ‚Das Gericht sieht in der Datenspeicherung auf Vorrat einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Sie ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. Der Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung eingeschüchtert werden [...] Der nach Art. 8 ERMK zu wahrende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die Richtlinie [zur Vorratsdatenspeicherung] nicht gewahrt, weshalb sie ungültig ist’.“

Der gesamte Wortlaut der Entscheidung ist unter obigem Link nachzulesen. Er richtet sich ausdrücklich sowohl gegen die bundesdeutsche Regierung als auch gegen EU-Vorgaben.

Es ist schon noch so, dass man in diesem Staat durch Engagement und Mitarbeit etwas erreichen kann. Und lebendig und lebenswert kann diese Gesellschaft nur solange bleiben, wie ihre Bürgerinnen und Bürger an ihr teilhaben. Zum Beispiel auch durch Einspruch und Kritik. So viel sollte auch Ihnen dies Land wert sein. Überlassen Sie es nicht den anderen!

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Apropos Waffen ...

..., die braucht niemand in diesem Lande, auf jeden Fall nicht zuhause!

Welchen guten Grund kann es geben, in der BRD oder irgendeinem anderen entwickelten, demokratischen Land der Welt Waffen zuhause haben zu wollen?

Wozu auch? Zur Verteidigung? In dem praktisch nicht vorkommenden Fall, dass Sie zu Hause unter Waffengewalt überfallen werden, haben Sie Ihre Kanone sowieso gerade nicht in der Hand und woanders nützt sie dann nicht. Bei allen anderen Zugriffen auf Ihr Heim und Ihr Eigentum reicht der Polizeiruf aus. Und wer bekanntermaßen wertvolle Dinge besitzt (Juweliere etc.) soll die woanders lagen und bei jeder Notwendigkeit, sie zu bewegen, professionelle Kuriere anheuern (auf deren Honorar kommt´s dann auch nicht mehr an).

Was sonst noch? Jäger? Sportschützen? Wem diese Hobbys gefallen - gerne. Aber die Waffen aller Jäger und Sportschützen können in den jeweiligen Vereinen unter Verschluss aufbewahrt und durch gewählte oder angestellte Waffenwarte ausgegeben werden. Wer sich nicht daran hält, der fliegt und die Waffen werden enteignet.

Das Gleiche gilt für Waffensammler - die können sich in Vereinen zusammenschließen und dito.

Was also hindert, genau dies per Gesetz zu beschließen? Ich sehe keinerlei Recht persönlicher oder anderer Art, das dadurch verletzt würde.

Wenn doch dies in diesen Tagen wenigstens als Lehre gezogen würde ...



Was kann die Kirche grausam sein ...

In Brasilien wird ein neun (!) Jahre altes Kind vergewaltigt und wird schwanger. Mit Zwillingen. Die sie abtreiben lässt. Und die katholische Kirche exkommuniziert sie ...

Das Kind lebt in einem zutiefst katholischen Land. Wahrscheinlich ist sie gläubig erzogen worden. Wahrscheinlich glaubt sie den Unsinn, das Gott ihr die Hölle zuteilt, jetzt wo sie kein Glied dieser Organisation mehr ist. Wie hart wollen diese sogenannten Seelsorger eigentlich noch auf ein Kind einschlagen, das sowieso schon schwerstverwundet ist?

Nichts, gar nichts hat sie anscheinend von der Grausamkeit verloren, die diese Kirche so oft auszeichnete. Eine Kirche die millionenfach mordete, beim Morden zuschaute und jetzt darum bemüht ist, ihre schlimmsten Vertreter wieder heim ins Reich zu holen. Pfui! Soll euch doch der Teufel holen, er hat es ja nicht weit, wohnt er doch offensichtlich in den Häusern, in denen Ihr so etwas beschließt.

Ich weiß, es gibt so viele Punkte, die man dieser Kirche anlasten könnte. Aber dieser Anschlag auf ein Kind, der erzürnt mich in allerhöchstem Maße. In diesen Tagen ist dieser merkwürdige Holocaustleugner ja schon schlimm genug gewesen, aber diejenigen, die der angreift, können glücklicherweise gut zurücklangen. Dieses Kind jedoch ... schämen sollte sich diese Bande, in Grund und Boden schämen ...

Bleibt nur zu hoffen, dass dieses arme Kind so stark wird, dass ihr die Exkommunikation in einem Land, das die meisten Katholiken weltweit beherbergt, nichts ausmachen wird. Jeglicher Glaube, liebes Kind, ist besser als der Glaube an die Weisungen einer derart menschenverachtenden Institution.

Aber der Kirche? Was ist der zu wünschen? Einsicht? Ich glaube, dafür ist es zu spät. Eine neue Kirche ist vonnöten ...

Tot, richtig tot? - ein paar neue Fotos

Wenn man in Peterborough, einer mittelgroßen Industriestadt im Osten Mittelenglands, in nördlicher Richtung über den Broadway stadtauswärts geht, so erreicht man zehn Minuten außerhalb des Zentrums einen kleinen Friedhof von vielleicht 250 Metern Länge und gut 100 Metern Breite. Es ist ein typisch englischer Friedhof, was bedeutet, das er von einer gewissen angenehmen Unordnung beherrscht ist; anders als hier ist nicht alles in Reih und Glied geordnet und die wenigen Wege zu verlassen, stellt auch keinen Skandal, man kann ruhig ziellos mäandernd über den Gottesacker schlendern.

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Aber bei meinem Besuch hätte sich sowieso niemand aufregen können, der Friedhof war leer. Und das zu den allermeisten Zeiten wohl schon recht lang: Ich sah kein Grab, das jünger war als 1930 und die Grabstätten und -steine sahen aus, als habe sie ebenfalls seit 1930 niemand mehr gepflegt. Bäume und große Büsche werden noch von der Verwaltung zurückgeschnitten, wie frische Aststümpfe beweisen, aber die Ruhestätten der Verstorbenen holt sich die Natur zurück. Vor allem der Efeu, der überall wächst und manches Kreuz schon abgebrochen hat.

Doch es kommt kein Gedanke an Verwahrlosung auf. Es ist als würden die Verblichenen nun langsam - ganz langsam, nach 80 Jahren sind die meisten Grabsteine immer noch weitgehend frei, wenn auch moosbewachsen, verwittert, schief - in den Schoß der Erde zurückkehren. Ich habe ein paar behutsame Fotos aufgenommen, die ich Ihnen in einer kleinen Galerie von nur elf Bildern gerne zur Ansicht bieten möchte.

Das ist natürlich kein Ersatz dafür, dort gewesen zu sein, aber Friedhöfe kennen Sie ja; wahrscheinlich ist dies Kennen für Sie mit Wehmut verbunden. Für mich auch, aber nicht nur, denn ich besuche in jeder neuen Stadt immer mindestens einen Friedhof. So auch hier in Peterborough, an einem dunklen, feuchten Tag, an dem der Himmel tief über der Stadt und der flachen Region der Fenlands liegt. An dem ein fremder deutscher Tourist, sich als einziger über die Grabplatten beugt und liest, dass geliebte Menschen hier unter der Erde liegen.

Wie tot sind diese Toten? Es heißt ja immer, dass die Verstorbenen in unseren Herzen weiterleben, solange wir uns ihrer erinnern. Erinnert sich noch jemand an diese hier? Die letzten Menschen, die diese hier noch gekannt haben können, sind jetzt 80 Jahre alt und älter und sie sterben jetzt selbst bald. Sind diese Toten hier dann richtig tot? Oder waren sie das schon vorher?

Vor einem, auch mit Efeu bewachsenen Grab, liegt ein fast frischer Strauß nur wenig verwelkter Blumen. Hier erinnert sich noch jemand. Einer der Elizabeth ( 1926) und Frederick ( 1936) kannte? Oder ein Nachkomme, dem von den beiden nur erzählt wurde ... wie warmherzig und liebevoll sie zu den Eltern, ihren Kindern, waren. So geliebt von ihren Kindern, dass deren Kinder und Kindeskinder sie heute noch ehren? Unvergessen jedenfalls.

Links rüber, nah an der Friedhofsmauer verschwinden die Gräber dann schon unter wahren Wogen von Efeu und die Bäume beugen ihre Äste tief, ohne dass die Verwaltung sie daran hindert ... vielleicht lässt man hier nun der Natur gänzlich ihren Lauf? Ich gehe leise rüber und versuche vorsichtig, den starr haftenden Bewuchs zu verschieben. Nichts zu machen, hier kann man nicht einmal mehr die Namen lesen. Die hier sind also wirklich tot ... Heimgekehrt?

Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, sich über große Taten, Entdeckungen und Kunstwerke in die Unsterblichkeit zu erheben. Bach, Darwin, Goethe, Mozart, Galilei, Michelangelo - vielgeliebt, oder zumindest bekannt (Darwin) um ihrer Werke willen und unsterblich? Ich weiß nicht. Die Werke geliebt, ja sicher. Hören Sie mal die Matthäus-Passion, das ist im wahrsten Sinne des Wortes liebenswert. Aber Bach? Lieben Sie dadurch Bach und tragen Sie ihn im Herzen? Ich nicht. Ich kann nur lieben, wen ich kannte. Achten und verteidigen - das geht auch bei anderen; etwa Tolkien gegen dümmliche Literaturkritik oder den uralten Platon gegen moderne Philosophenschnösel, die sich für sooo viel schlauer halten. Aber lieben? Nein.

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Also sterben wir alle einmal wirklich, richtig und unwiderruflich? Ja, wohl schon. Vielleicht leben wir ja woanders weiter ... Keine Ahnung ... Aber ich mag Efeu, ich kann mir seine Umarmung ganz angenehm vorstellen ... Und irgendwann wird, was Teil von mir war, Efeu sein und umarmt ...

Gut!

Datenkontrollverlust - wie weit würden Sie sich treiben lassen?

Angesichts der in immer schnellerer Folge bekanntwerdenden Überwachungsaktionen, die Wirtschaftsunternehmen ihren Angestellten angedeihen lassen, stellt sich die Frage ziemlich akut, wie weit Sie sich treiben lassen würden? Was würden Sie an Kontrolle über Ihre Daten zulassen?

(Ganz davon abgesehen, dass das Datensammelgebaren des Staates diesen Gedanken eigentlich schon seit Jahren nahelegt: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.)

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Was mich gerade heute dazu bringt, dieses Thema im Blog anzusprechen, ist eine Nachricht über die finnische Elektronikfirma Nokia, die das Thema „Datenschutz in der Wirtschaft“ auf eine neue Stufe hebt. Nokia, das war schon länger bekannt, strebt an, dass Finnland ein Gesetz erlässt, das es Nokia erlauben soll, die Grenzen der Kommunikationsüberwachung, die Finnland gesetzlich eigentlich gezogen hat, zu überschreiten und insbesondere den E-Mail-Verkehr seiner Mitarbeiter weitestgehend inhaltlich kontrollieren zu dürfen.

Heute ist ans Licht gekommen, dass Nokia diese Forderung mit der Drohung verbunden hat, den Firmensítz aus Finnland abzuziehen, wenn dieses Gesetz nicht kommt. Also soll die Regierung ein Einlenken signalisiert und die Schaffung einer Lex Nokia versprochen haben. (Quellen: Heise, n-tv sowie der Originalartikel in der „Helsingi Sanomat“, der erfordert allerdings Finnischkenntnisse.) Zwar gibt es mittlerweile auch erste Dementis, doch die überzeugen nicht, so dass die Frage also noch einmal dringlicher wird: Wie weit wären Sie bereit mitzugehen?

Denn was ist denn schon Schlimmes an dieser Überwachung? Was wäre schlimm daran, wenn Thyssen das einführte? Oder Siemens? Oder die regionale Baumarktkette und der Sanitärbetrieb zwei Straßen weiter oder die Kita „Sonnenschein“ von gegenüber? Was wäre schlimm daran, wenn es Sie beträfe?

Die allermeisten Mitarbeiter von Nokia haben, ebenso wie Sie liebe Leserin, lieber Leser auch, nicht das Geringste zu befürchten von so einer Überwachung. Und dass ein paar schwarze Schafe dadurch eventuell gefasst werden, macht ihren Arbeitsplatz nur umso sicherer, denn die haben ja dem Betrieb geschadet.

Die eine oder andere grenzfällige Onlinenutzung kann man ja auch auf zuhause verlegen: Buchmacher, Erotikshop usw. Und dass einem erst jetzt, angesichts der Einführung der kompletten Onlineüberwachung, auffällt, dass man etwas sooo viel Arbeitszeit bei Xing, Facebook oder MySpace verbringt, ist ja auch nicht schlecht, denn nun kriegt man wieder mehr geschafft. (Denn das gehört nun natürlich dazu - nicht allein E-Mail wird mitgelesen, auch die Nutzung und die Nutzungszeiten aller Internetsites und -dienste wird ab nun protokolliert.)

Und selbst wenn Sie persönlich kein gutes Gefühl dabei haben, überwacht zu werden ... denken Sie nur an Ihre Abteilung ... würde von denen jemand aufbegehren? Nein? Dann stünden Sie mit einer Beschwerde ja auch noch allein im kurzen Hemd vor der Chefin! Müssen Sie sich das antun? Können Sie sich das überhaupt erlauben?

Wie weit also würden Sie mitgehen? Sie werden unter Umständen ein gutes Stück zu laufen haben, denn den Überwachern werden die Ideen nicht so schnell ausgehen ...

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Starke, schmale Schultern

blossoms

Wow, muss der starke Schultern beweisen, und dass wo sie so schmal aussehen, die Schultern des 44. Präsidenten der USA ...

Als ich so durch die Fotos der Inauguration blätterte, die derzeit auf einen einprasseln, dachte ich nur daran, unter welchem enormen Druck dieser Mann steht, der von Millionen, vielleicht Milliarden von Menschen mit messianischen Hoffnungen befrachtet wird. Wie will er dem gerecht werden? Anders als Frodo, dem sein übermenschlich starker Wille allein genügte, würde Barack Obama nicht einmal ein solcher Wille hinreichende Stärke verleihen.

Der sogenannte mächtigste Mann der Welt ist auf dermaßen viele Zu- und Mitarbeiter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen, dass sein möglicher Erfolg zu mehr als 95 Prozent von anderen abhängt. Er kann nicht mehr sein als das Brennglas, das die Energien des Landes (und vielleicht eines großen Teiles der Welt) bündelt und so den allgemeinen Neuanfang ermöglicht.

Der erste Tag beeindruckt mich schon einmal: Die Art und Weise, in der er das Weiße Haus übernahm und die Mitarbeiter/innen einschwor und ihnen Grenzen setzte, das hatte was. Er wird sich schon damit erste Feinde gemacht haben. Und er wird sich noch viele Feinde machen müssen. Lassen Sie ihn erst einmal zwölf Monate so weiterwirken und der Secret Service wird allen Grund haben, sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen.

Aber es geht ja nicht anders. So kann es in den USA und der ganzen westlichen Welt nicht weitergehen. Nicht ökonomisch, nicht ökologisch, nicht gesellschaftlich, nicht auf der Ebene des allzu egoistischen Individuums. Wer da gegenlenken will, macht sich Feinde, denn ein derart umwälzender Wandel wird viele Unbequemlichkeiten bringen und manche Pfründen unterpflügen.

Das geht nur, wenn die Menschen in den USA mitziehen. Und da wir Otto Normalverbraucher in Deutschland ebenso wie Joanna in Gabun, Cheng in China und Maria in Argentinien ebenso davon abhängen, dass sich in den USA was ändert, damit sich auf der Welt was ändert, müssen wir alle, auf allen Kontinenten ebenso mitziehen. Bescheidener werden - in materieller Hinsicht. Optimistischer werden - in sozialer Hinsicht. Glücklicher sein - in spiritueller Hinsicht (ob als Atheist oder Gläubige).

Diese starken, schmalen Schultern müssen wir stützen, auch wenn der Mann noch so strahlend und erfolgreich scheint. Good luck, Mr. President!

blossoms

Frohes neues, gutes altes ...

2008 geht, 2009 ist schon fast da. Hmm, es ist natürlich hoch artifiziell, Zeitläufte willkürlich durch bestimmte Daten einzuteilen, aber der menschliche Ordnungssinn braucht so etwas, auch und gerade, um sich denkend orientieren zu können. Ein kurzer Blick zurück und voraus also, der sich um einen eigentlich insignifikanten Tageswechsel dreht.

2008 war, was „the big picture“ angeht, sicherlich ein Jahr, dass fast völlig vom Wirtschaftsgeschehen bestimmt war. Das Finanzsystem brach also fast zusammen. Das wird auch 2009 stark negativ beeinflussen - glauben Sie mir, das ich das Folgende durchaus in sorgender Anerkenntnis der Tatsache schreibe, dass viele Menschen weltweit in durch Arbeitsplatzverluste in Not geraten werden -, aber letztlich habe ich ein ziemlich starkes Gefühl, dass diese Finanzkrise genau richtig kam.

Die Ökonomen haben in den letzten zwanzig Jahren einen immer wilder werdenden Tiger geritten, aber der jetzige Sturz ist schmerzhaft, doch nicht tödlich, was er in zwei, drei Jahren vielleicht durchaus geworden wäre. So kommt die Erkenntnis, dass Schneeballsysteme nicht funktionieren können und das Geld nur dann einen Sinn hat, wenn es eine Stellvertreter- oder Pfandfunktion für echte Waren und Werte darstellt, noch rechtzeitig. Die kommende Flaute wird die Welt ertragen.

Und daraus lernen. Es stimmt ja gar nicht, dass man nicht aus der Geschichte lernt, es ist nur so, dass es sooo viel ruhiges Bedenken erfordert, die historischen Lektionen zu beherzigen. Aber bei aller Hektik im vergangenen Herbst, wurden doch beispielsweise die Lektionen der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre ganz gut umgesetzt und die gröbsten Fehler wurden vermieden. Aus dem Herbst 2009 werden die Ökonomen neue Dinge lernen und ihre Theorien und Instrumente weiter verbessern.

Und auch wir Nichtökonomen können wichtige Dinge aus der Krise lernen. Zuerst vielleicht die Tatsache, dass das mit den Schneeballsystemen nie und auch nicht in unseren Leben funktionieren kann. Ich finde diese Gier so erstaunlich, die Menschen dazu veranlasst, einfach den Hals mit Geld nicht vollkriegen zu können.

Da reicht es also nicht aus, dass ein Unternehmen eine Rendite von gesunden 5 Prozent macht. 5 Prozent scheint mir eine allseits verträgliche Wertschöpfung zu sein, die nachhaltig wirken kann. Ich hätte gerne ein unkompliziertes Sparkonto, das 5 Prozent abwirft. Das würde mir dann aber auch reichen. Aber nein ...

Da reicht es auch nicht, dass ein Unternehmen eine Rendite von 15 Prozent erreicht. Das ist ein Wachstum, das, egal in welcher Branche, doch schon nicht nachhaltig sein kann, denn so kann es doch nicht immer weitergehen, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Aber nein ... reicht auch noch nicht.

Da gibt es dann, etwa im IT- oder Energiebereich, Unternehmen, die mehr als 15 Prozent schaffen. Jetzt geben die eine „Gewinnwarnung“ aus, dass der nächste Quartalsgewinn nicht 20, sondern nur noch 15 Prozent (also immer noch nichtnachhaltiges Wachstum) betragen wird, und dann verliert so ein höchstprofitables Unternehmen 25 Prozent an (Börsen-)Wert. Die hinter dieser ‚Enttäuschung‘ stehende Gier verstehe ich schlicht nicht. Sie ist mir einfach nicht nachvollziehbar. Doch war es das schon? Aber nein ... es geht noch doller.

Denn man kann ja auch 25 Prozent als Renditeziel ausgeben. Oder versprechen, und zwar als jährliches Ziel. Das ist aber, und da haben die deutschen Bischöfe zu Weihnachten völlig Recht gehabt, so unlauter, dass es an Betrug grenzt.

Warum diese Gier? Ich verstehe jeden Goldgräber am Klondike im 19. Jahrhundert, der, aus einer armseligen materiellen Situation kommend, bei einem Goldfund ausflippt und über alle Stränge schlägt. Ich kann auch nachvollziehen, warum Menschen sich über einem solchen Fundort gegenseitig erschießen. (Nachvollziehen heißt weder billigen noch entschuldigen.)

Aber die Gier eines Menschen, der als Milliardär mit Aktien zockt, um aus 7 Milliarden Euro 9 Milliarden zu machen, und dabei ein Riesenunternehmen mit all dessen sozialen Verantwortlichkeiten aufs Spiel setzt - eine solche Gier verstehe ich nicht. Das ist so absurd, das kann doch nur als pathologisch erklärt werden, oder?

Ganz ähnlich aber ist die Gier gelagert, die auf den Aktionärsversammlungen und auf dem Börsenparkett zum Ausdruck kommt, wenn abgestraft wird, wer keinen exorbitant hohen Gewinn, sondern nur einen sehr hohen Gewinn erreicht. In geringerem Ausmaß zeigt sich hier die gleiche Absurdität wie im Verhalten des erwähnten Milliardärs.

Das Kontinuum des möglichen materiellen Besitzes ist ein endliches; das ist doch völlig klar, oder? Wieso strebt man dann danach, Systeme zu errichten, die eine unendliche Menge von Besitz erzeugen oder zur Verfügung stellen sollen?

Oder wird nur versucht, von dieser endlichen Menge durch all diese unlauteren Konstruktionen einen nahezu unendlich großen Anteil für sich abzuzweigen oder anderen zu versprechen, um an deren Geld zu kommen? Wer das versucht, liegt aber selbst im Erfolgsfall falsch, denn eine solche Sucht zerstört das soziale Wesen des Menschen und versperrt ihm, weil es gegen seine eigentliche Natur ist, den Weg zum persönlichen Glück ebenso wie den Weg zum Glück im persönlichen Umfeld, das ja auch gerne als Entschuldigung für Gier genommen wird ( „Ich muss für die Familie sorgen.“ )

Es liegt eine große (Erkenntnis-)Chance in der derzeitigen Krise. Diese Krise wird auch wieder vergehen, das ist sicher. Aber dann ist auch die Chance zum Lernen vergangen, die wir besser jetzt ergreifen, wo uns der Frack noch saust.

Ich wünsche uns allen ein besseres 2009 und eine noch bessere Zukunft all die anderen Jahre ... gehen Sie lieber spazieren, als Börsenkurse am PC zu verfolgen.

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Selektion durchgeführt

Hmm, jetzt haben Sie es also in Großbritannien gemacht. Zwei Embryos hinsichtlich ihrer genetischen Merkmale für das Geborenwerden und das Leben ausgesucht. Und 9 weitere verworfen.

Hintergrund war ja, dass in den Familien der werdenden Eltern eine massive genetische Vorbelastung für Brustkrebs vorhanden ist. Die selektierten Embryonen tragen das sogenannte Brustkrebs-Gen nicht, das mit 50-85%iger Wahrscheinlichkeit bei einem mit dem Gen belasteten Kind zum Ausbruch von Brustkrebs im Erwachsenenalter geführt hätte.

Ich stelle mir jetzt vor, dass diese Familie das nicht gemacht hätte. In etwa 15 bis 25 Jahren hätte dann eine junge Frau vielleicht ihre Eltern angegriffen:
„Warum habt Ihr mich nicht mit den damaligen Möglichkeiten der Medizin ohne das verdammte Gen zur Welt kommen lassen?“
„Weil Du dann nicht auf der Welt wärest. Man hätte Dich verworfen.“
Und wenn dann, wiederum zwanzig Jahre später, die nicht mehr so junge Frau an Krebs erkrankt, dieser aber im ganz frühen Stadium behandelt und geheilt wird, denn die Frau betriebe natürlich eine sehr gewissenhafte Vorsorge, dann wird diese Frau spätestens verstanden haben. Und ihre Eltern.

Suchen Sie nicht danach, mit technischen Mitteln Perfektion zu erreichen. Perfektion ist unerreichbar, man kann sich ihr nur annähern. Aber nur durch eigene Anstrengungen und harte Arbeit an sich selbst und nicht durch Eingriffe von außen. Anders wäre auch schlecht.

Mehr Infos? Bitte hier weiterlesen.

Ach ja - frohe Weihnachten Ihnen allen ...


Was uns in der Krise wirklich fehlt ...

... das haben heute die Kabarettisten Jürgen Becker und Didi Jünnemann in der Frühstückspause auf WDR2 genial auf den Punkt gebracht. Deshalb heute mal nix von mir, sondern O-Ton der Herren Becker und Jünnemann:

„An den vielen blöden Vorschlägen aus Politik und Wirtschaftslobby [zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise] kann man seh´n, wat wir heute wirklich brauchen: Bildung!“

In diesem Sinne ...

Bildungsfinanzbericht 2008 - traurig, traurig ...

Gerade wurde der Bildungsfinanzbericht 2008 veröffentlicht. Ganz frisch und deshalb noch ohne Kommentar von selbstbeweihräuchernder Politikerseite, die sicher hervorheben wird, dass die Bildungsausgaben seit 2005 bundesweit deutlich anstiegen.

wurm_drin


Ja, stimmt schon. Von beschämend niedrigem Niveau stiegen die Ausgaben auf viel zu niedriges Niveau. Denn die wichtigere Zahl ist der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dieser Anteil ist gesunken (vgl. S. 15). Das stellt nämlich in aller Deutlichkeit heraus, dass das deutsche Bildungsbudget klar hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückliegt.

Das ist aber für ein Land, das zunehmenden Fachkräftemangel erwartet, dass mangels anderer Rohstoffe vor allem auf sein ‚Humankapital’ (was für ein Wort) setzt und dass enorme politische Probleme kriegen wird, wenn der Lebensstandard, der in hohem Maße von der Bildung und Ausbildung seiner Bürgerinnen und Bürger abhängt, nennenswert sinkt, eine Entwicklung, die Politiker wohl „nicht hinnehmbar“ nennen würden - wenn nicht ein sehr großer in großen und kleineren Koalitionen versammelter Teil von ihnen an dieser Entwicklung aktiven Anteil hätte ...

Schade, dass dieser Befund auch wieder ohne Beachtung und Konsequenzen untergehen wird ...

Schulpolitik in NRW besinnt sich - gut!

Erst wollte ich ja voller bösartigen Lachens losbrüllen, als ich heute morgen las, dass die Regierung in NRW auf einmal dafür plädiert, Kinder schulisch doch nicht so unter Druck zu setzen und ihre Schullaufbahn mit „mehr Gelassenheit“ zu verfolgen. Aber jetzt freue ich mich doch, dass ein wenig Einsicht eingekehrt ist und lasse die Häme mal - weitgehend - außen vor.

Denn wer sagt denn da solche klugen Dinge? Die Regierung, die hier das Turbo-Abitur und eine allgemein dermaßen starke Straffung der Lehrpläne angeordnet hat, dass seitdem die Schulkinder in NRW einem außerordentlichen Lernstress ausgesetzt sind, der zu mittlerweile massiven Elternprotesten auch unserer leistungsbewussten Bevölkerungskreise führt. Und jetzt erkennen die gleichen Leute, dass ein ‚fit für den Arbeitsmarkt im Grundschulalter’ doch nicht der Bildungsweisheit letzter Schluss ist.

Gut - besser spät als nie! Und hoffentlich aus Überzeugung, und nicht nur weil in einem knappen Jahr Landtagswahlen sind. Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin schon davon überzeugt, dass Kindern viel lernen sollten und dass sie ein möglichst breites Wissensrüstzeug für ihr Leben brauchen. Aber ich weiß auch wie Lernen funktioniert. Lernen funktioniert gerade bei Kindern ganz hervorragend, wenn sie nur dazu angeregt werden, denn Kinder wollen prinzipiell immer alles wissen. Damit hören sie aber in dem Augenblick auf, wo ihnen das Lernen Angst macht.

Unlust und Unbehagen sind noch gar nicht die Punkte. Auch Kinder haben auf manche Dinge an manchen Tagen keinen Bock und wollen auch einmal die ‚mathematischen‘ Grundlagen des Dividierens und Multiplizierens nicht lernen. Aber sie kommen leicht darüber hinweg und lernen dann doch. Nur wenn sie Angst bekommen, dann machen sie zu. Genau wie wir Großen. Und Angst vor der nächsten Hausaufgabe oder Klassenarbeit entsteht genau dann, wenn sie unter Lernstress gesetzt werden durch beständige Prüfungen, die ungerechte Verteilung auf verschiedene Schulformen, den Primat eines wirtschaftskonformen Lebenslaufes im Alter von nicht einmal 15 Jahren usw.

Überhaupt: Anforderungen an einen ‚Lebenslauf’ als Teenager, aufgehängt an Betragens- und Schulnoten ... so erzieht man keine mündigen Bürgerinnen und Bürger. Also ist der NRW-Landesregierung nur beizupflichten, dass es wichtig ist, vieles an Druck aus der schulischen Ausbildung zu nehmen. Zuhause, in der Schule - aber auch im Ministerium, Frau Sommer.


CDU-Dominanz in den Ländern führt zu Bildungspolitik per Wegschauen

Da überlegen die Kultusminister unserer 16 Bundesländer also in seltener Eintracht, die Hauptschulen aus den Leistungsvergleichsmessungen herauszunehmen oder nach eigenen - niedrigen - Standards zu bewerten. Da zeigt sich, wozu die Dominanz der CDU-Landesregierungen bundesweit gut ist, denn Widerstand regt sich nur in ein paar nicht CDU-(mit)regierten Enklaven.

wurm_drin


Der Bildungspolitik, die nach PISA, TIMSS, IGLU usw. auf Erfolge dringend angewiesen ist, wird dies Vorgehen gut zu Gesicht stehen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden sehen: Auf einmal steht Deutschland viel besser da! Denn dann verschandeln die Ergebnisse der Hauptschulen erstens nicht mehr die Statistik und zweitens werden die Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit auch nicht mehr so impertinent darauf hingewiesen, dass die Bildungspolitik bei dieser Schulform permanent versagt.

Naheliegend wäre ja eigentlich, das mehrgliedrige Schulsystem abzuschaffen - international sind schließlich auch all die Länder erfolgreich, die kein Splitting in verschiedene Schulformen durchführen - und binnendifferenzierende Schulen einzuführen. Aber diese heilige deutsche Kuh werde ich zu Lebzeiten wohl nicht mehr geschlachtet sehen, also bleibt es bei Gymnasium, irgendwelchen Mittelschulformen und der Hauptschule. Einer Hauptschule, die ja auch nicht mehr als defizitär auffällt, wenn sie nicht normal mitgetestet wird, sondern ‚eigene‘ und ‚angepasste‘ Standards erfüllt.

Wenn man schon eine Institution garantieren möchte, die alle Bildungsverlierer zuverlässig sammelt und stigmatisiert (Stigmatisiert? Ja, sicher, versuchen Sie mal mit einem Hauptschulabschluss, egal wie gut, eine Lehrstelle zu bekommen.), so dass sie auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht durch ungehörige Teilhabe auffallen, so gelingt das auf diesem Wege mit ziemlicher Sicherheit. Interessierte konservative politische Kreise können sich so auch ihr Weltbild bewahren: Das Bild einer Welt, in der die Schmuddelkinder - frei nach Franz-Josef Degenhardt - keine Möglichkeit haben, mit den Kindern in der Oberstadt zu spielen und dadurch irgendwelchen Schmuddel zu übertragen. So hat dann alles seine Ordnung und ist so ungerecht wie es die Welt halt nun einmal ist. Gottgewollt, sozusagen ...

Dass man sich darüber erbost, wie es die Kommentatorin der WAZ zu Recht tut, zeugt nur von unzeitgemäßer Sozialromantik, oder?


Eine gute Wahl!

Barack Obama also - ein gute Wahl!

Ich werde gleich meinen Sohn in den Kindergarten bringen und, nein, dann werden die Bäume nicht über Nacht neu ergrünt sein und die herbstlichen Beete werden nicht in frühlingshafter Blumenpracht erstrahlen. Aber es war eine gute Nacht, mit einem Wahlergebnis, das der ganzen Welt gut tun wird.

Und auch in den USA wird nun kein „winter of love“ anbrechen. Die Amerikaner werden weiterhin vornehmlich ihren meist zu adipösen Bauchnabel betrachten, sie werden weiterhin die Umwelt über die Maßen belasten, ihre unzähligen, unnützen Waffen nicht weglegen und weiterhin werden sie selbst für sie das Maß aller Dinge sein. Es bleiben eben die guten/schlechten alten USA.

Aber diese Wahl wird den Menschen Hoffnung geben. Es ist eine banale Aussage gewesen, dieses „Yes, we can“, aber der Mann, der sie traf und die Menschen, die nur zu begierig darauf setzen, dass „wir es können“, die drücken damit eine sehr starke Emotion und einen Glauben aus, der sich wirklich in positivem Aufbruch entladen könnte.

Und wenn die Amerikaner nur aufhören, den Bremser in wirtschaftlichen, ökologischen und diplomatischen Entwicklungen zu spielen, dann ist schon viel gewonnen. Wenn diese im Kern starke und optimistische Nation auch noch zum Motor guter Entwicklungen wird, dann können wir wirklich weltweit etwas verbessern. Die Türen wurden in dieser Nacht weit aufgestoßen - God bless America ...




Der Fluch der bösen Tat in Hessen ...

... kommt und ist gerechtfertigt.

Lassen Sie mich zuerst klarstellen:
1. Natürlich gehört Roland Koch als Ministerpräsident Hessens abgewählt. Der Mann ist mit Ausländerhetze und schwarzen Geldern an die Macht gekommen und konnte sich nur durch das Bauernopfer Manfred Kanthers vor einer Verurteilung bewahren. Zudem ist seine einseitig wirtschaftsfreundliche Politik unangemessen. Auf jeden Fall ist er keinesfalls integer, als leitender Politiker ungeeignet und seine Politik lässt vieles zu wünschen übrig, dass SPD und Grüne wahrscheinlich besser machen würden.
2. Natürlich ist das Verhalten von Jürgen Walter, Carmen Everts und Silke Tesch unentschuldbar. Hätten die drei wirklich derartige Gewissensprobleme gegenüber einer Tolerierung durch die Linken, hätten sie das sofort sagen müssen und sofort die Konsequenzen klarmachen müssen, dass sie Frau Ypsilanti eben nicht mit den Linken wählen werden. So wie Dagmar Metzger es getan hat, die allen Respekt verdient und deshalb - anders als die mal wieder reichlich verantwortungslose Presse dies tut - auf keinen Fall mit den drei anderen Taktierern in einen Topf geworfen werden sollte. Dann wäre dies Thema auch schon Anfang des Jahres abgeschlossen gewesen.
3. Und sicher ist es ein wahres Trauerspiel für die SPD, das sich aus den jüngsten Ereignissen ergibt. Es ist schade, dass sie nun gegen die CDU chancenlos ist, es ist schade für die Bundes-SPD, die weiter in den Zustimmungswerten absinken wird, es ist schade für die Grünen, die völlig zu Unrecht heute weit außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit und Zustimmung stehen, und es ist schade für die Demokratie, die erstens im Allgemeinen einmal mehr als Schacherveranstaltung wahrgenommen wird und zweitens im Besonderen an dem Ansehensverlust einer einst starken Volkspartei leiden wird.

wurm_drin


Aber von diesen Katastrophen mal ganz abgesehen, erfüllt es mich mit Befriedigung, zu sehen, dass eine böse politische Tat auch heute noch Konsequenzen hat. Ich meine natürlich die glatte Lüge von Frau Ypsilanti, nach der Wahl nicht mit den Linken zusammenarbeiten zu wollen. Nein, liebe Frau Machtpolitikerin, das sind keine Sachzwänge, das war ein Wortbruch, das war eine Lüge und es ist ganz, ganz wichtig für die Gesellschaft, dass die Dame mit dieser Lüge nicht durchkommt, sondern schön öffentlichkeitswirksam scheitert.

Einiges am menschlichen Zusammenleben ist ganz einfach. Zum Beispiel die Tatsache, dass soziales Leben und die Gemeinschaft des Vertrauens bedürfen. Ein Wort muss ein Wort bleiben, sonst zerfällt die Grundlage menschlichen Zusammenlebens, das in einem Klima des Misstrauens nicht gedeihen kann. Nicht umsonst gehört das Lügenverbot zu den zehn Geboten. In diesem Sinne ist es wichtig, wenn ein Versuch von Politikern (oder anderer bekannter Persönlichkeiten), mit einer Lüge durchzukommen, spektakulär scheitert. Allzu oft hat die Tat ja leider keine Konsequenzen.

Schade, dass Herr Koch den armen Hessen jetzt für lange Zeit erhalten bleibt, aber besser so, als dass die bessere Sache mit einer Lüge an die Macht kommt.




Sorgen ums Buch 2 (immer noch: Nee!)

Und wieder berichtet die WAZ über E-Books, diesmal eine Meinung von Frau Gudrun Norbisrath, die ich wegen ihrer klugen Kommentare und Berichte sehr schätze. Schön, dass Frau Norbisrath, im Gegensatz zu Herrn Potthoff vorgestern nicht gleich den Untergang des Abendlandes befürchtet, sondern sogar Chancen in der E-Book-Nutzung sieht. Trotzdem suggeriert auch dieser Artikel, dass E-Books etwas anderes vermittelten als gedruckte Bücher. Denn genau das bedeutet der Verweis auf McLuhan und die Aussage, dass es nicht egal sei, welches Medium "kluge Inhalte vermittelt."

Das ist aber doch egal, zumindest solange die Inhalte eins zu eins vermittelt werden. Also ist es auch egal, ob ich ein E-Book oder ein Buch lese.

Ich liebe Bücher und besitze ziemlich viele. Ich ziehe Bücher E-Books vor. Ich blättere lieber, als Knöpfe zu bedienen. Und ich finde meterlange Regalbretter mit Büchern unheimlich schön. Und ich mag auch das heillose Durcheinander auf meinen Regalen viel lieber als CD-ROM-Stapel:

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Manchmal gestalten sich Recherchen schwierig. Wo war noch mal der neue Shippey?


Aber ich kann mit E-Books eben doch genauso gut arbeiten wie mit normalen Büchern. Und wenn der Zugang zu Informationen und Literatur beschleunigt oder erleichtert wird, wie auch Frau Norbisrath vermutet, - gut!

Denn McLuhan hat nichts bei der Betrachtung des Kindle zu suchen (ganz davon ab, dass auch seine „Magischen Kanäle“ nicht der Medienweisheit allerletzter Schluss sind - googeln sie mal „mcluhan“ und „kritik“ ). Worum es bei dem Zitat "Das Medium ist die Aussage" geht, ist, dass jedes Medium durch seine Spezifika eine andere Wirkung erzielt. Tolkiens "Der Herr der Ringe" (HdR) wirkt als Buch anders als als Film oder Hörbuch, oder? Das ist sicherlich richtig, denn beides ist nicht mehr das Buch, sondern seine Interpretation durch Regisseure, Sprecher, Schauspieler usw. Aber der HdR wirkt als Buch nahezu genauso wie als E-Book.

Schauen Sie doch einmal Fotos eines Kindle an. Weiße Seiten, schwarze Buchstaben. Keine Bilder, kein Ton, keine Filme. Das Medium Buch ist in der Zugangsweise gleich dem Medium E-Book. Es ist egal, ob der Text des HdR im E-Book oder im Buch steht. (Ich weiß, dass der Kindle eine „geheime“ Zusatzfunktion hat, Bilder darzustellen - so what?, im Buch stehen keine.)

Man muss, zumindest als Leser, der Entwicklung nicht "offensiv" begegnen. Gelassenheit reicht völlig aus.

Etwas anderes ist das bei den Autoren. Die müssen vor der unbezahlten Verbreitung ihrer Werke geschützt werden. Aber nicht unbedingt vor Folgen einer Buchpreissenkung für E-Books. Die Verlage sparen schließlich auch enorm durch digitale Veröffentlichungen, was die Produktion von Büchern angeht. Es sollte also ein Leichtes sein, die bisherige 5 - 10 %-ige Entlohnung von Autoren auf 10 - 20 % zu erhöhen und so niedrigere Verkaufspreise von E-Books auszugleichen.

Ich glaube, die Kulturpessimisten, die gegen die Medien-Evolution zu Felde ziehen, haben vor allem ein ästhetisches Problem (und evtl. keine Lust, neue Kulturtechniken zu erlernen). Hey, das ist Euer Problem! Ich sehe sehr viel mehr Chancen als Probleme. Ein Beispiel nur: Schulbücher!

Wie viele Eltern haben Probleme, Lehrmaterialien zu finanzieren? An wie vielen Schulen wird mit Büchern von anno tuck gelehrt? Jetzt stellen Sie sich mal ein stabiles E-Book-Lesegerät vor. Das wird halbjährlich vom Schulserver aus mit den neuen Büchern und Arbeitsblättern gefüttert - und fertig. Und weil man mit dem Ding auch nicht daddeln und Filme gucken kann, wird es auch kaum einen Grund geben, das Ding zu rauben (was ein echtes Problem mit Schülerlaptops ist).

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Sorgen ums Buch? Nee!

Rolf Potthoff kommentiert heute auf Seite 1 in der WAZ die Diskussion um das E-Book, also die digitalen Bücher und ihre Lesegeräte. Die Diskussion um das E-Book beherrsche die Buchmesse, so Potthoff, und man „flüstere“, dass es die Zukunft des Lesens sei. Das aber sei doch ein entsetzlicher Verlust, denn Lesen sei „eine sinnliche Lust“, die vor dem Kunststoffgehäuse eines Lesegerätes nicht aufkommen könne. Bücher seien zudem Teil der persönlichen Geschichte und, ach, wie schlimm sei es doch, wenn man keines mehr schenkte oder geschenkt bekäme, mit Widmung vom besten Freund oder an die Liebste.

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Wäre ein Siegeszug des E-Books aber wirklich so ein großer Kulturbruch? Was macht denn ein Buch aus? Auch ich liebe die gute Aufmachung eines Buches, gebunden natürlich, Fadenheftung, möglichst mit Lesebändchen und vielleicht auch Goldschnitt (obwohl ... der muss nicht sein). Dann der Geruch! Besonders, wenn es nicht gerade frisch aus der Druckerei kommt, sondern schon so manches Jährchen auf dem Buckel hat. Aufschlagen, umblättern und zu lesen beginnen ... „Die Lebenserinnerungen Dieter Bohlens“ - würg!

Sie sehen, was ich meine? Es sind die Worte, die in den Büchern stehen. Die Geschichten, die Meinungen, die Fakten, die Ansichten, die Poesie und ihre Ästhetik. Die werden zwar wunderbar eingerahmt von einem liebevoll hergestellten Buch, aber essentiell ist dieses Drumherum nicht. Ich kann Novalis auch auf dem Kindle genießen und Lovecraft wird mir auch dort angsteinflößend den Rücken hinaufkriechen. Sofern die Technik stimmt, natürlich. Lesen auf meinem PDA ist eine rechte Zumutung mit dem hellen, viel zu kleinen Bildschirm und der hakeligen Bedienung. Aber der Kindle beispielsweise soll ja wie Papier aussehen und ohne Hintergrundbeleuchtung auskommen. Das reicht mir.

Vor die Wahl gestellt, werde ich Novalis und Lovecraft auch weiterhin als Buch lesen. Aber Fachbücher? Wenn ich nur dran denke, wie einfach ich im E-Book kommentieren, verschlagworten und vor allem suchen könnte. Haben Sie schon einmal einen Aufsatz geschrieben, in dem ein Zitat genau passen würde, das aus einem Buch stammt, das Sie vor Jahren gelesen haben? Mir passiert das dauernd und ich suche mich dumm und dusselig, obwohl ich seit Jahren alle meine Bücher mit Anmerkungen vollkritzele und kleine Indizes auf den ersten oder letzten Seiten von Hand anlege. Welch eine Wonne, ein digitales Dokument von der Suchfunktion durchsuchen zu lassen ...

Wird dann das E-Book das ‚echte’ Buch irgendwann verdrängen? Das mag wohl sein, und Sie können mir glauben, dass ich das sehr (!) bedauern würde. Aber ich werde es nicht mehr erleben. Auf Jahrzehnte hinaus wird es gedruckte Bücher auch aller möglichen Neuerscheinungen geben. Sie können als Bücherfreund also ganz getrost weiterhin alle E-Book-Fans bemitleiden. Ihre Kinder und Enkel allerdings ...

Mein Sohn etwa mag durchaus erleben, dass gedruckte Bücher zur Ausnahmepublikationsform werden. Und er wird es wohl auch bedauern, da er bei uns zuhause mit vielen Büchern aufwächst. Aber er wird auch gelernt haben, E-Books als vollkommen alltägliches Handwerkszeug und Lektüremittel zu handhaben. Genauso wie die E-Zeitung, die, ganz wie bei Harry Potter, kleine Filmchen statt Fotografien abbilden wird.

Und die heutigen und kommenden Kinder werden auch gelernt haben, die neuen Kulturtechniken ebenso typisch menschlich anzuwenden wie die alten. Nein, Herr Potthoff, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass die Widmung an den Freund oder die Geliebte verloren geht. Sie wird nur anders aussehen. Wie? Keine Ahnung! Aber mit Emoticons, Smileys, Lautschriften, Neologismen, ASCII-Art und anderen Dingen gelingt es den heute per Computer und Netzwerken Kommunizierenden gut, das parfümierte Briefpapier von einst zu ersetzen. Man schreibt Liebesbriefe anders, aber man schreibt sie immer noch und wird damit auch nie aufhören.

Wenn dann das Buch einmal ersetzt werden sollte und nichts mehr gedruckt wird, so ist die Zeit halt über die Printtechnik hinweggegangen. Schade, aber nicht wirklich schlimm. Und die, die das erleben, werden diesen Verlust auch nicht so empfinden wie wir, denn sie sind unter ganz anderen Medienbedingungen groß geworden. Wichtig ist, dass die Inhalte erhalten bleiben, dass niemals Platon, Aristoteles, Augustin, Dante, Shakespeare und all die anderen ebenso wie die Gedanken von heute; dass all dies niemals vergessen wird. Ist mir doch egal, ob es in Stein gehauen, auf Papyrus gemalt, auf Papier gedruckt oder auf Festplatten vorliegt - Hauptsache es ist zugänglich.

Nachtrag:
Gerade macht mich Friedhelm Schneidewind netterweise auf einen guten Beitrag von Dennis Scheck im Deutschlandradio aufmerksam, der erstens erklärt was der Kindle ist und kann und zweitens die Untergangsängste des Abendlandes angesichts des digitalen Lesens auch eindrucksvoll relativiert: bitte sehr.




Grüne Formel 1?

Ich trank gerade meinen Nachmittagskaffee und las bei dieser Gelegenheit in unserem Käseblättchen, dass die Formel 1 bei ihrem nächsten Rennen mit Reifen auffahren wird, die von grünen Streifen verziert sein werden. Das soll symbolisch auf das gewachsene ökologische Bewusstsein des Rennzirkus hinweisen ... Ich schmeiß mich gleich weg ...

Ich finde, wenn die Formel 1 ökologisches Bewusstsein zeigen möchte, sollte sie die Jungs in Tretautos fahren lassen ...

In diesem Sinne, vroooaaammm ...


Google 2001

Na, das ist doch mal ein netter Gag von Google. Anlässlich des 10jährigen Jubiläums des Suchmaschinengiganten haben die Herrschaften den ältesten noch rekonstruierbaren Index wieder ins Netz gestellt: Google im Jahr 2001.

Gibt man beispielsweise „Harry Potter“ ein, so finden sich gut 840.000 Treffer. Macht man das beim aktuellen Google sind es mehr als 98 MIllionen. Den gut 7 Millionen Einträgen von „Stephenie Meyer“ heute (Sie wissen schon, die Vampirromantikerin, die jüngst so erfolgreich ist) steht genau einer aus dem Jahr 2001 gegenüber. Oder mal Politik: „Angelaa Merkel damals = 26.300 Einträge; heute über 8 Millionen.

Das macht Spaß, ich spiele noch ein bisschen weiter, ciao

11.10. Berlin: Demo gegen Überwachungswahn

Am 11.10. findet in Berlin, am Alexanderplatz, die große Demo „Freiheit statt Angst 2008“ statt. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung schreibt:

Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler rufen bundesweit zur Teilnahme an einer Demonstration gegen die ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat auf. Am Samstag, den 11. Oktober 2008 werden besorgte Bürgerinnen und Bürger in Berlin unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" auf die Straße gehen. Treffpunkt ist der Alexanderplatz um 14.00 Uhr.

Berlin ist zu weit weg? Die Anfahrt zu teuer? Der Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud e. V.) organisiert deutschlandweit die Anfahrt mit „Bus und Bahn gegen Überwachungswahn“: https://shop.foebud.org/index.php?cName=akvorrat--demobus-c-36_42.

Was Sie das angeht? Vielleicht werfen Sie einen Blick in diesen Grundsatzartikel zum Datenschutz, besonders in den Abschnitt „Daten von Staats wegen“. Es ist einfach so, dass eine Demokratie darauf angewiesen ist, dass die Bürger auf ihre Freiheitsrechte selbst achten müssen, da staatliche Interessen der individuellen Freiheit allzu oft entgegenstehen. Wenn Sie Ihre Rechte nicht selbst verteidigen, steht es also in Frage, ob es jemand anders für Sie tun wird.

Außer natürlich den Bürgerrechtlern, die dies ehrenamtlich tun. Die können aber ohne Ihre Unterstützung mittel- bis langfristig gar nichts erreichen. Engagieren Sie sich, damit das Licht nicht ausgeht!

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Weltuntergang weiter verschoben

Nachdem der Weltuntergang durch Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers am CERN nicht stattgefunden hat, konzentrierten sich die Befürchtungen ja darauf, dass Armageddon nur ausblieb, weil das Ding noch nicht volle Leistung fahre, dass es aber bald soweit sein müsse.

Jetzt meldet Heise online gerade, dass der LHC bis Frühjahr 2009 aus bleibt. Also, genießt die Zeit ... obwohl ... ich habe gehört, dass sich in Wirklichkeit die Wurmlochpropheten im Beschleuniger manifestiert hätten und die Erde gewaltsam ...

Vielen Dank, liebe Kölner!

Da machen sich also Faschos aus ganz Europa auf, um unter dem Deckmantel der Sorge vor dem Islam Stimmung für ihre schwachsinnigen, menschenverachtenden Ansichten zu machen. Sie melden sich in Restaurants, bei Transportunternehmen und Hotels als „Rechtsanwaltsgesellschaft“, „Geburtstagsfeier“ und „Kongressgruppe“ an um in Kölle auch angemessen unter- und herumzukommen.

Und was machen die Kölner? Sie schmeißen das Pack raus! Sie lassen sie nicht einsteigen, sie bedienen sie nicht und sie stellen den Braunen die Köfferchen in die Gosse, wo sie hingehören. Das ist die Antwort, die man erhoffen durfte von den Bürgern einer Stadt, die den heranrückenden Feind schonmal mit den Worten begrüßten: "Wie kutt er dann scheeße, süht er nit, dat he Lück ston?"

Aber auch wenn man das schon hoffen konnte, so ist es doch einfach nur schön, zu sehen, wie sich die ganze Stadt gegen die braune Plage gewandt hat. Danke dafür!

Schade war nur, dass die Chaoten der linken Autonomen beinahe alles kaputt gemacht hätten mit ihrer sinnlosen Gewalt. Was unterscheidet euch eigentlich noch von den braunen Schlägern?


Skandalöses Schüler-Lotto ...

... so überschreibt Spiegel Online einen ersten Bericht über die Ergebnisse einer vollständigen Untersuchung aller Wiesbadener Grundschulen. Spiegel Online findet da ein paar sehr passende Worte und Zitate, was die Empfehlungen für den weiteren Schulbesuch, Gymnasium, Realschule oder Hauptschule, angeht:

„Lehrer lassen arme Kinder zu selten ans Gymnasium.“
„Die Unterschichtsbremse für die Oberschulen greift höchst zuverlässig.“
„Aufs Gymnasium schaffen es in erster Linie die Privilegierten, nämlich Kinder gut betuchter Akademiker. Schüler aus einer niedrigen sozialen Schicht haben weitaus schlechtere Karten beim Schulübergang. Und zwar auch bei gleicher Leistung.“
„‚Vor allem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht hat Auswirkungen auf die Schulnoten der Kinder und auf den Bildungswunsch der Eltern’, sagte Stefan Hradil, Soziologe und Leiter der Untersuchung.“
„‚Neu ist, dass Lehrer offensichtlich schicht- und ethnienspezifische Empfehlungen aussprechen.’“
„Bei gleich guter Schulnote (2,0) erhielten nur drei von vier Kindern aus der niedrigsten Einkommens- und Bildungsgruppe eine Empfehlung für die höchste Schulausbildung. Dagegen sollten von den Kindern mit wohlhabenden und gebildeten Eltern 97 Prozent aufs Gymnasium - so gut wie alle also.“
„‚In der Oberschicht kommt eine Hauptschulempfehlung nahezu nicht mehr vor’, notierten die Forscher.“

Noch Fragen?

Ach so - Sie wollen wissen, was man tun kann?

Na, das dreigliedrige Schulsystem abschaffen und damit auf die Verurteilung hunderttausender 10-Jähriger zu lebenslanger Benachteiligung verzichten natürlich!



10 Jahre Google

Google wird in diesen Tagen 10 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Nein, das meine ich schon ganz ehrlich, Sie brauchen in diesem Glückwunsch nicht nach Spuren von Ironie zu suchen. Auch als Freiheitsredner, ist es nicht meine Pflicht, an der massiven Kritik teilzunehmen, die, ebenfalls in diesen Tagen, gegen Google vorgebracht wird.

Google sammelt in der Tat in außerordentlichem Maße persönliche Daten über seine Nutzer. Nur weiß ich nicht, ob dies, wie die Kritiker meinen, wirklich in missbräuchlicher Absicht geschieht, um Menschen auszuspähen und die gesammelten Daten dann zu eigenem Vorteil und Profit zu verwenden.

Vielleicht erfordern ja auch einfach nur die ausufernden Features von Google Earth, Google Health, Google Maps, Orkut und anderen Diensten die massive Anhäufung von Cookies und anderen Daten, die zum Funktionieren ebendieser Dienste gebraucht werden. Dann wäre nicht Google böse, sondern nur der User recht sorglos, der diese Dienste in Anspruch nimmt.

„Don´t be evil“ ist ja auch das Motto von Google. Und ich habe bis zum Nachweis des Gegenteils auch keinen Anlass, Larry Page und Sergej Brin, die Gründer von Google, für böse zu halten. Nein, erst einmal habe ich Respekt für die Leistung dieser Männer. Nur ... wie wäre es, wenn man es dabei beließe? Das wäre mal was ganz Neues, oder?

Google hat sich, das ist Fakt, zum größten Datensammler der Welt gemausert und weiß über die Userinnen und User, die Googles Dienste umfassend in Anspruch nehmen, fast alles. Und was es nicht weiß, könnte es aus den vorliegenden Daten extrapolieren. (Wenn Sie das Google-Wissen interessiert, empfehle ich die Lektüre des Buches „Die Google-Falle“ von Gerald Reischl und den Besuch seiner gutgemachten, gleichnamigen Website.) So könnte Google sich ein ganz eigenes Bild von Ihnen machen. Und das muss nicht einmal zutreffend sein:

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Vielleicht sollte Google langsam mal aufhören, weitere datenintensive Dienste zu entwickeln. Dumm nur, dass da mittlerweile eine innere Dynamik entstanden ist, die das Unternehmen immer weiter treibt. In der modernen Aktienkultur wird ja sofort gefressen, wer nicht ständig wachsende Quartalszahlen vorlegt. Normale solide Gewinne reichen den Anlegern heute ja nicht aus.

Also wird es weitergehen mit neuen datenreichen Diensten und Ideen. Kann das alles gut sein? Wohlgemerkt, es geht nicht um die Frage, ob das böse ist. Aber kann es gut sein?

Wohl kaum. Diese Zentralisierung von Daten kann, wie jede massive Zentralisierung, nicht gut sein, denn der Schaden ist überwältigend, wenn eine zentrale Struktur wie die Googles kompromittiert wird. Das kann durch Missbrauch von innen geschehen, wenn Google also doch böse würde, es kann durch Angriffe von außen geschehen und eine Zentralstruktur kann auch schlicht kaputtgehen und ihre Funktionen verlieren oder preisgeben.

Es ist wie mit der Anhäufung von Macht überhaupt - deren Verlust oder Missbrauch hat fatale Folgen. Und die Antwort auf das Gefahrenpotenzial von zentralisierten Strukturen ist die Dezentralisation. Macht gehört verteilt und persönliche Daten gehören in die Hände des Einzelnen, der sie nur dann herausrückt, wenn es nötig ist.

Einiges funktioniert dann nicht mehr so bequem wie heute? Da haben Sie Recht! Aber ist das so schlimm? Und kann man nicht auch in dezentralisierten Strukturen Kommunikationswege finden, die einen Großteil der erreichten Bequemlichkeit erhalten, dabei aber gefährliche Datenpools wie den von Google umgehen? Das wird sicherlich klappen.

Google ist einst als innovatives Unternehmen angetreten. Es wäre an der Zeit für ein weitere Innovation. Es ist Zeit für die Innovation, es mal gut sein zu lassen. Und vielleicht sogar das eine oder andere Werkzeug abzugeben. Und zu dezentralisieren. Innovativ wäre daran vor allem der Verzicht. Auch der Verzicht auf weitere Quantensprünge bei den Quartalszahlen. Und das dann kommunizieren, aufzeigen, dass es auch anders geht. Ein Beispiel dafür geben, was gut ist!

Also, lass mal gut sein Google. Und nochmals: Herzlichen Glückwunsch.

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Prekariat: mein Unwort des Jahres

In Deutschland, wie auch europa- und weltweit, wird eine Armutsdebatte geführt. Das ist erst einmal gut, auch wenn zur Zeit populistische Verführer vom Schlage eines Oskar Lafontaine am meisten davon profitieren. Was aber gar nicht gut ist, ist das Vokabular, das dabei verwandt wird. Hartz IV, Unterschicht und ähnliches sind schon ziemlich schlecht, da sie negative Etiketten auf Menschen kleben (Hartz IV) oder mangelnde Qualität oder sogar einen geringeren Grad an Menschlichkeit suggerieren (UNTERschicht). Besonders mies wird es aber bei diesem neuen, ach so griffigen Begriff „Prekariat“, der Millionen von Menschen plötzlich anhängt. Deshalb ist Prekariat mein Favorit für das Unwort des Jahres, das in etwa zwei Monaten gewählt werden wird.

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Schauen wir uns dieses Wort einmal an. Prekariat ist abgeleitet von prekär, was laut Duden soviel wie „schwierig“ oder „heikel“ heißt. Angehängt wurde dann nur eine von „Proletariat“ entlehnte Nachsilbe. Laut Wikipedia ist „Prekariat ist ein Begriff aus der Soziologie und definiert ‚ungeschützte Arbeitende und Arbeitslose’ als eine neue soziale Gruppierung“. Und wer fällt darunter? Wikipedia weiß: „Betroffen sind einkommensschwache Selbstständige und Angestellte auf Zeit, Praktikanten, auch chronisch Kranke, Alleinerziehende, Zeitarbeitnehmer und Langzeitarbeitslose, aber zunehmend auch in wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen Angestellte: Prekariat definiert keine sozial homogene Gruppierung.“

Okay, das Prekariat sind also Leute ohne, mit geringem oder mit unsicherem Einkommen. Ja, die gibt es. Das ist Sch****, aber es gibt sie, und zwar in viel zu großer Zahl. Und die sind also „schwierig“ und „heikel“ – das ist aber eine schöne Art, Menschen zu charakterisieren ... Denn diese Zuschreibung muss man doch wohl wörtlich nehmen, so wie man im 19. Jahrhundert Proletarier als Sammelbegriff für besitzlose, abhängig Beschäftigte wörtlich meinte, was von „proletarius“ abstammte und die niedrigste Schicht im römischen Volk meinte, die zu nichts anderem gut war, als Kinder zu produzieren, die dann beispielsweise in den Legionen zu dienen hatten, wenn sie nicht gleich versklavt wurden.

Doch „Proletariat“ ist ein Substantiv, das eine Gruppe von Menschen beschrieb, eben die Angehörigen einer besitzlosen Bevölkerungsschicht im alten Rom, die proletarii, und später die Gruppe der abhängig Beschäftigten im 19. Jahrhundert. Proletariat klassifiziert also anhand eines Faktums. Prekariat klassifiziert nicht nur sehr ungenau, wenn man mal auf die heterogene Wikipedia-Definition schaut, sonder es klassifiziert auch anhand einer nicht objektiv haltbaren Zuschreibung, ist prekär doch ein Adjektiv – „heikel“ eben. „Heikel“ und „schwierig“, damit also auch „gefährlich“. Keine substantivisches Faktum, sondern eine subjektive, adjektivische Zuschreibung. Das ist immer auch eine Aussage über angebliche Eigenschaften der so klassifizierten Menschen.

‚Prekarier’ sind „heikel“?

Quatsch, es ist ihre Situation, die heikel ist; prekär zu leben ist aber kein Merkmal der Menschen selbst. „Aus prekären Arbeitsverhältnissen folgen prekäre Existenzweisen“, schreibt Thomas Gross in der „Zeit“. Das stimmt natürlich. Durch das Ankleben des Adjektivs prekär wird die Situation nur noch verschlimmert. Denn unterbewusst eignen sich die Angehörigen der Gruppe der prekär lebenden Menschen diese Zuschreibung mehr oder weniger stark an und verlieren dadurch an Kraft, Selbstvertrauen und Änderungswillen. Und auch die Nichtprekarier übernehmen die heikle Zuschreibung mehr oder weniger bewusst, wollen mit diesen „schwierigen“ und „gefährlichen“ Menschen nichts zu tun haben und wünschen nicht, dass ihre Kinder mit ‚deren’ Schmuddelkindern spielen oder lernen. (Ach wie gut, dass wir ein dreigliedriges Schulsystem haben, da bleiben die Schmuddelkinder unter sich ...).

Ist schon klar: Worunter die vom wirtschaftlichen Erfolg abgehängten Menschen hierzulande leiden, ist sicherlich erst in dritter oder vierter Linie das Wort Prekariat – kein Geld, keine Arbeit; krank, unglücklich und mittlerweile sogar wieder hungrig zu sein, das sind die wahren Probleme. Aber man darf die Macht der Sprache und die Kraft der sich selbst erfüllenden sprachlich verfassten Prophezeiungen nicht unterschätzen.

Deshalb lautet mein Unwort des Jahres 2008: Preka****.



Geklaute Magazine

Heute traf ich im Web auf die sehr schön gemachte Seite mygazines.com. Da gibt es eine Unzahl von - bis jetzt hauptsächlich englischsprachigen - Hochglanzmagazinen zu bestaunen, die beliebtesten adrett auf der Frontseite im Coverflow aufgemacht.

Und wenn man die dann per Mausklich aufschlägt - WOW!, Scans (wohl eher geklaute Originaldateien) in ungekannter Qualität. Na, das ist doch mal ein Lesezirkel! - da braucht man ja nicht mal mehr zum Arzt oder Friseur zu gehen ...

Und beliebt ist die Site! Auf Digg.com kann man begeisterte Kommentare über den Zeitschriftendienst lesen:
„I love this...now i don't need to go to the library anymore.. and i can save money and paper!“
„Mygazines.com is really good & useful website. That's nice that you can do so many things with an article (like adding to favorite or sharing with friends) which in print you can not do. That's brilliant idea.“

Ja, wahrlich eine brillante und vor allem sooo liebenswerte Idee. Nur - wer bezahlt die Autorinnen, Grafiker und Fotografinnen die den Content dieser Magazine erstellen, wenn die Leser auf diese Papier- und Geldsparmaßnahmen zurückgreifen?

Frei nach einem weisen Indianerhäuptling fällt mir dazu ein: Erst wenn der letzte Inhalteproduzent verhungert ist, werdet Ihr sehen, dass sich das Internet nicht von alleine füllt ...


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Nachtrag vom 20.10.08 - mygazines.com musste dichtmachen, angeblich aus Geldmangel. Gut so!



Olympia beginnt in unbeflecktem Stadion ...

... und das schöne Bauwerk wird wohl auch sauber bleiben. Das ist doch angesichts des heutigen Beginns der Olympischen Sommerspiele in Beijing eine schöne Aussicht, oder?

Schließlich wurden die öffentlichen Stadien Chinas doch sonst auch gerne für Massenhinrichtungen durch Kopfschuss genutzt. Damit ist Schluss, denn der ÖPNV Chinas stellt seit einger Zeit Busse bereit, in denen die Delinquenten mit Giftspritzen hingerichtet werden. Und das mit der Spritze soll auch so bleiben, die schicken Stadien im boomenden China möchte man nicht weiter mit Blut, Hirnmasse und von Kugeln herausgerissenen Gewebe- und Knochenfetzen verschmutzen.

Ob das eine humanitäre Maßnahme ist, oder ob es zu schwierig wurde, das relativ hohe Blutaufkommen der großen Delinquentenzahlen aus dem Tartan zu waschen, war allerdings nicht zu erfahren.

Schöne Friedensspiele noch ...


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Denglisch? Ich mag es nicht, aber es gibt Schlimmeres ...

... und anders als eifrige Streiter wider des Denglischen, wie Walter Krämer und Wolf Schneider zu meinen scheinen, ist es durchaus so, dass Sprachen sich durch den Einfluss von Fremdwörtern weiterentwickeln und nebenbei auch zu einem besseren Verständnis verschiedener Kulturen untereinander beitragen:
„Wenn Kulturen über den sprachlichen Austausch leben und sich weiterentwickeln, sind Anleihen und Abgaben, der in die Wörter gefassten und über die Wörter zugänglichen Kulturmerkmale zwangsläufig Mittel des Transfers, die als solche nicht zu beanstanden sind.“ (Hans-Werner Eroms, 2007, 45)

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Trotzdem nerven natürlich Sprüche wie „come in and find out“ jeden, dem etwas an der deutschen Schriftsprache liegt. Aber ist es mehr als ‚zu nerven‘? Wenn man den Herren Krämer und Schneider so zuhört, könnte man meinen, dass unsere gesamte Ausdrucksfähigkeit in Gefahr ist, ganz abgesehen natürlich von unserer nationalen Identität im Besonderen, dem christlichen Abendland und der humboldtschen Kultur im Allgemeinen undsoweiterundsofort ...

Problematisch wird das dann, wenn Schneider in seinem neuesten Buch Speak German! Warum Deutsch manchmal besser ist fast in Hasstiraden fällt, wenn er dem Denglischen den Kampf ansagt. Kampf? Ja, einen „Kampf“ gilt es zu führen ... die Fremdwörter heißt es „anzugreifen“ ... eine „Invasion“ des Amerikanismus muss „abgewehrt“ werden ... und, heia Safari, das wird Spaß bereiten: Anglizismen sind „abzuschießen“, jede Woche mindestens einer. Allein an diesem Wesen wird die deutsche Sprache genesen.

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Warum das ein Problem ist? Weil es eine emotional dermaßen aufgeladene Kriegsrhetorik ist, dass sie dem Thema - Wie erreichen wir eine stilistisch gute öffentliche Kommunikation? - völlig unangemessen ist. Ich habe einmal viel von Schneider gehalten - genial etwa: Unsere tägliche Desinformation aus den Achtzigern - aber hier fühle ich mich von ihm angesprungen. Das ist eine Rhetorik aus den unschöneren Zeiten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, eine Rhetorik, die der Sache in jedem Fall schadet.

Denn auch ein offen denkender und argumentierender Autor wie der zitierte Eroms kritisiert die besonders in PR- und Werbereichen inflationär eingesetzten Anglzismen als schlechten Stil. Das geht durchaus und stellt eine Kritik dar, die die Werber und Öffentlichkeitsarbeiterinnnen hinter den Kosemtikspiegel klemmen sollten. Eroms führt nämlich schön und sehr differenziert aus, wie dieser Gebrauch das Gebot des Maßhaltens durchbricht und so auch dem ungeschulteren Leser als schlechter Stil auffällt und somit ein kommunikatives Eigentor darstellt.

Aber mehr noch als zu warnen, ist zu beachten, dass die Sprachbeeinflussung durch Fremdwörter erst einmal positiv ist, da sie einen Zugang zu anderen Kulturen eröffnet (Eroms 2007, 50). Überflüssige Anglizismen zu geißeln, ist zudem eine „wissenschaftlich wenig haltbare Position“ (Krämer und Schneider sind schließlich Professoren), „denn wenn Wörter aus einer anderen Sprache genommen werden, hat offenbar ein Bezeichnungsbedarf bestanden, der genau diese Option ausgelöst hat“ (48).

Nun hat dieser Bedarf bei come in and find out sicherlich nicht bestanden, sondern ist konstruiert worden und angeblich sechzig Prozent der Deutschen verstehen darunter ja auch eher etwas wie „Komm rein und versuche, wieder herauszufinden“. Aber diese dummen Sprüche sind ja gerade Beispiele dafür, dass der übertriebene Einsatz, beim Versuch den Zeitgeist noch etwas schneller zuzureiten, in die Hose gegangen ist. Schön ist ja, dass diese Kommunikationsversuche genau die spöttische Reaktion hervorrufen, die einzig angemessen ist.

Prägnante und sinnvolle Anglizismen reihen sich demgegenüber nahtlos in die Sprache ein und werden von ihr aufgenommen: Job, Boss, E-Mail. Und das war schon immer so: Skonto, Bank und Porto stammen aus dem Italienischen; Hausse, Chef, Rendezvous hört man das Französische immer noch an; und wussten Sie das Tornister, Roboter und Gurke aus dem Slawischen kommen?

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Nein, von einem gewissen Werber-Unsinn geht keinerlei Gefahr aus, aber von undifferenzierter Kritik am Fremdwortgebrauch und seiner Schwester der Überfremdungsangst. Die Gefahr nämlich die Sprache einzukapseln, und in die Richtung gehen ja die jüngsten Schneiderschen Forderungen, der nötigenfalls Sprachreinheit auch per Gesetz herstellen lassen will, und damit das Denken selbst einzukapseln, es auf einem lokalpatriotischen, deutschtümelnden Niveau festzusetzen, das jeglicher Entwicklung zu widerstehen sucht.

Dem braucht man wenigstens keine gesteigerte Beachtung zu schenken, wenn man sich schon nicht die Mühe machen will, Gegenrede zu leisten. Nichtbeachtung reicht schon: Leute lest Eroms, nicht Schneider! Schade nur, dass ein wertvoller Theoriebeitrag wie der Eroms in einem nur von der engsten Fachwelt beachteten Tagungsband vor sich hinschlummert, während die Betrachtungen Schneiders starrsinniger Überzeugungen derzeit alle Feuilletons verunzieren ...

Literatur:

Das Buch vom Schneider halt ...

Eroms, Hans-Werner: „Fremdwörter“ - MIttel der Teilhabe an anderen Kulturen. In: Földes, Csaba/ Antos, Gerd (Hrsg.): Interkulturalität: Methodenprobleme der Forschung. Beiträge der internationalen Tagung im Germanistischen Institut der Pannonischen Universität Veszprém, 7.-9. Oktober 2004. München: Iudicium Verlag. 2007. 45 - 57.


Sterbehilfe? Für mich schon.

Nachdem Herr Kusch durch seine undurchsichtigen Sterbehilfeaktivitäten vom letzten Wochenende die Presse in Aufruf versetzte, hat das, und ein winziges Erlebnis, mich in meiner Position zur Sterbehile bestärkt: Ich nehme mir das Recht heraus, im Bedarfsfall eine solche zu suchen.

Das winzige Erlebnis, das ich hatte, bestand darin, dass ich bei einem Spaziergang mit meinem Sohn an einem Altenpflegeheim vorbeikam, bei dem in einem der ebenerdigen Zimmer das Fenster offen stand und man gut reinsehen konnte. Was ich sah, war ein freundlicher, heller Raum von ca. 4 x 4 Metern Grundfläche. Bett, Tisch, 2 Stühle, Beistelltisch mit Fernseher; alles in hellem Holz, ich nehme an Kiefer. Eine Blumenvase stand auf dem Tisch, alles wirkte sehr sauber. Kurz: Ein netter Eindruck.

Trotzdem verstehe ich die 79jährige Dame sehr gut, die Herrn Kuschs Hilfe in Anspruch nahm. So hübsch das auch aussah: Dort will ich nicht hin! Das ist kein echtes Zuhause, das ist Klinik. Hübsche Klinik, ja, aber ich war 13 Jahre als Krankenpfleger tätig und erkenne ein Patientenzimmer, wenn ich eines sehe. Nee, nicht für mich.

Was sein wird, wenn ich 79 bin, weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich mich in den nächsten 34 Jahren so verändern werde, dass ich Klinik und den Verlust eines echten Heimes dann in Kauf zu nehmen gewillt bin. Wofür auch? Für weitere drei, vier Jahre? Lohnt nicht. Weitere 20 Jahre, so ich sie denn erlebte? Die Vorstellung ist ja noch schlimmer!

Ich habe noch einiges vor, denke aber, dass ich mich dann irgendwann vor der letzten Reise nur noch ein bisschen ausruhen möchte und dann ist es gut. Aber ich ruhe mich doch nicht da aus. Wohlgemerkt, das ist keine Kritik an Pflegeheimen und Personal, wenn die so hübsch und aufmerksam sind, wie sich das in diesem einen Fall darstellte. Das Thema, das ich mit dieser Bemerkung anspreche, ist das der Autonomie meiner Entscheidungen.

Ich rede auch nicht davon, dass die Hospizbewegung gestärkt werden muss, dass die Palliativmeidzin besser werden muss, dass verdammt nochmal niemand Schmerzen zu leiden haben darf. Das ist alles richtig, wichtig und hilft bald hoffentlich vielen Menschen, dass auch die letzten Jahre schön werden.

Nein, ich rede davon, dass ich die alte Dame gut verstehe, die nicht ins Pflegeheim wollte. Und sei es noch so schön. Wenn ich zu dem Entschluss komme, dass es gut ist, dass ich nicht mehr möchte, dann will ich mein Leben auch auf eine Weise abschließen können, die mir den letzten Schritt leicht macht. Ja: leicht macht! Ich werde es mir schon nicht zu leicht machen, zu dieser Entscheidung zu gelangen. Dann aber will ich keine Hürde mehr vor mir sehen.

Es ist mein Leben. Es ist das einzige, was wirklich mir gehört. Vielleicht ist es auch nur das einzige, was wirklich mir gehören sollte. Dazu gehört, dass ich es aufgebe, wann ich will.

Und ein Gott, der mich nicht aufnimmt, weil Suizid Sünde ist, in dessen Reich will ich gar nicht. Aber ich denke nicht, dass Gott das so streng sieht.

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Die Patientin Universität röchelt jetzt ziemlich ...

... es muss ihr wohl jemand die Luft abdrehen - arme Uni ...

Der Uni geht es auch immer schlechter. Ich rede dabei gar nicht von Bachelor- und Masterstudiengängen - die haben zwar den Humboldtschen Bildungsgedanken gekillt, aber für den sind wir Menschen anscheinend eh nicht ausreichend gerüstet. Nee, es scheint viel mehr so zu sein, dass die Verschulung des Studiums einem ganz großen Teil der Studierenden entgegen kommt. Da wird man wenigstens noch bis Mitte Zwanzig ans Händchen genommen und durch das Leben geführt und den späteren Arbeitgebern ist es auch lieber, wenn die neuen Akademiker nicht allzu eigenständig denken und fragen gelernt haben.

Nein, die Patientin röchelt immer stärker wegen der Sparmaßnahmen, die ihr die Luft abdrehen. Wie heute in unserem Käseblättchen plötzlich und voller Sorge zu lesen ist, geht es den Geisteswissenschaften an den Kragen. Schön, dass das mal jemand merkt. Gefördert wird nur noch, was effizient ist, und Orchideenfächer wie Byzantinistik, Ägyptologie, Geschichtswissenschaften, Philosophie, die Lehrerausbildung und ähnlich abseitige Wissensgebiete werden zusammengestrichen. Bringen ja keine Drittmittel ... oder outsourcbare Start ups ... oder Ruhm und Ehre.

Schade - und das nicht nur aus melancholischen Gründen, wie dem, das uns Menschen die Philosophie einst das Denken und Verstehen lehrte. (Zumindest soweit man gewillt war, sich aufs Verstehen einzulassen.) Schade also? Ja! Denn, es ist doch nicht so, dass wir nun verstanden hätten und sie nicht mehr bräuchten. Oder glauben Sie, dass es derzeit ein ausreichendes Maß an Vernünftigkeit und Empathie in der Welt gäbe? Und wie sollen die Kommenden lernen, zu verstehen? Oder zu hinterfragen? Oder zu urteilen? Und wer kann entscheiden, ohne sinnvoll und kritisch geurteilt zu haben? Schade, dass die Wolkenkuckucksheime der Geisteswissenschaften aussterben ...

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Sehe ich da hinten in der letzten Reihe einen Ingenieur grinsen? Ja, noch haben Sie gut lachen und sind heißbegehrt. Aber warten Sie erst einmal ab, bis sich die Controller nach getaner Meuchelei in den Geisteswissenschaften an die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung machen. Ferne Galaxien beobachten? Die Gravitationswellen oder Higgs-Teilchen nachweisen? Das ist genauso brotlose Kunst wie die Philosophie. Nur werden euch Ingenieuren dann ganz schnell die Grundlagen für eure Erfindungen und den Fortschritt ausgehen.

Bleiben die Wirtschaftler und Juristen. Ich hoffe ihr werdet reich damit, euch gegenseitig Businesspläne aufzustellen ... schon da mit ihr uns Philosophinnen und Lehrer, Historikerinnen und Linguisten als Hauspersonal, Gärtner und Chauffeure beschäftigen könnt ... wir geben euren Kindern dann beim Babysitten auch schon mal den einen oder anderen Tipp für ein gelingendes Leben ... versprochen!

Artenschutzkonferenz hat fertich ...

... und hat nix gebracht. Naja, einiges schon - an Wissenszuwachs. Die einschlägigen Experten haben die Bedrohungen der Artenvielfalt, der Umwelt und beider Auswirkungen auf den Menschen weiter präzisieren können. Nur: So neu ist das alles nicht und es ist eigentlich an der Zeit, das substanziell etwas gegen Artenschwund und Umweltbelastung getan wird. Dahingehend aber lässt sich zusammenfassen: Es ist nix passiert. Was wohl heißt, dass auch praktisch wiederum ein paar Jahre lang nix passieren wird, außer einer weiteren dramatischen Entwicklung zum Schlechteren.

Woher kommt das? Ich denke, es liegt an der mangelnden Betroffenheit. Nicht einer Betroffenheit im emotional-moralischen Sinn, sondern einer Betroffenheit im ursprünglichen Sinn des Wortes: Es betrifft uns nicht direkt, denn die am Amazonas gefällten Bäume treffen niemanden hier auf den Kopf. Es ist alles zu weit weg. Selbst die die Menschen in Australien, die wegen mangelnden Höhen-Ozons direkt von der Sonne verbrannt werden, lernen nichts daraus, da Hautkrebs anscheinend zu weit von seiner Ursache entfernt entsteht, um Betroffensein erzeugen zu können. Der Mensch, so vermute ich, ist anscheinend emotional nicht in der Lage, angemessen auf mittelbare und langfristige Einwirkungen zu reagieren.

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Wieso emotional? Weil er rein vernünftig betrachtet in vielen Dingen sehr wohl weiß, was ihm passiert. Kognitiv ist unbestritten, dass wir gefährlichsten Raubbau an unserem Planeten und damit an uns, vor allem aber an der Zukunft unserer Kinder betreiben. Trotzdem passiert nichts Substanzielles. Warum? Ees kann im Großen nur eine nichtrationale Ursache dahinter stecken. Denn sicher gibt es zwar einige Egoisten, die rational durchkalkulieren, das weiteres Fehlverhalten ihnen kurz- bis mittelfristige Vorteile bringt und dann gilt, nach mir die Sintflut. Aber den weitaus meisten Menschen liegt das Leben im Allgemeinen, wie auch das der Menschen im Besonderen und das der eigenen Kinder im ganz Besonderen so am Herzen (und im Kopf - Vernunftdenken!), dass das Ergreifen geeigneter Maßnahmen und die Wahl entsprechender politischer Vertreter und Programme ihnen äußerst nahe liegen sollten. Aber das tun wir nicht. Oder zumindest nur so wenige, dass sie keinen Unterschied machen.

Dass wir nicht klüger handeln, obwohl alle Erkenntnis der nötigen Maßnahmen seit den frühen siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt sind, kann nur mit mangelnder irrationaler Eindrücklichkeit der Gefahren und mit mangelndem Missempfinden der tatsächlichen Situation erklärt werden. Auf einer emotionalen Basis fühlen wir uns anscheinend zu sicher vor der drohenden Gefahr, um in die angemessene Sorge zu verfallen. Eine Sorge, die eben groß genug sein müsste, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Da aber einerseits die Entwicklungen in Natur und Umwelt mit einer Behäbigkeit geschehen, die für den ausreichenden Anstieg der Gefahr Jahrzehnte braucht, werden wir die angemessene Menge an Sorge wohl erst entwickeln, wenn uns die Entwicklung Dürre auf den eigenen Feldern und die ganz persönliche Hungersnot bescheren. Und da andererseits die Korrektur von Umweltschädigungen aufgrund der gleichen Behäbigkeit Jahrhunderte und Jahrtausende in Anspruch nehmen wird, ist die Situation wohl ausweglos.

Bleibt also nur, Swimmingpool und 500 PS-Wagen zu genießen, um das Beste aus den letzten Jahrzehnten herauszuholen. Wahrscheinlich wird es ja sogar unseren Kindern bis zu deren vierzigsten oder fünfzigsten Lebensjahren noch einigermaßen gut gehen (obwohl sie mir sehr Leid tun wegen der totalitären Öko-Diktaturen, die sie in den letzten Lebensjahrzehnten werden durchmachen müssen ... von den Enkeln ganz zu schweigen ...).

Und die Natur? Die leidet noch ein paar Jahrhunderte, freut sich aber schon auf die nachfolgenden Homo sapiens-freien Jahrmillionen, wenn dann endlich alles wieder in ein natürliches Gleichgewicht zurückschwingt. Ich wüsste nur zu gern, ob sich nachfolgend entwickelnde Intelligenzwesen klüger verhalten werden, oder ob Intelligenz und Selbstbewusstheit immer so enden.

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Überzeugen Sie mich, dass ich Unrecht habe. Bitte!


Der Dalai Lama in WAT

Nun war der Dalai Lama also sogar in unserem kleinen Städtchen Wattenscheid. Obwohl mir Fandom und Verehrungsgesten fern liegen, habe ich es mir nicht entgehen lassen, mich zu den Schaulustigen zu gesellen, die den Besuch seiner Heiligkeit im Kindergarten St. Nikolaus begleiteten (schade, dass er nicht in dem meines Sohnes war). Aus ca. 30 m Entfernung habe ich ihn dann auch persönlich zu Gesicht bekommen.

Der Eindruck? Nicht viel anders als beim Betrachten eines Fotos, da fehlen mir wohl besondere Sensibilitäten. Interessant aber war, mit welcher Andacht die etwa 500 Menschen draußen auf ihn warteten und wie begeistert, ohne damit zu übertreiben, sie reagierten. Das zeigte mir - wenn auch äußerst indirekt - wie dieser Mann bewegen kann. Wie Charisma, Überzeugung und Spiritualität bewegen können - und sei es durch nicht mehr als durch die kleinste Geste. Der Mensch - animal spirituale ?!

Spannend, einsichtsreich, signifikant ... auch wenn es nur eine so kleine Sache war ....

Freiheitsredner - eine wichtige Sache

Erinnern Sie sich noch an das Bohei um die Volkszählung in den Achtzigern? Mann, was war das für ein Zirkus um die paar harmlosen Fragen, die man damals den Bürgern stellen wollte. So sollte man zumindest in der Rückschau meinen, wenn man heute mal genauer hinliest, was erstens der Staat wie selbstverständlich an Daten über seine Bürger erhebt und was diese Bürger zweitens freiwillig über Web 2.0-Dienste, Payback-Rabatt-ist-geil-Punkt-Systeme oder die allfälligen Social Networks so von sich freigeben. Gut, dass wir alle nix zu verbergen haben!

Oder?

Nun, zu verbergen habe ich natürlich nichts ... aber dass ich neulich Dingens gekauft habe ... und den halben Vormittag auf dieser einen Site unterwegs war ... und dieser blöde Witz, in der Mail an diese Person; nee, da möchte ich doch nicht, dass jemand das weiß. Das waren nur Albernheiten und eine kleine peinliche Sache ... aber so gesehen, habe ich doch was 'zu verbergen'. Was ist jetzt erst mit der Verknüpfung wichtiger Daten? All die werden in der schönen neuen Informationswelt erhoben und gespeichert. Und gelesen! - jede beknackte SMS, jeder E-Cash-Vorgang und auch, dass Sie nur ein einziges Mal und aus bloßer Neugier auf diesen Link geklickt haben, der Bartverlängerungen anbietet ... Informieren Sie sich einmal beim Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

Unter www.freiheitsredner.de finden Sie einen Sammelpunkt von Bürgerinnen und Bürgern, die das alles nicht einfach so mit sich machen lassen wollen, die das Recht auf echte Hoheit über die eigenen Daten einklagen und die versuchen, andere Menschen dafür zu sensibilisieren.

Schauen Sie einmal vorbei. Besonders wenn Sie in der Position sind, Informationen über Datensicherheit und Datenschutz gegenüber anderen Menschen zu thematiisieren: als Lehrerin, als Tutor, in Gewerkschaften und Verbänden, als Weiterbildnerin, in (Selbst-)Verwaltungsgremien, in Vereinen und auch am Stammtisch. Bei den Freiheitsrednern können Sie Rednerinnen und Redner buchen, die ehrenamtlich zu Ihnen kommen und kompetent über das Thema Datenschutz, insbesondere die bevorstehende Vorratsdatenspeicherung, sprechen.

Oder Sie werden selbst zu einer Freiheitsrednerin. Erich Follath beschreibt diese Woche im Spiegel, dass es bald eine "Demokratie ohne Volk" geben könne. Demokratie lebt in der Tat von der Teilnahme - bspw. als Freiheitsrednerin, schon damit die Mächtigen, die ja immer mitmachen werden, nicht tun und lassen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Eine Kontaktmail genügt und Sie sind dabei. Keine Angst vor dem Mitmachen, die Freiheitsredner und der Foebud e. V. (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V., 2008 ausgezeichnet mit der Theodor-Heuss-Medaille) unterstützen Sie mit Rat und Tat und vor allem Argumentationsmaterial bis hin zu ausgefertigten Reden.

Ehrenmitgliedschaft des Dalai Lama

Die polyoinos-Gruppe (polyoinos.de, polyoinos.com, polyoinos.net) verleiht dem Dalai Lama aufgrund seiner Verdienste um Frieden, Humanität und das spirituelle Wesen des Menschen die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit.

Diplomatische Vertreter der Volksrepublik China werden aufgefordert, etwaige Einsprüche über das Kontaktformular anzumelden, wo diese die gebührende Würdigung in der Rundablage finden werden.

"Noch nie wurde soviel geschrieben wie heute",

sagt laut WAZ die Germanistikprofessorin Karin Pittner von der RUB. Sie meint damit die Veränderung der Kommunikation durch die Computervernetzung (computer mediated communication, CMC), also die schriftliche Kommunikation über Mail, Chat, SMS, die auch die, "die früher nicht schrieben" dazu brächte, sich heutzutage mehr und mehr schriftlich auszudrücken. Das ist sicherlich so und ich finde es gut, dass es so ist!weiter ...