Gedanken über den Kampfsport
Die Seite Gohshinkan.de, die anlässlich der Gründung eines neuen Schwertkampfstiles durch Uwe eingerichtet wurde, enthält schon jetzt eine ganze Reihe von Texten über das Wesen und die Philosophie der Kampfkünste und wird im Laufe der Zeit sicherlich noch anwachsen. Auch ich werde weiterhin dort publizieren - legen Sie sich doch einfach ein Lesezeichen an, und besuchen Sie uns dort ab und zu.
(Foto: Uwe
Schwesig)
Ich mache immer wieder
die Erfahrung, dass die Kampfkünste sehr kritisch
beurteilt werden. Die mehr oder weniger offen
ausgesprochene Kritik läuft darauf hinaus, dass die
Ausübung der Kampfkünste brutalisiere und dass die
Kampfkünste selbst Gewalt verherrlichten. Schade,
dass dies immer noch in so vielen Köpfen steckt,
obwohl alle traditionellen Kampfkünste eine
Philosophie vertreten, die auf Gewaltvermeidung
hinausläuft.
Der Gründer des Gohshinkan Ryu, Shihan Sensei Uwe
Hasenbein, fasst die den Kampfkünsten unterliegenden
Gedanken prägnant, leicht verständlich und in aller
möglichen Kürze zusammen. Ich empfehle Ihnen, sich
die Zeit zu nehmen, www.gohshinkan.de einmal zu
besuchen und die Gedanken auf sich wirken zu lassen.
Und zwar auch dann, wenn Sie mit dem Kampfsport gar
nichts am Hut haben, denn die dort vermittelte
Haltung hilft in allen Lebenszusammenhängen,
Übersicht, Ruhe, Gelassenheit und Frieden zu
bewahren.
Meine beiden ersten Beiträge zu Gohshinkan sind
Überlegungen zum Wesen des Kampfes, die Uwe und
ich gemeinsam verfasst haben, sowie ein kurzer
Beitrag über die ‚lohnenden Schwierigkeiten’, die
sich beim Erlernen von Qi Gong und Tai Chi
Chuan ergeben.
(Foto: Uwe
Schwesig)
Obama und die Folterfotos - ein ethischer Exkurs
Barack Obama hat also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos aus Abu Ghoreib und anderen Lagern untersagt. Und die Gutmenschen dieser Welt prügeln jetzt auf ihn ein. Die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU steckt Obama jetzt sogar mit Ex-Präsident Bush in einen Sack und behauptet, er mache sich damit mitschuldig an den Folterdelikten.
Der Mitbegründer der Soziologie Max Weber (1864-1920) hätte das sicherlich als Beispiel aufgegrifffen, würde er seine berühmte Schrift „Was ist Politik?“ heute verfassen. Darin geht es unter anderem um die gegensätzlichen Paare Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Was Obama betreibt ist Verantwortungsethik, was die Kritiker aber von ihm verlangen ist ein Handeln nach den Grundsätzen der Gesinnungsethik.
Die Situation ist so, dass bekannt ist, dass die USA in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terror selbst zu Terroristen geworden sind und unter anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch das Folterverbot in hohen Fallzahlen missachtet haben. Beweise gibt es dafür zuhauf, unter anderem auch zahlreiche publik gewordene Fotodokumente. Das ist gut so! Und ungemein wichtig, denn es zeigt, dass auch eine Supermacht zumindest nicht unerkannt mit so schweren Verbrechen davon kommt.
Jetzt verweigert der derzeitige Präsident der USA also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos und verhindert damit die lückenlose Information der Weltöffentlichkeit. Die Gesinnungsethik besagt nun, dass eine ethisch gebotene Handlung in jedem Fall durchgeführt werden muss, egal, was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Obama muss nach gesinnungsethischer Anforderung alle Fotos auf den Tisch legen. Die Gesinnungsethik gibt klare, unmissverständliche Anweisungen und erlaubt keinerlei Wischiwaschi.
Die Verantwortungsethik hingegen fragt nach den Konsequenzen einer ethisch gebotenen Handlung. Im Fall Folterfotos ist auch für die Verantwortungsethik klar, dass das Gebot lautet: Publik machen! Aber, so fragt diese Ethik weiter, was würde dann passieren? Obamas Antwort lautet, das Ansehen der USA würde weiter sinken, sein Kurs der weltweiten Bemühungen um eine friedlichere Welt würde torpediert, in direkter Konsequenz würde es zu weltweitem Aufruhr kommen, der höchstwahrscheinlich in zusätzliche terroristische Angriffe münden würde, die eine unabsehbare Zahl von Menschen, US-Amerikaner und andere, das Leben kosten würde. Also hält er die Bilder unter Verschluss.
Was ist richtig? Die Gesinnungsethik ist so schön eindeutig ... und so lebensfremd. Gesinnungsethik - das ist beispielsweise das Gebot, immer und unbedingt nicht zu lügen. Nie halbwahre Komplimente machen, keine Notlügen, keine Ausflüchte und den Chef ungeschminkt auf seine Dummheit und Ungerechtigkeit hinweisen. Oder, extremer gesagt, wenn man 1943 einen versteckten Juden im Keller sitzen wüsste, auf entsprechende Fragen der Gestapo wahrheitsgemäß zu antworten ...
Die Verantwortungsethik ist dagegen ein wenig schmuddelig. Sie laviert immer so ein bisschen herum, macht Ausflüchte, lässt Fünfe gerade sein und erlaubt Ungerechtigkeiten. Sie lässt sich auch leicht missbrauchen („Klar verschweige ich meine Affäre, meine frau würde mich verlassen und ewas wäre dann mit den Kindern?“. Aber sie belügt auch die Gestapo und rettet den Juden.
Was ist richtig? Im Falle Folterfotos ist es so, dass die Welt weiß, was die USA getan hat. Sie weiß auch wie es aussieht, was die USA und ihre Unterstützer in Irak, Polen und anderswo getan haben, denn es wurden hunderte von Fotos mit Folterbeweisen veröffentlicht.
Wenn uns jetzt ein paar hundert mehr verborgen bleiben, dann werden sich Presse und NGOs noch bis schätzungsweise nächsten Dienstag darüber aufregen, dann ist die Sache gegessen - gegessen allerdings ohne, dass vergessen würde, dass die USA gefoltert haben. Es wird ja nichts Grundsätzliches vertuscht, sondern nur weitere Details. Dafür bleiben ein paar Dutzend Selbstmordattentäter vielleicht zuhause und eine ganze Reihe Kalaschnikows unbenutzt.
Die Verantwortungsethik ist dem menschlichen Verhalten einfach angemessener als die Gesinnungsethik. Es gibt keine absolute Gerechtigkeit und der Mensch kann mit schonungsloser Offenheit und Wahrheit in sozialen Angelegenheiten nicht leben. Dass die Verantwortungsethik schmuddeliger ist, ist uns ebenfalls angemessen. Wir sind auch alle ein bisschen schmuddelig in unserem ethischen Verhalten, oder?
Der Realismus von Hellboy (und Fantasy überhaupt)
Urs Jenny schrieb im SPIEGEL vor zwei Wochen erst darüber, wie wenig die Fantasy mit der Realität zu tun hat, dass sie dazu dient, uns aus unserer trostlosen echten Welt ins Anderland flüchten zu lassen: „Die Fantasy-Literatur dagegen lockt mit Lebensfülle und satten Farben, mit einer Menagerie von Fabeltieren, mit glutäugigen Vampiren, ätherischen Elfen und drolligen Zwergen.“ Lieber Herr Jenny, die Fantasy arbeitet nur mit exotischen Bildern und Themen, aber sie erzählt doch über nichts anderes als die reale Welt und die echten Menschen!
In Hellboy II gibt es eine wunderbar kitschige Szene, in der sich Teufel und Wassermann voller Liebeskummer betrinken und gemeinsam Barry Manilows „Can´t smile without you“ singen (hier der Song und ein paar Bilder in einem YouTube-Video). Deutlicher kann man wohl kaum ausdrücken, dass all die Fabeltiere, Vampire, Elfen und Zwerge nichts anderes sind als Menschen wie wir. Sicher, oft sind sie reduziert auf einen oder wenige Aspekte - das absolut Böse, Gute, Kluge oder Dumme - aber es sind Menschen. Derartige Reduktionen kennt die realistische Literatur aber gleichermaßen, wenn sie irgendetwas auf den Punkt bringen will.
Man könnte zwar mäkeln,
dass die Fantasy oft den Holzhammer auspackt und ihre
Aussagen manchmal mit wenig Subtilität und Finesse
trifft oder dass eine Szene wie die genannte wegen
ihres Kitsches nicht ‚den‘ Ansprüchen genügt. Aber
über Geschmack lässt sich bekanntlich schlecht
streiten und ob hunderteseitenlange
Deskriptivergüsse, wie in Grass´ Ein weites
Feld, der Erzählweisheit letzter Schluss sind,
wäre genauso ein möglicher Diskussionsanlass. Die
Qualitätsdiskussion ist eine andere.
Aber die Qualitätsfrage ist auch gar nicht die, die
im Zusammenhang mit Fantasy üblicherweise zuerst
thematisiert wird, sondern die unterstellte
Belanglosigkeit des Genres, die aus der Irrealität
seiner Themen und Figuren abgeleitet wird: Die
Beschäftigung mit den Welten von Magie und Drachen
lohnt nicht, weil es diese nicht gibt, wir also
nichts von ihnen lernen können. Schwachsinn!
Wovon sollen denn bitte die Schriftsteller und
Regisseure der Fantasy erzählen, wenn nicht von der
Realität? Fantasymotive sind nichts anderes als die
Verfremdung und Fokussierung menschlicher,
realweltlicher Themen. Das Spiel mit Legende, Mythos
und Phantasie dient dazu, durchzudeklinieren, was die
Künstler und ihr Publikum bewegt. Oder, wie es die
wunderbare Ursula Le Guin formuliert: „Realismus ist
vielleicht das am wenigsten geeignete Mittel um
unsere unglaubliche Realität zu verstehen oder
darzustellen. Ein Wissenschaftler, der im Labor ein
Monster erschafft; ein Bibliothekar in der Bibliothek
von Babel; ein Zauberer, der daran scheitert, einen
Zauberspruch zu wirken; ein Raumschiff in
Schwierigkeiten auf seiner Reise nach Alpha Centauri:
All dies sind präzise und grundlegende Metaphern der
Bedingungen der menschlichen Existenz.“
Man muss nur für die kurzen Augenblicke von Lektüre
und Filmgenuss den Unglauben aussetzen lassen, dann
lernt man von der Phantastik nicht weniger als in der
Philosophievorlesung.
“Can´t smile without you ...“
Ach ja, noch etwas: Del Toro drehte Hellboy
I und II, vor allem aber Pans
Labyrinth - ich glaube, da können wir uns bei
der Verfilmung von Der Hobbit auf etwas
Besonderes freuen ...
Elbenwaldspektakel 2009
Das Programm umfasst
wieder jede Menge Workshops sowie das „Who is Who der
Deutschen Fantasy“ (hey, es ist cool dazu dazugezählt
zu werden). Auftritte und Lesungen gibt es von Thomas
Finn, Markolf Hoffmann, Bertholder der Erzähler,
Friedhelm Schneidewind, Marvin Clifford, Oscar
Pannier; und ich werde auch lesen. Musik gibt es von
Versengold und Shelmish.
Ich werde einen Vortrag über „Gewalt in der Fantasy“
halten, in den natürlich die Ergebnisse aus
meiner Analyse von „Der Herr der Ringe“
einfließen. Thema Nr. 2 wird sein: "Fantasy, Märchen,
Sagen, Mythen - Unterschiede und Gemeinsamkeiten".
Womit ich mich an der beliebten Lagerfeuerlesung in
der Nacht zum Sonntag beteilige weiß ich noch nicht.