Kreativität

Intuition und Kreativität

Wie wohl jeden Kreativen fragen mich auch immer wieder Menschen: „Wo holst Du das eigentlich alles her?“ Intuition ist wohl die passende Antwort auf diese Frage, denn ich höre oft einfach darauf, was mir, woher auch immer, in die Gedankenwelt steigt. Zu einem Großteil hole ich „das alles“ zwar über harte Arbeit „her“, indem ich recherchiere und daraus dann Texte zusammenstelle. Zumindest funktioniert das so bei allen Sachtexten und Auftragsarbeiten. Aber die fiktionalen Texte speisen sich zwar aus einer ganz guten Allgemeinbildung und umfangreicher Lese- und sonstiger Erfahrungen, doch dann sprudeln sie einfach heraus.

Nehmen Sie zum Beispiel die Geschichte von dem französischen Archäologen, der den Ring wieder entdeckt; die entstand in vier Stunden, in denen ich einfach runterschrieb, was mir in den Sinn kam. Oder das Märchen von „Einöhrlein, Zweiöhrlein und Dreiöhrlein“. Dessen Grundidee entstand in einem Workshop, aber die erzählte ich nur abends kurz beim Bier. Einen Tag später kam es zu einer spontan organisierten Lesung, für die ich keine passende Geschichte hatte. Es waren zwei Stunden Zeit, eine zu schreiben: Die Öhrlein haben dann das Licht der Welt in 40 Minuten erblickt.

Danach hatte ich weder Zeit Korrektur zu lesen oder gar am Text zu feilen. Es war sogar so, dass ich ihn nicht einmal mehr lesen konnte und dass das erste Lesen sofort vor Publikum stattfand. Dafür war es ein großartiger Erfolg und ich musste mehrfach unterbrechen, weil das Lachen einfach nicht abebben wollte.

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Beim Lesen bemerkte ich erst, wie viele Dinge eigentlich in der Geschichte steckten. Klar, die Handlung war schon durchdacht, das Schicksal der drei Protagonisten überlegt und das Ende geplant. Dass aber praktisch jeder zweite Satz einen mehr oder weniger feinen Witz enthielt, das war mir beim Schreiben gar nicht aufgefallen. Die „außerordentliche Ruhe“ am Anfang der Story, die besondere Form des „Tuschelns“, das „satte Rülpsen“, die beim Vorlesen ununterscheidbare Wiederholung „Dreiöhrlein“ und „seine drei Öhrlein“ – das kam alles intuitiv aufs Papier. Auch die Übernahme von märchentypischen repetitiven und kettenhaften Momenten war zwar gewollt, floss aber von alleine in den Text.

Nun ist die Entstehung dieses kleinen Märchens auch für mich ein Extrembeispiel an Schreiberfahrung gewesen, das aber doch nicht so unterschieden von meinem sonstigen Erleben ist. Ständig staune ich beim Korrekturlesen eigener Texte, was sich dort alles an ungeplanten Kleinigkeiten findet und die Aussage oder Absicht eines Textes gut, manchmal perfekt, unterstützt, ohne dass es in der Form zuvor ausgedacht worden war. Erklären kann ich mir das nur durch Intuition und die Kraft des Unterbewusstseins.

Der langen Rede kurzer Sinn ist, dass ich Sie durch den kleinen Erfahrungsbericht ermuntern möchte, dies auch in Ihrem Schaffen zuzulassen. Hören Sie auf das, was aus Ihnen herausdrängt und lassen Sie es zu. Zumindest dann, wenn Sie kreativ sind, denn falsch und richtig gibt es dabei nicht. Was Sie dann doch nicht vertreten können, können Sie ja immer noch wieder streichen. Wenn Sie es aber gar nicht erst rauslassen, haben Sie vielleicht manche Perle verschluckt ... wäre doch schade, oder?


Al Jarreau oder Vom Glück, das die Kunst beschert

Gestern Abend durfte ich in der Jahrhunderthalle in Bochum Al Jarreau und Band zuhören - das war soooo guuut ... Musik und Kunst können unmittelbar glücklich machen! Ich hoffe, das wissen Sie aus eigener Erfahrung.


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Die Stimme dieses Mann dringt unmittelbar in meine Seele ein - jedesmal, schon auf dem iPod - und löst dort Glücksgefühle aus, ganz, als legte er einen Schalter um; es ist fast unglaublich. Ich unterschreibe jederzeit, dass die Stimme dieses Mannes „one of the most precious treasures of this world“ ist.

Andererseits ist diese beglückende Wirkung aber vielleicht doch ganz gut glaublich, denn ist dieser unvermittelte Effekt mitten hinein in das Emotionszentrum nicht das Wesen aller Kunst? Natürlich nicht jede künstlerische Ausdrucksform bei jedem Menschen, aber hat nicht jeder von uns mindestens einen Punkt, wo ihn die Erzeugnisse menschlicher Kreativität unmittelbar berühren? Das mag bei der einen eine bestimmte Art von Skulpturen sein, beim anderen Gemälde, beim dritten Musik, bei der vierten Buch und Gedicht und bei wieder anderen Schauspiel, Varieté, Artistik. Und viele von uns erleben es gleich mehrfach und in verschiedenen Genres ...

Im Falle der Musik scheinen aber besonders viele Menschen ‚anfällig‘ für die Wirkungen der Kunst zu sein. Lange nicht jeder malt oder fotografiert bzw. sieht sie sich an. Viele lesen nicht. Aber richtige Musikmuffel gibt es meines Eindrucks nach kaum. Musik scheint universell zu berühren.

Die Wissenschaft untermauert das übrigens: Unter dem Titel „Weltsprache Musik“ berichtet wissenschaft.de, von der überkulturellen Verständlichkeit von Musik: „Musik ist eine Sprache, die anscheinend weltweit verstanden wird: Selbst Angehörige von Naturvölkern, die nie zuvor Kontakt mit westlicher Musik hatten, können die emotionalen Anteile darin auf Anhieb identifizieren.“

Hmm, was sagt uns das? Wohl zuerst, dass wir Menschen eben doch alle gleich gestrickt sind, egal ob weiß, gelb, schwarz, rot, Mann, Weib; zumindest in unseren grundlegenden Anlagen. Denn ob es nun Hiphop oder Klassik sind, Schlager oder Jazz, die einen berühren, das ist egal. Rhythmus und Tonlagen kommen an, bei dem einen dieser Rhythmus, bei dem anderen jener. Bei mir war es gestern in ganz, ganz hohem Maße der Jazz von Mr Jarreau ...

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Was dabei berührt, sind Schönheit und eine situationsbedingte Stimmigkeit, die mit der jeweiligen Stimmung korrespondiert - oder sie konterkariert -, die man gerade sucht oder zu meiden versucht. Ästhetik und Emotion - die Basisparameter der Musik wie der Kunst überhaupt. Antrieb und Ausdruck der künstlerischen Kreativität.

Losgelöst von einem im Alltäglichen verhafteten, konkreten „Wozu?“ oder „Um zu ...“ spricht die Kunst die Seele unmittelbar an. Und erzeugt Glücksgefühle. Macht glücklich, Heitert auf, Lindert Leid. (Dass sie andererseits auch negativ verstärken können ist mir bewusst, aber nicht das, was ich meine.) Und Negatives ist schon gar nicht das, was der gestrige Abend in mir ausgelöst hat.

Versuchen Sie es bei Gelegenheit mal mit einer 20-minütigen Interpretation von „Take Five“. Oder mit einem Galerie- oder Museumsbesuch, gutem Kino, einer Lesung, dem Zirkus. Nur denken Sie daran, sich regelmäßig der Kunst auszusetzen! Oder Sie - noch besser - selbst zu üben. Wir sind nicht nur hier, um zu essen und zu arbeiten ...