Obama bekommt Friedensnobelpreis? Das ist gut ...

... auch wenn ich im ersten Augenblick dachte: Wofür, der hat doch noch gar nix erreicht? Aber der Nobelpreis, besonders der für den Frieden war noch nie ein Preis, der nur für Erreichtes verliehen wird, sondern immer schon auch, um als förderungswert erkannte Prozesse durch die enorme Publizität des Preises zu unterstützen. Und das hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen. Warum also nun nicht einmal an jemanden, der offenkundig gute Politik machen will, aber dafür gerade jetzt dringend unterstützt werden muss?

Sicher, mir wäre es lieber gewesen, wenn die chinesischen Dissidenten Hua Jia und/oder Wei Jingsheng, gerade jetzt, 20 Jahre nach dem Tiananmen-Massaker, den Preis bekommen hätten, doch das ist Gefühl. Die Ratio sagt: Wenn das schon ein politischer Preis ist, dann sollte er auch pragmatisch da eingesetzt werden, wo er etwas bewirkt. Und die Unterstützung der Dissidenten würde durch eine Preisverleihung nicht mehr wesentlich weiter gestärkt werden; eher noch würde das Regime Chinas noch weiter auf stur schalten und die Repressionen wegen der vermehrten Öffentlichkeit erhöhen, um nur ja nicht schwach zu erscheinen.

Obama aber hat zwar noch nichts gemacht außer guten Plänen, aber diese sind in großer Gefahr.
- In der Außenpolitik werden Friedensbemühungen immer torpediert, aber die zusammengewachsene Welt ist auch immer mehr durch die öffentliche Meinung beeinflussbar. Obama versucht nun wirklich, ausgleichend zu wirken und gerecht zu vermitteln, besonders im Nahen Osten. Mehr hat Jimmy Carter auch nicht getan, und der wurde auch Preisträger. Bei Obama in seiner derzeitigen Machtposition besteht die Chance, dass die Friedensbemühungen sich nachhaltiger auswirken und wenn nicht, hat Oslo zumindest ein frühes Zeichen gesetzt.
- In der Innenpolitik geht es Obama um Gerechtigkeit und soziale Belange, wie sie in einer so ungleich ausgestalteten Gesellschaft wie den USA bitter nötig sind. Warum also auch nicht hier ein Zeichen für den Wandel setzen? Das wird die Republikaner des rechten Flügels als Einmischung von außen natürlich noch mehr aufbringen, aber die könnten den Päsidenten sowieso nicht mehr hassen, als sie es eh schon tun. All jene aber, die nicht so verbohrt sind, werden moralisch unterstützt, wenn 'ihr' Staatsoberhaupt diese vielleicht anerkannteste Auszeichnung erhält, die man auf der Welt bekommen kann.

Lustig ist es, gerade jetzt, eine Stunde nach Verkündung der Entscheidung, Obama und Friedensnobelpreis zu googeln, und dann auf all die vorher erschienenen Artikel zu stoßen, in denen geweissagt wurde, dass es viel zu früh sei, ihm jetzt den Preis zu verleihen.

Ja, es wäre zu früh, ihm den Preis zu verleihen, wenn wirklich das Ergebnis das Wichtigste des Friedesnobelpreises wäre (in den Naturwissenschaften ist es das), aber das ist ja eben nicht mehr das Wichtigste; der Preis ist ein Fanal der politischen Einmischung geworden. Es ist gefährlich, den Friedensnobelpreis zu diesem Fanal gemacht zu haben, aber dieses Jahr ist es noch mal gutgegangen, denn es hat den Richtigen getroffen.


Foto am 09-10-2009 um 12.26

Obama und die Folterfotos - ein ethischer Exkurs

Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik? Den bringt uns gerade der Präsident der USA wieder nahe und das finde ich sehr interessant.

Barack Obama hat also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos aus Abu Ghoreib und anderen Lagern untersagt. Und die Gutmenschen dieser Welt prügeln jetzt auf ihn ein. Die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU steckt Obama jetzt sogar mit Ex-Präsident Bush in einen Sack und behauptet, er mache sich damit mitschuldig an den Folterdelikten.

Der Mitbegründer der Soziologie Max Weber (1864-1920) hätte das sicherlich als Beispiel aufgegrifffen, würde er seine berühmte Schrift „Was ist Politik?“ heute verfassen. Darin geht es unter anderem um die gegensätzlichen Paare Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Was Obama betreibt ist Verantwortungsethik, was die Kritiker aber von ihm verlangen ist ein Handeln nach den Grundsätzen der Gesinnungsethik.

Die Situation ist so, dass bekannt ist, dass die USA in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terror selbst zu Terroristen geworden sind und unter anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch das Folterverbot in hohen Fallzahlen missachtet haben. Beweise gibt es dafür zuhauf, unter anderem auch zahlreiche publik gewordene Fotodokumente. Das ist gut so! Und ungemein wichtig, denn es zeigt, dass auch eine Supermacht zumindest nicht unerkannt mit so schweren Verbrechen davon kommt.

Jetzt verweigert der derzeitige Präsident der USA also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos und verhindert damit die lückenlose Information der Weltöffentlichkeit. Die Gesinnungsethik besagt nun, dass eine ethisch gebotene Handlung in jedem Fall durchgeführt werden muss, egal, was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Obama muss nach gesinnungsethischer Anforderung alle Fotos auf den Tisch legen. Die Gesinnungsethik gibt klare, unmissverständliche Anweisungen und erlaubt keinerlei Wischiwaschi.

Die Verantwortungsethik hingegen fragt nach den Konsequenzen einer ethisch gebotenen Handlung. Im Fall Folterfotos ist auch für die Verantwortungsethik klar, dass das Gebot lautet: Publik machen! Aber, so fragt diese Ethik weiter, was würde dann passieren? Obamas Antwort lautet, das Ansehen der USA würde weiter sinken, sein Kurs der weltweiten Bemühungen um eine friedlichere Welt würde torpediert, in direkter Konsequenz würde es zu weltweitem Aufruhr kommen, der höchstwahrscheinlich in zusätzliche terroristische Angriffe münden würde, die eine unabsehbare Zahl von Menschen, US-Amerikaner und andere, das Leben kosten würde. Also hält er die Bilder unter Verschluss.

Was ist richtig? Die Gesinnungsethik ist so schön eindeutig ... und so lebensfremd. Gesinnungsethik - das ist beispielsweise das Gebot, immer und unbedingt nicht zu lügen. Nie halbwahre Komplimente machen, keine Notlügen, keine Ausflüchte und den Chef ungeschminkt auf seine Dummheit und Ungerechtigkeit hinweisen. Oder, extremer gesagt, wenn man 1943 einen versteckten Juden im Keller sitzen wüsste, auf entsprechende Fragen der Gestapo wahrheitsgemäß zu antworten ...

Die Verantwortungsethik ist dagegen ein wenig schmuddelig. Sie laviert immer so ein bisschen herum, macht Ausflüchte, lässt Fünfe gerade sein und erlaubt Ungerechtigkeiten. Sie lässt sich auch leicht missbrauchen („Klar verschweige ich meine Affäre, meine frau würde mich verlassen und ewas wäre dann mit den Kindern?“. Aber sie belügt auch die Gestapo und rettet den Juden.

Was ist richtig? Im Falle Folterfotos ist es so, dass die Welt weiß, was die USA getan hat. Sie weiß auch wie es aussieht, was die USA und ihre Unterstützer in Irak, Polen und anderswo getan haben, denn es wurden hunderte von Fotos mit Folterbeweisen veröffentlicht.

Wenn uns jetzt ein paar hundert mehr verborgen bleiben, dann werden sich Presse und NGOs noch bis schätzungsweise nächsten Dienstag darüber aufregen, dann ist die Sache gegessen - gegessen allerdings ohne, dass vergessen würde, dass die USA gefoltert haben. Es wird ja nichts Grundsätzliches vertuscht, sondern nur weitere Details. Dafür bleiben ein paar Dutzend Selbstmordattentäter vielleicht zuhause und eine ganze Reihe Kalaschnikows unbenutzt.

Die Verantwortungsethik ist dem menschlichen Verhalten einfach angemessener als die Gesinnungsethik. Es gibt keine absolute Gerechtigkeit und der Mensch kann mit schonungsloser Offenheit und Wahrheit in sozialen Angelegenheiten nicht leben. Dass die Verantwortungsethik schmuddeliger ist, ist uns ebenfalls angemessen. Wir sind auch alle ein bisschen schmuddelig in unserem ethischen Verhalten, oder?


Starke, schmale Schultern

blossoms

Wow, muss der starke Schultern beweisen, und dass wo sie so schmal aussehen, die Schultern des 44. Präsidenten der USA ...

Als ich so durch die Fotos der Inauguration blätterte, die derzeit auf einen einprasseln, dachte ich nur daran, unter welchem enormen Druck dieser Mann steht, der von Millionen, vielleicht Milliarden von Menschen mit messianischen Hoffnungen befrachtet wird. Wie will er dem gerecht werden? Anders als Frodo, dem sein übermenschlich starker Wille allein genügte, würde Barack Obama nicht einmal ein solcher Wille hinreichende Stärke verleihen.

Der sogenannte mächtigste Mann der Welt ist auf dermaßen viele Zu- und Mitarbeiter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen, dass sein möglicher Erfolg zu mehr als 95 Prozent von anderen abhängt. Er kann nicht mehr sein als das Brennglas, das die Energien des Landes (und vielleicht eines großen Teiles der Welt) bündelt und so den allgemeinen Neuanfang ermöglicht.

Der erste Tag beeindruckt mich schon einmal: Die Art und Weise, in der er das Weiße Haus übernahm und die Mitarbeiter/innen einschwor und ihnen Grenzen setzte, das hatte was. Er wird sich schon damit erste Feinde gemacht haben. Und er wird sich noch viele Feinde machen müssen. Lassen Sie ihn erst einmal zwölf Monate so weiterwirken und der Secret Service wird allen Grund haben, sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen.

Aber es geht ja nicht anders. So kann es in den USA und der ganzen westlichen Welt nicht weitergehen. Nicht ökonomisch, nicht ökologisch, nicht gesellschaftlich, nicht auf der Ebene des allzu egoistischen Individuums. Wer da gegenlenken will, macht sich Feinde, denn ein derart umwälzender Wandel wird viele Unbequemlichkeiten bringen und manche Pfründen unterpflügen.

Das geht nur, wenn die Menschen in den USA mitziehen. Und da wir Otto Normalverbraucher in Deutschland ebenso wie Joanna in Gabun, Cheng in China und Maria in Argentinien ebenso davon abhängen, dass sich in den USA was ändert, damit sich auf der Welt was ändert, müssen wir alle, auf allen Kontinenten ebenso mitziehen. Bescheidener werden - in materieller Hinsicht. Optimistischer werden - in sozialer Hinsicht. Glücklicher sein - in spiritueller Hinsicht (ob als Atheist oder Gläubige).

Diese starken, schmalen Schultern müssen wir stützen, auch wenn der Mann noch so strahlend und erfolgreich scheint. Good luck, Mr. President!

blossoms

Eine gute Wahl!

Barack Obama also - ein gute Wahl!

Ich werde gleich meinen Sohn in den Kindergarten bringen und, nein, dann werden die Bäume nicht über Nacht neu ergrünt sein und die herbstlichen Beete werden nicht in frühlingshafter Blumenpracht erstrahlen. Aber es war eine gute Nacht, mit einem Wahlergebnis, das der ganzen Welt gut tun wird.

Und auch in den USA wird nun kein „winter of love“ anbrechen. Die Amerikaner werden weiterhin vornehmlich ihren meist zu adipösen Bauchnabel betrachten, sie werden weiterhin die Umwelt über die Maßen belasten, ihre unzähligen, unnützen Waffen nicht weglegen und weiterhin werden sie selbst für sie das Maß aller Dinge sein. Es bleiben eben die guten/schlechten alten USA.

Aber diese Wahl wird den Menschen Hoffnung geben. Es ist eine banale Aussage gewesen, dieses „Yes, we can“, aber der Mann, der sie traf und die Menschen, die nur zu begierig darauf setzen, dass „wir es können“, die drücken damit eine sehr starke Emotion und einen Glauben aus, der sich wirklich in positivem Aufbruch entladen könnte.

Und wenn die Amerikaner nur aufhören, den Bremser in wirtschaftlichen, ökologischen und diplomatischen Entwicklungen zu spielen, dann ist schon viel gewonnen. Wenn diese im Kern starke und optimistische Nation auch noch zum Motor guter Entwicklungen wird, dann können wir wirklich weltweit etwas verbessern. Die Türen wurden in dieser Nacht weit aufgestoßen - God bless America ...