Artenschutz

Der Wert des Lebens

Leben ist wertvoll, mindestens das eigene, sicherlich auch das von Familie und Freunden und für die allermeisten Menschen auch das der Menschen überhaupt und auch das Leben von Tieren und Pflanzen, wenigstens, das des eigenen Hundes, Ponys oder Rosengartens. Das meine ich aber nicht, sondern den Wert des Lebens als konkrete ökonomische Größe. Denn dieser wirtschaftliche Wert ist es, der in der Diskussion um Biodiversität, also der Diskussion über die Vielfalt des Lebens unserer Erde und den Artenschutz, immer stärker ins Spiel gebracht wird; gerade auch jetzt, wo die Artenschutzkonferenz in Bonn ab dem 19. Mai bevorsteht.

Welchen Wert hat das wertvolle Leben aber? Wenn man auf Umweltzerstörung, Waldrodung, 'moderne' Großlandwirtschaft und Urbanisierung schaut, hat es anscheinend keinen ganz so gewaltigen Wert. Aber es ist das uns umgebende Leben, dass unser eigenes, zumindest in der derzeitigen Form erst ermöglicht. Sie mögen Obst? Ohne Bienen keine Bestäubung und kein Obstanbau. Sie legen Wert auf sauberes Wasser? Ohne Schilfauen, Uferböschungen, Auwälder gibt es kein sauberes Wasser, denn Kläranlagen alleine reichen bei weitem nicht. Und wahrscheinlich wollen Sie ja auch essen und atmen ... Der Wert der Natur lässt sich also schon beziffern, etwa durch das Geld, das Sie für die Nahrung aufwenden - ein paar Cent fünfzig für industriell hergestelltes Billigschweinemett, ein paar Euro für hochwertig und artgerecht erzeugtes Fleisch, das aber auch gesünder für Sie ist. Was die Natur an Leistungen zur Verfügung stellt wird mit einem Wert von 33 Billionen Dollar jährlich beziffert (das Bruttoinlandsprodukt der Welt liegt bei 18 Billionen).

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Das ist zwar eine unromantische Betrachtung der Natur, aber so lässt sich andererseits ein Bewusstsein dafür wecken, dass die Umwelt und ihr Schutz gerade im monetären Sinne wertvoll ist. Und es zeigt sich, dass Umweltschutz zwar kostet, aber auch einen Mehrwert bringt. So hängt die Qualität unserer Atemluft entscheidend davon ab, dass in den großen - aber immer kleiner werdenden - Lungen unserer Welt, den Regenwäldern, Sauerstoff produziert und CO2 gebunden wird. Da ist es dann auch konsequent, dass Ecuadors Umweltminister fordert, dass der industrialisierte Norden der Welt dafür zahlt, dass das Land darauf verzichtet, im Regenwald Öl zu fördern und ihn damit zu zerstören.

Das klingt nach Erpressung? Ja, vielleicht; ist es aber nicht. Der ecuadorianische Staat hat gegenüber seinen Bürgern kostenintensive Aufgaben (Bildung, Soziales) zu erfüllen und braucht dafür Geld. Das nimmt er ein, indem er uns saubere Luft verkauft. Ansonsten verkauft Ecuador uns eben Öl und wir machen eben noch zusätzliche 12 oder 18 Monate mit ecuadorianischem Öl weiter wie bisher anstatt uns um die Umwelt und die Zeit nach dem Öl zu kümmern. Es ist unsere Wahl! Und keine Angst, das Geld kommt schon zurück, wenn Ecuador uns wiederum Laptops und Netzwerktechnik abkauft, um seine Bürger mit IT, Bildung und Kommunikationsmitteln zu versorgen (Autos zu exportieren, sollten wir vielleicht nicht anstreben, solange es noch die AudiBMWMercedesPorsche mit ihrem exorbitanten Verbrauch sind). Insgesamt gesehen ist der Tropenwaldschutz zwar teuer, aber immer noch eine der günstigsten Formen des Umweltschutzes.

Natürlich ist bei derartigen Geschäften einiges zu beachten. Etwa das die finanzielle Unterstützung der Regenwaldbesitzerländer keine Diktaturen unterstützen hilft; dass sie nicht dazu führt, dass zuhause weiter die Umwelt übermäßig belastet wird (denn man hat ja jetzt ein gutes Gewissen); dass die Empfängerländer ihren Teil des Handels auch wirklich einhalten usw. Aber Natur und die Biodiversität haben erstens einen bestimmten, auch in Geld messbaren Wert und es ist zweitens möglich, Geld im Erhalt von Leben und Lebensräumen anzulegen, was sich drittens als sinnvolle Investition spätestens für unsere Kinder herausstellen wird und viertens sogar zu einer gerechteren weltweiten Verteilung von Reichtum führt, was fünftens erwiesenermaßen die Welt sicherer macht.

Die Enzyklopädie des Lebens

Am Montag, den 19. Mai beginnt in Bonn die Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen. Es geht um die Bestandsaufnahme der Entwicklung des Lebens auf der Erde in den letzten 20 jahren und in der Zukunft. Denn um die ist es schlecht bestellt, das dauernd Tier- und Pflanzenarten aussterben weiß jedes Kind. Na und?

Was ist eigentlich der Wert der Biodiversität, also des Umstandes, dass das Leben in unterschiedlichen Formen und Arten auftritt? In allererster Linie liegt der Wert möglichst verschiedenartiger Lebensformen darin, dass das Leben dadurch insgesamt auf stabilerer Basis steht, denn Krankheiten sind meist spezialisiert auf bestimmte Lebensformen oder Gruppen von Lebensformen und die unterschiedlichen Arten bestehen gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen mal besser, mal schlechter, aber je unterschiedlicher das Leben auftritt desto größer ist sein Chance, Krankheiten und Umweltverschmutzung zu widerstehen. Monokulturen, das haben viele Epidemien gezeigt, gehen sehr leicht unter. Dazu kommt, dass Biodiversität für den Menschen auch in mindestens dreierlei Hinsicht wichtig ist: wir leben von Lebensformen, also ist es besser für uns, wenn es deren mehrere und gesündere gibt; wir lernen von Lebensformen in den Ingenieurs-, Bio-, und Medizinwissenschaften und je mehr da ist, von dem wir lernen können, desto besser ist es für unser Überleben; aber auch der ästhetische Wert intakter Natur für unsere seelische Gesundheit darf nicht unterschätzt werden. Als vierter Punkt wird in jüngerer Zeit auch der ökonomische Wert einer effektiveren Ausnutzung der Biodiversität betont, der dann gegeben ist, wenn aus größerer Vielfalt gewählt werden kann, um vermarktbare Produkte zu entwickeln.

Leider geht der Mensch äußerst effizient gegen die noch bestehende Biodiversifikation vor, indem er die Meere und Länder verschmutzt, urwüchsige Pflanzenwelt im Austausch für Felder und Weiden abholzt und zugunsten des Gewinns nichtorganischer Bodenschätze das Leben verdrängt. Wie reich das Leben (noch) ist, können Sie jetzt nach und nach mitverfolgen, wenn Sie die Website der Encyclopedia of Life (www.eol.org) im Auge behalten. Das hochambitionierte Projekt, das der Insektenforscher, Begründer der Soziobiologie und Umweltexperte Edmund O. Wilson ins Leben gerufen hat, verfolgt das Ziel, alle auf der Erde vorkommenden Lebensformen in einer riesigen Datenbank (Schätzungen gehen von bis zu 100 Millionen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten aus) mit je eigener Seite vorzustellen und zu beschreiben. Derzeit sind 25.000 Tier- und Pflanzenarten beschrieben und für 1 Million weitere liegen Grundinformationen vor; täglich werden es mehr. Ein wertvoller Wissensquell für alle Menschen, die am Leben und seinen Erscheinungsformen interessiert sind!