Von teilrationalen Eichhörnchen oder Warum Kopenhagen scheiterte
Für den Winter gilt es,
Nüsse zu sammeln, ...
Wir haben eine ganz
fatale, unheimlich riskante Evolutionsstufe erreicht:
Eine Menge intellektuelles Können gepaart mit nur
teilweiser Vernunft, die ständig von unserer
irrationalen Seite in Bedrängnis gebracht wird. So
sind wir halt, und die meisten wollen wohl auch nicht
anders sein, aber es wird immer wahrscheinlicher,
dass das die überwiegende Mehrheit von uns umbringt.
Was wir bräuchten, um die Erderwärmung zu stoppen,
ist eine umfassende internationale Zusammenarbeit,
die darauf basiert, dass Opfer gebracht werden
müssen. (Keine unerträglichen Opfer, aber doch
eindeutige Einschränkungen des Lebensstiles
einerseits und der Verzicht auf das Erlangen von
tollen Bequemlichkeiten und Lebensstilen, die andere
seit 50, 60 Jahren genießen, andererseits.)
Diese Opfer müssen zudem vor dem Hintergrund gebracht
werden, dass keinerlei fühlbarer Erfolg eintreten
wird. (Denn wir versuchen einen Zustand nicht
eintreten zu lassen, der in 50 bis hundert Jahren
fatal werden wird, bis dahin wird es sowieso
schlimmer werden.) Selbst wenn ein durchschlagender
Erfolg eintreten würde, würden wir den nur anhand von
Zahlen in Tabellen ‚erfahren‘ können. Das ist nichts,
was Begeisterung hervorruft und nichts, womit ein
Politiker auf den Marktplätzen in der Vorwahlzeit
Euphorie anfachen könnte.
Und bei diesen beiden Punkten - Opfer bringen müssen,
keine Erfolge verspüren - schlägt unser biologischer
Unterbau zu. Zuerst sind wir wie alle Lebewesen
Überlebensmaschinen. Dann sind wir soziale Wesen,
denn das verhalf uns in grauester Vorzeit zu besseren
Chancen im Überlebenskampf. Und dann sind wir auch
noch teilvernünftig, denn das verbesserte unser
Überleben ohne Klauen, Reißzähne und lange, schnelle
Beine noch einmal beträchtlich.
Als Überlebensmaschine sind alle Wesen darum bemüht,
die dafür nötigen Ressourcen zusammenzuhalten. So
auch wir. Wie das Eichhörnchen sammeln wir die
Nuss-Äquivalente, die wir brauchen, um durch den
harten Winter des Lebens zu kommen. Das Eichhörnchen
hört jedoch instinktiv mit dem Nüssesammeln auf, wenn
es genug zusammenhat, um den Winter zu überleben.
Wir können jedoch vorausdenken und uns überlegen,
dass ja vielleicht ein fauleres Eichhörnchen kommen
könnte, um unsere Nüsse zu klauen. Also sammeln wir
mehr. Teilweise tun wir das beispielsweise, um andere
Eichhörnchen zu bezahlen, die unseren Nussvorrat
bewachen. Außerdem können wir uns vorstellen, dass
ein Förster kommt und den Baum mit unserem Nussvorrat
fällt. Also legen wir weitere Lager auf anderen
Bäumen an; beispielsweise in Liechtenstein, wo es
keine Förster gibt. Insgesamt ist es aber schlecht,
zu viele Nüssen zu sammeln, die dann in Lagern
verrotten, weil wir sie gar nicht aufessen können,
denn ein Teil dieser Nüsse würde eigentlich benötigt,
dass neue Bäume wachsen können, die dann wieder Nüsse
spenden usw.
Als soziale Wesen sind wir zum Glück nicht völlig
dämlich, sondern teilen wenigstens unsere Nüsse.
Innerhalb der Familie, im Freundeskreis, und wenn
dann noch was übrig ist, mit dem Rest des Dorfes.
Aber nicht mit dem Nachbardorf, denn was haben wir
mit den Fremden von dort zu schaffen? Dieser
ursprünglich rein familiäre Bezug zum eigenen Rudel,
der eigenen Sippe ist ein biologisches Erbe, das wir
mit anderen Sippenwesen wie den Schimpansen teilen.
Schimpansen sind rührend besorgt innerhalb der Sippe,
Schimpansen ziehen gerne mal los und löschen eine
benachbarte Sippe von Schimpansen aus (um an deren
Nüsse zu kommen). Wie menschlich!
Jetzt haben wir uns aber außerdem noch zu ziemlich
effektiver Intelligenz hinentwickelt ... und damit
wird es fatal. Denn wir alleine können nun
Nuss-Sammelmaschinen bauen. Und die sind in den
letzten zweihundert Jahren unheimlich gut geworden.
So gut, dass wir jetzt alle Nüsse des Waldes in
Nullkommanix aufgesammelt haben. Ooops. Aber weil wir
so schlau sind, haben wir natürlich auch erkannt,
dass Letzteres ziemlich dämlich war. Also, schnell an
die Vorratslager gegangen und die Hälfte der Nüsse
wieder im Wald verteilen, damit neue Bäume angehen.
Es bleibt ja genug übrig für den Winter!
... aber wenn man das
übertreibt, gibt es bald gar keine mehr.
Außer natürlich hinten,
in der Schmuddelecke des Waldes, wo die Bäume sowieso
nicht so schön wachsen. Da haben sie jetzt aber auch
Nuss-Sammelmaschinen gebaut und stehen kurz davor,
auch mal sorgenlos durch den Winter zu kommen. Bloß -
wenn der Wald erhalten werden soll, dann ist es
nötig, dass die da hinten ihre Maschinen nicht
einsetzen. Und dass wir außerdem unseren halben
Nussvorrat aufgeben. Wir alle! (Aber man hört, dass
die da an der Teichschonung nur ein Viertel der Nüsse
abgeben wollen. Und im Buchenhaag auf der anderen
Waldseite, die wollen sogar gar nichts zurückgeben -
sagt man.) Da können wir also leider auch nix
abgeben, sonst wird unser Teil des Waldes vielleicht
auch zur Schmuddelecke. Wir sind es unseren Kindern
schuldig, die Nüsse zusammenzuhalten, denn die sollen
mal ein besseres Leben haben!
Und deshalb scheiterte Kopenhagen ...