Staatsphilosophie

Warum der Staat die Steuerhinterzieher-CD-ROM nicht kaufen darf

Ja, das wäre so richtig doppelt toll, wenn man die Personen, deren Namen auf der Schweizer Steuerhinterzieher-CD stehen, dieses Tatbestandes überführen und sie zahlen machen könnte. Der Staat hätte beträchtliche Zusatzeinnahmen (die er vielleicht sogar sinnvoll einsetzen würde) und außerdem würde ein klares Zeichen gesetzt, dass man auch die Großen zur Rechenschaft zieht. Aber leider geht das nicht.

Das menschliche Zusammenleben unterliegt Regeln, sonst würde das Recht des Stärkeren herrschen. Eine streng kodifizierte Form dieser Regeln sind die Gesetze und die Rechtsgrundsätze, auf denen sie beruhen. Ein in allen Rechtsstaaten gültiger Grundsatz ist, dass man unrechtmäßig erworbene Erkenntnisse nicht für die Strafverfolgung nutzen darf. Der Kauf von Diebesware ist so eine unrechtmäßige Form des Erwerbs.

Würde dieser Grundsatz nicht gelten, so träte unmittelbar wieder das Recht des Stärkeren in Kraft, nämlich der Einsatz der Macht desjenigen, der die Kraft oder die Mittel hat, beispielsweise Informationen aus jemandem herauszuprügeln. Und keiner hat mehr Macht, zu prügeln, als der Staat. Und aus rechtstheoretischer Sicht ist der Einkauf von Hehlerware ebenso Straftat, wie es der Einsatz eines Rollkommandos wäre, um besagte CD mit Gewalt an sich zu bringen (etwa durch die „Kavallerie“, die Herr Steinbrück vor knapp zwei Jahren in die Schweiz schicken wollte).

Besagte Rechtsgrundsätze sind Abwehrmittel gegen den Staat. Selbst gegen einen eher harmlosen Staat wie den deutschen (harmlos verglichen mit, sagen wir mal ... Russland oder China) brauchen die Bürger Abwehrmittel, darin ist sich alle Staatstheorie einig. Denn der Staat hat nun einmal unvergleichlich mehr Macht als alle Bürger und sämtliche Organisationen und muss deshalb wirksam eingeschränkt werden. Durch das Anlegen des Maßstabs der Menschenrechte etwa. Oder auch durch die strikte Einhaltung der in den letzten zwei-, dreihundert Jahren international entwickelten Rechtsgrundsätze.

Und deshalb muss Schäuble die Finger von der CD lassen.

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Ich habe mich auch gefreut - Freude = eine Emotion - als sie den Steuersünder Zumwinkel vor einem Jahr dermaßen vorgeführt haben. Aber falsch war es doch, sagt die Vernunft - Vernunft = Ratio -, denn auch damals dienten unrechtmäßig beschaffte Informationen als Grundlage für das Verfahren. Manchmal, gar nicht so selten sogar - leider -, muss man das Gefühl und sogar ein begründetes Gerechtigkeitsempfinden hintanstellen, um wichtigere Güter zu schützen.

(Außerdem, ich bitte Sie, wäre es doch wirklich nicht schwer, Steuersünder zu erwischen, wenn die Steuerfahndung personell gut ausgestattet wäre - die würden sogar ihren eigenen Lohn vielfach wieder einbringen. Aber da sind natürlich die verschiedenen Einflussgruppen - und natürlich die Klientelpartei FDP in toto - vor.)

Was jetzt geschehen wird, fragen Sie? Natürlich werden die die Scheibe kaufen. Und wieder ein Stückchen Rechtsstaat verraten. Unter dem Applaus der Bevölkerung ...