Bildungsfinanzbericht 2008 - traurig, traurig ...

Gerade wurde der Bildungsfinanzbericht 2008 veröffentlicht. Ganz frisch und deshalb noch ohne Kommentar von selbstbeweihräuchernder Politikerseite, die sicher hervorheben wird, dass die Bildungsausgaben seit 2005 bundesweit deutlich anstiegen.

wurm_drin


Ja, stimmt schon. Von beschämend niedrigem Niveau stiegen die Ausgaben auf viel zu niedriges Niveau. Denn die wichtigere Zahl ist der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dieser Anteil ist gesunken (vgl. S. 15). Das stellt nämlich in aller Deutlichkeit heraus, dass das deutsche Bildungsbudget klar hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückliegt.

Das ist aber für ein Land, das zunehmenden Fachkräftemangel erwartet, dass mangels anderer Rohstoffe vor allem auf sein ‚Humankapital’ (was für ein Wort) setzt und dass enorme politische Probleme kriegen wird, wenn der Lebensstandard, der in hohem Maße von der Bildung und Ausbildung seiner Bürgerinnen und Bürger abhängt, nennenswert sinkt, eine Entwicklung, die Politiker wohl „nicht hinnehmbar“ nennen würden - wenn nicht ein sehr großer in großen und kleineren Koalitionen versammelter Teil von ihnen an dieser Entwicklung aktiven Anteil hätte ...

Schade, dass dieser Befund auch wieder ohne Beachtung und Konsequenzen untergehen wird ...

Schulpolitik in NRW besinnt sich - gut!

Erst wollte ich ja voller bösartigen Lachens losbrüllen, als ich heute morgen las, dass die Regierung in NRW auf einmal dafür plädiert, Kinder schulisch doch nicht so unter Druck zu setzen und ihre Schullaufbahn mit „mehr Gelassenheit“ zu verfolgen. Aber jetzt freue ich mich doch, dass ein wenig Einsicht eingekehrt ist und lasse die Häme mal - weitgehend - außen vor.

Denn wer sagt denn da solche klugen Dinge? Die Regierung, die hier das Turbo-Abitur und eine allgemein dermaßen starke Straffung der Lehrpläne angeordnet hat, dass seitdem die Schulkinder in NRW einem außerordentlichen Lernstress ausgesetzt sind, der zu mittlerweile massiven Elternprotesten auch unserer leistungsbewussten Bevölkerungskreise führt. Und jetzt erkennen die gleichen Leute, dass ein ‚fit für den Arbeitsmarkt im Grundschulalter’ doch nicht der Bildungsweisheit letzter Schluss ist.

Gut - besser spät als nie! Und hoffentlich aus Überzeugung, und nicht nur weil in einem knappen Jahr Landtagswahlen sind. Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin schon davon überzeugt, dass Kindern viel lernen sollten und dass sie ein möglichst breites Wissensrüstzeug für ihr Leben brauchen. Aber ich weiß auch wie Lernen funktioniert. Lernen funktioniert gerade bei Kindern ganz hervorragend, wenn sie nur dazu angeregt werden, denn Kinder wollen prinzipiell immer alles wissen. Damit hören sie aber in dem Augenblick auf, wo ihnen das Lernen Angst macht.

Unlust und Unbehagen sind noch gar nicht die Punkte. Auch Kinder haben auf manche Dinge an manchen Tagen keinen Bock und wollen auch einmal die ‚mathematischen‘ Grundlagen des Dividierens und Multiplizierens nicht lernen. Aber sie kommen leicht darüber hinweg und lernen dann doch. Nur wenn sie Angst bekommen, dann machen sie zu. Genau wie wir Großen. Und Angst vor der nächsten Hausaufgabe oder Klassenarbeit entsteht genau dann, wenn sie unter Lernstress gesetzt werden durch beständige Prüfungen, die ungerechte Verteilung auf verschiedene Schulformen, den Primat eines wirtschaftskonformen Lebenslaufes im Alter von nicht einmal 15 Jahren usw.

Überhaupt: Anforderungen an einen ‚Lebenslauf’ als Teenager, aufgehängt an Betragens- und Schulnoten ... so erzieht man keine mündigen Bürgerinnen und Bürger. Also ist der NRW-Landesregierung nur beizupflichten, dass es wichtig ist, vieles an Druck aus der schulischen Ausbildung zu nehmen. Zuhause, in der Schule - aber auch im Ministerium, Frau Sommer.


Skandalöses Schüler-Lotto ...

... so überschreibt Spiegel Online einen ersten Bericht über die Ergebnisse einer vollständigen Untersuchung aller Wiesbadener Grundschulen. Spiegel Online findet da ein paar sehr passende Worte und Zitate, was die Empfehlungen für den weiteren Schulbesuch, Gymnasium, Realschule oder Hauptschule, angeht:

„Lehrer lassen arme Kinder zu selten ans Gymnasium.“
„Die Unterschichtsbremse für die Oberschulen greift höchst zuverlässig.“
„Aufs Gymnasium schaffen es in erster Linie die Privilegierten, nämlich Kinder gut betuchter Akademiker. Schüler aus einer niedrigen sozialen Schicht haben weitaus schlechtere Karten beim Schulübergang. Und zwar auch bei gleicher Leistung.“
„‚Vor allem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht hat Auswirkungen auf die Schulnoten der Kinder und auf den Bildungswunsch der Eltern’, sagte Stefan Hradil, Soziologe und Leiter der Untersuchung.“
„‚Neu ist, dass Lehrer offensichtlich schicht- und ethnienspezifische Empfehlungen aussprechen.’“
„Bei gleich guter Schulnote (2,0) erhielten nur drei von vier Kindern aus der niedrigsten Einkommens- und Bildungsgruppe eine Empfehlung für die höchste Schulausbildung. Dagegen sollten von den Kindern mit wohlhabenden und gebildeten Eltern 97 Prozent aufs Gymnasium - so gut wie alle also.“
„‚In der Oberschicht kommt eine Hauptschulempfehlung nahezu nicht mehr vor’, notierten die Forscher.“

Noch Fragen?

Ach so - Sie wollen wissen, was man tun kann?

Na, das dreigliedrige Schulsystem abschaffen und damit auf die Verurteilung hunderttausender 10-Jähriger zu lebenslanger Benachteiligung verzichten natürlich!