Warum ich ein Liberaler bin, die FDP aber nicht

Seit einiger Zeit geistern ja diese verhaltensauffälligen und scheinbar hilflosen Menschen durch die Medien, die in der FDP heutzutage Verantwortung haben und Leitungspositionen ausüben. Nein, Mitleid braucht man nicht zu haben, die wirken nur hilflos, sind aber bestens in Unterstützungssysteme eingebunden und erfüllen eine ihnen von Lobbyisten zugewiesene Rolle. Mitleid muss man eher mit den echten Liberalen haben, von denen in der FDP nur noch ein paar wenige zu finden sind (Hirsch, Baum, Hamm-Brücher), und die auch nichts zu sagen haben.

Warum? Weil der Liberalismus eine wichtige Sache ist, er aber von der Mannschaft um Herrn Westerwave vollkommen diskreditiert wird. Sollen die doch Anwälte, Hoteliers und Apotheker vertreten - aber bitte nicht unter dem Label „liberal“.

Ursprünglich ging alle Macht keinesfalls vom Volke aus, sondern musste in der Neuzeit vom Volke Stück für Stück erkämpft werden. Macht ist dem Homo sapiens eine prima Sache, die er genießt, aber aus freien Stücken meist nicht uneigennützig einsetzt. Also musste sie den Königinnen und Königen, Zarinnen und Kaisern und diversen selbsternannten Befreiern, die die Freiheit gleich wieder einkassierten, in zähen Verhandlungen und teilweisen Kämpfen abgerungen werden. Dass wir heute zumindest im Westen Bürger- und Menschenrechte haben, haben wir dem Liberalismus zu verdanken, der diesen Kampf führte.

An der Natur der Menschen hat sich nun nichts verändert, weshalb es immer noch nötig ist, die Freiheit zu verteidigen, sonst wird sich bald jemand finden, der sie uns wieder abnimmt. Also hat der Liberalismus weiterhin eine Daseinsberechtigung, denn nur seine Grundsätze verpflichten zum Erhalt der individuellen Freiheit. Und dieser Liberalismus ist auch kein kalter Freiheitsgedanke, denn er hat seit Adam Smith gewaltig dazugelernt und ist eine Verbindung mit den Grundgedanken von Sozialität und Solidarität eingegangen. Spätestens seit John Rawls Theorie der Gerechtigkeit liegen die theoretischen Grundlagen vor, eine gerechte und solidarische und freiheitliche Gesellschaft zu begründen beziehungsweise zu erhalten, denn noch liegen wir in Deutschland gar nicht so schlecht.

(Ja, es gibt auch andere Spielarten des Liberalismus. Welche aber gelten soll, kann man ja aushandeln, und der gesunde Menschenverstand spricht mit Macht für die Rawlssche Spielart - nachzulesen beispielsweise in Abschnitt 3 meines Buches Anspruchsvolle Schlüsse.)

Rawls und andere beschreiben eine gerechte Gesellschaft, die ihren Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Freiheit gewährt, solange diese Freiheit nur nicht die Solidarität der Gesellschaft auflöst. Als Grundlage dieser Gesellschaft kann man die unveräußerlichen Menschenrechte beschreiben, die ihrerseits dem Liberalismus Ziel und Richtung geben. Und die ihn nötigenfalls einschränken, nämlich immer dann, wenn die angenommenen Freiheiten einiger, die Grundrechte anderer außer Kraft zu setzen drohen. Dies zu verteidigen oder überhaupt erst einmal zu erreichen, wäre ureigenste Aufgabe einer freiheitlichen Partei wie der FDP.

Das hat sie auch mal getan, wenigstens in nicht unerheblichen Teilen. Das war aber, bevor sie sich unter der Herrschaft Helmut Kohls bequem als Anwalt der Partikularinteressen einiger weniger etabliert hat und das Denken einstellte. Dann kam etwas unerwartet Rot-Grün und eine elfjährige Leidenszeit in der Opposition. Dem Verhalten adoleszenter Brüllaffen nicht unähnlich rumpelstilzte ein bei Jürgen Möllemann in die Lehre gegangener Herr Westerwave lauthals neben der Bühne des politischen Geschehens einher und warb um Aufmerksamkeit. Die er leider bekam. Nein, nicht weil jemand die FDP haben wollte, sondern weil ganz viele die Große Koalition nicht mehr haben wollten. Also durfte Herr Westerwave auf die Bühne hinauf - schade.

Jetzt regieren die ‚Liberalen‘ also. In einer Zeit, die ganz besondere Anforderungen an den Liberalismus stellt. Wir haben eine Wirtschaftskrise, die das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören vermag, denn einer wie Josef oder Adolf „würde da sicher aufräumen“. Wir haben eine durch die elektronischen Medien revolutionierte Lebensweise, die mit dem einfachen Zugriff auf sensibelste Daten völlig neue Überwachungsformen und innovative Verarschungsweisen (Abofallen, Phishing, Bankbetrug) ermöglicht. Wir stehen vor dem Klimawandel, der den Liberalismus auf umgekehrte Weise herausfordert, denn der Wandel beruht auf exzessiver Nutzung der eigenen Freiheit, die in Umweltgefährdungen mündet, weshalb das Ausmaß diskutiert werden muss, in der persönliche Freiheiten aufgegeben werden sollten oder nicht. Und und und ...

Und was macht die FDP? Sie entdeckt ihre soziale Ader! Herr Niebel holt Bedürftige von der Straße und schenkt ihnen Staatssekretärsposten in dem Ministerium, das er eigentlich abschaffen wollte und nach OECD-Meinung vielleicht auch besser abschaffen sollte. Ach nee - trauriger Scherz beiseite. Die FDP macht erstens weiter wie bisher und bedient Partikularinteressen und vergisst zweitens alles, wofür der Begriff der bürgerlichen Freiheit steht.

Was soll beispielsweise dieser völlige Blödsinn von der „spätrömischen Dekadenz“ der Empfänger von Sozialleistungen? Außer einem Beweis der Ungebildetheit von Herrn Westerwave, der nicht einmal wie jeder Siebtklässler weiß, wie es in Rom wirklich zuging, kann man darin nichts erkennen. Liberalismus muss sich wirtschaftlichen Problemen von der Wurzel her nähern, heißt: Freiheit ist auch das Recht darauf, Freiheiten wahrnehmen zu können. Dafür braucht man Geld. Haben wir in Deutschland aber nicht, sagt die OECD im Ländervergleich. Also brauchen wir Maßnahmen gegen die ausufernde Armut, wie differenziertere Möglichkeiten der Aufstockung von Sozialleistungen und Absicherung des Alters sowie eine Mindestentlohnung wenigstens auf europäischem Niveau.

Es sind so viele Aufgaben zu meistern, gerade für Liberale. Die Pseudoliberalen von der FDP versuchen es aber nicht einmal. Ich schreibe wenigstens dagegen an. Deshalb bin ich ein Liberaler und die nicht!



Warum der Staat die Steuerhinterzieher-CD-ROM nicht kaufen darf

Ja, das wäre so richtig doppelt toll, wenn man die Personen, deren Namen auf der Schweizer Steuerhinterzieher-CD stehen, dieses Tatbestandes überführen und sie zahlen machen könnte. Der Staat hätte beträchtliche Zusatzeinnahmen (die er vielleicht sogar sinnvoll einsetzen würde) und außerdem würde ein klares Zeichen gesetzt, dass man auch die Großen zur Rechenschaft zieht. Aber leider geht das nicht.

Das menschliche Zusammenleben unterliegt Regeln, sonst würde das Recht des Stärkeren herrschen. Eine streng kodifizierte Form dieser Regeln sind die Gesetze und die Rechtsgrundsätze, auf denen sie beruhen. Ein in allen Rechtsstaaten gültiger Grundsatz ist, dass man unrechtmäßig erworbene Erkenntnisse nicht für die Strafverfolgung nutzen darf. Der Kauf von Diebesware ist so eine unrechtmäßige Form des Erwerbs.

Würde dieser Grundsatz nicht gelten, so träte unmittelbar wieder das Recht des Stärkeren in Kraft, nämlich der Einsatz der Macht desjenigen, der die Kraft oder die Mittel hat, beispielsweise Informationen aus jemandem herauszuprügeln. Und keiner hat mehr Macht, zu prügeln, als der Staat. Und aus rechtstheoretischer Sicht ist der Einkauf von Hehlerware ebenso Straftat, wie es der Einsatz eines Rollkommandos wäre, um besagte CD mit Gewalt an sich zu bringen (etwa durch die „Kavallerie“, die Herr Steinbrück vor knapp zwei Jahren in die Schweiz schicken wollte).

Besagte Rechtsgrundsätze sind Abwehrmittel gegen den Staat. Selbst gegen einen eher harmlosen Staat wie den deutschen (harmlos verglichen mit, sagen wir mal ... Russland oder China) brauchen die Bürger Abwehrmittel, darin ist sich alle Staatstheorie einig. Denn der Staat hat nun einmal unvergleichlich mehr Macht als alle Bürger und sämtliche Organisationen und muss deshalb wirksam eingeschränkt werden. Durch das Anlegen des Maßstabs der Menschenrechte etwa. Oder auch durch die strikte Einhaltung der in den letzten zwei-, dreihundert Jahren international entwickelten Rechtsgrundsätze.

Und deshalb muss Schäuble die Finger von der CD lassen.

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Ich habe mich auch gefreut - Freude = eine Emotion - als sie den Steuersünder Zumwinkel vor einem Jahr dermaßen vorgeführt haben. Aber falsch war es doch, sagt die Vernunft - Vernunft = Ratio -, denn auch damals dienten unrechtmäßig beschaffte Informationen als Grundlage für das Verfahren. Manchmal, gar nicht so selten sogar - leider -, muss man das Gefühl und sogar ein begründetes Gerechtigkeitsempfinden hintanstellen, um wichtigere Güter zu schützen.

(Außerdem, ich bitte Sie, wäre es doch wirklich nicht schwer, Steuersünder zu erwischen, wenn die Steuerfahndung personell gut ausgestattet wäre - die würden sogar ihren eigenen Lohn vielfach wieder einbringen. Aber da sind natürlich die verschiedenen Einflussgruppen - und natürlich die Klientelpartei FDP in toto - vor.)

Was jetzt geschehen wird, fragen Sie? Natürlich werden die die Scheibe kaufen. Und wieder ein Stückchen Rechtsstaat verraten. Unter dem Applaus der Bevölkerung ...


Obama bekommt Friedensnobelpreis? Das ist gut ...

... auch wenn ich im ersten Augenblick dachte: Wofür, der hat doch noch gar nix erreicht? Aber der Nobelpreis, besonders der für den Frieden war noch nie ein Preis, der nur für Erreichtes verliehen wird, sondern immer schon auch, um als förderungswert erkannte Prozesse durch die enorme Publizität des Preises zu unterstützen. Und das hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen. Warum also nun nicht einmal an jemanden, der offenkundig gute Politik machen will, aber dafür gerade jetzt dringend unterstützt werden muss?

Sicher, mir wäre es lieber gewesen, wenn die chinesischen Dissidenten Hua Jia und/oder Wei Jingsheng, gerade jetzt, 20 Jahre nach dem Tiananmen-Massaker, den Preis bekommen hätten, doch das ist Gefühl. Die Ratio sagt: Wenn das schon ein politischer Preis ist, dann sollte er auch pragmatisch da eingesetzt werden, wo er etwas bewirkt. Und die Unterstützung der Dissidenten würde durch eine Preisverleihung nicht mehr wesentlich weiter gestärkt werden; eher noch würde das Regime Chinas noch weiter auf stur schalten und die Repressionen wegen der vermehrten Öffentlichkeit erhöhen, um nur ja nicht schwach zu erscheinen.

Obama aber hat zwar noch nichts gemacht außer guten Plänen, aber diese sind in großer Gefahr.
- In der Außenpolitik werden Friedensbemühungen immer torpediert, aber die zusammengewachsene Welt ist auch immer mehr durch die öffentliche Meinung beeinflussbar. Obama versucht nun wirklich, ausgleichend zu wirken und gerecht zu vermitteln, besonders im Nahen Osten. Mehr hat Jimmy Carter auch nicht getan, und der wurde auch Preisträger. Bei Obama in seiner derzeitigen Machtposition besteht die Chance, dass die Friedensbemühungen sich nachhaltiger auswirken und wenn nicht, hat Oslo zumindest ein frühes Zeichen gesetzt.
- In der Innenpolitik geht es Obama um Gerechtigkeit und soziale Belange, wie sie in einer so ungleich ausgestalteten Gesellschaft wie den USA bitter nötig sind. Warum also auch nicht hier ein Zeichen für den Wandel setzen? Das wird die Republikaner des rechten Flügels als Einmischung von außen natürlich noch mehr aufbringen, aber die könnten den Päsidenten sowieso nicht mehr hassen, als sie es eh schon tun. All jene aber, die nicht so verbohrt sind, werden moralisch unterstützt, wenn 'ihr' Staatsoberhaupt diese vielleicht anerkannteste Auszeichnung erhält, die man auf der Welt bekommen kann.

Lustig ist es, gerade jetzt, eine Stunde nach Verkündung der Entscheidung, Obama und Friedensnobelpreis zu googeln, und dann auf all die vorher erschienenen Artikel zu stoßen, in denen geweissagt wurde, dass es viel zu früh sei, ihm jetzt den Preis zu verleihen.

Ja, es wäre zu früh, ihm den Preis zu verleihen, wenn wirklich das Ergebnis das Wichtigste des Friedesnobelpreises wäre (in den Naturwissenschaften ist es das), aber das ist ja eben nicht mehr das Wichtigste; der Preis ist ein Fanal der politischen Einmischung geworden. Es ist gefährlich, den Friedensnobelpreis zu diesem Fanal gemacht zu haben, aber dieses Jahr ist es noch mal gutgegangen, denn es hat den Richtigen getroffen.


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Kompromisslos ist immer schwierig ...

... aber in der Politik grundsätzlich fatal, weil es andere Meinungen prinzipiell ausschließt - und die gibt es immer -, denn die eigene wird dadurch absolut gesetzt - und die anderen bleiben auf der Strecke. Was die Linke in NRW nun als Programmentwurf hat durchsickern lassen ist genau das: kompromisslos.

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Ich beurteile dabei gar nicht die Forderungen, sondern die Position an sich, die sich in Forderungen ausdrückt, die der Linken, na sagen wir mal, ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen: Verstaatlichung weiter Industrieteile, Abschaffung des Justizwesens u.ä.

Was die Linke da fordert, steht in meist diametralem Gegensatz zu allem, was die anderen Parteien sowie die Mehrheit der Bevölkerung wünschen. Gut, das kann man machen und hoffen, aus eigener Kraft 51 Prozent aller Mandate zu erringen. (Dann funktioniert natürlich immer noch nicht alles - die Abschaffung der Gewaltenteilung bspw. ist verfassungswidrig und nicht ohne die Abschaffung des Grundgesetzes machbar ... und spätestens hier sollten sich alle Bürger massive Widerstandsmaßnahmen gegen die Linke überlegen.)

Das kann man sich aber nicht auf die Fahnen schreiben, wenn man wirklich etwas verändern will, denn dafür braucht man immer auch die anderen, zumindest einen gewissen Anteil der anderen, bis man eine Masse zusammen hat, die ausreicht, Neues auszuprobieren. Und wir reden hier von einem Wahlprogramm, Landtagswahl 2010 in NRW.

Bei dieser Wahl besteht die reelle Chance, die CDU/FDP-Regierung abzuwählen. Aber nur, wenn Linke, Grüne und SPD zusammenarbeiten. Radikalforderungen wie die der Linken signalisieren aber, wenn sie ernst gemeint sind, dass diese Zusammenarbeit nicht funktionieren wird.

Und warum sie überhaupt erst aufstellen, wenn sie nicht ernstgemeint sind? Die bisherigen Punkte der Linken reichen völlig aus, um all ihre Wähler zu mobilisieren. Mit DDR-Reminiszenzen wie der Verstaatlichung der Industrie aufzuwarten, dürfte so manchen eher wieder abschrecken. Also sind die NRW-Linken entweder verwirrt und glauben tatsächlich an Campanella oder sie meinen es so ernst, dass die befürchtete Kompromisslosigkeit zutrifft.

Sind sie aber wirklich so kompromisslos, dann schließen sie jegliche konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Parteien aus. Das ist eine Radikalität, die sich nicht mit moderner Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft vereinbaren lässt und Stimmen für die Linke sind dann verlorene Stimmen. Beziehungsweise gefährlich, denn wer kompromisslos ist, droht auch, seine Meinungen unter allen Umständen und mit allen Mitteln durchzusetzen.

Schade eigentlich, denn die jetzige NRW-Regierung ist schon bedenklich schlecht. Auch täte es dem ganzen Land gut, wenn NRW ab nächstem Jahr wieder links regiert würde, schon als Gegengewicht zur neuen Bundesregierung. Nur geht das wohl nicht ohne die Linke.

Aber mit dieser Linken dann doch lieber nicht ...

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Kann man also nur hoffen, dass die hier zitierten Meinungen ehrlich sind.



Bleibt alles gleich, außer dass es der Politik gut tun wird ...

Solange es demokratische Parteien sind, die gewählt werden - ob es nun zum Regieren reicht oder nur für die Opposition - bin ich erst einmal zufrieden. Und demokratisch sind sie zum Glück alle bis auf den braunen NPD-Matsch (und die haben ja nirgendwo Erfolge errungen). Also kann ich auch gut mit dem gestrigen Wahlergebnis leben, obwohl es nicht meinen Präferenzen entspricht.

Und wird sich denn etwas ändern für uns Bürger? Ja, aber nicht wegen der neuen Regierung, sondern wegen der allgemeinen Wirtschaftslage, die sogar die Linke zwingen würde, zu sparen. (Da hätte sich deren Klientel in den nächsten vier Jahren aber verdutzt umgesehen.) Also einfacher wird es nicht, schöner auch nicht, gerade nicht für uns Kulturschaffende, denn der Kultur wird es zuerst an den Sparkragen gehen.

Aber was wird außer Sparen sein? Ein paar empörende Steuergeschenke wird es geben, aber das wird sich in engen Grenzen halten. Der ausufernde Verbotewahn wird von der FDP hoffentlich ein bisschen eingeschränkt werden (für irgendwas müssen die ja auch gut sein, und angeblich sind sie ja liberal, müssten also erst einmal gegen Einschränkungen der Freiheit sein, die die CDU ja im kleinbürgerlichen Gleichschritt mit der SPD vornahm). Der Umwelt wird es weiter an den Kragen gehen, aber das hätte Sigmar Gabriel allein bei einer Neuauflage der Koalition auch nicht verhindern können. Bildung und Forschung werden genauso wenig profitieren wie bei allen anderen Parteien außer den Grünen, die sich aber sowieso in keiner Konstellation erfolgreich dafür hätten einsetzen können. Und ansonsten wird weiterhin keiner verhungern müssen und wir werden alle noch zum Arzt dürfen, auch wenn natürlich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dort optimal versorgt werden wird.

Bleibt also alles gleich ... Bis auf unser Politikverständnis - das wird sich zum Guten bessern. Dieser unerträgliche Sumpf großkoalitionären Gekungels, dieses klebrige Einandernichtandiekarrefahrendürfen, dieser erstickende Konsens bloß nichts durchsetzen zu wollen - das alles wird hoffentlich enden. Jetzt haben wir wieder verschiedene Lager und einen Wettstreit der Ideen. Jetzt werden die einen zeigen müssen, dass das, was sie wollen, etwas taugt; und die anderen haben die Gelegenheit, Alternativen aufzuzeigen.

Es wird wieder Streit geben, und in der Politik ist Streit etwas, das wir brauchen. Gibt es keinen Streit, sondern nur Muttis und Möchtegernvatis der Nation, dann brodelt Unheimliches an den Rändern der politischen Landschaft hoch. Lähmt sich die Demokratie so, wie es deren Akteure in den letzten vier Jahren getan haben, dann wächst wieder der Glaube daran, dass es eine vorzuziehenswerte Alternative zur Demokratie gäbe. Die gäbe es natürlich, wenn Sie mich als benevolenten Diktator erwählen. Aber sonst ist eines sicher: Der Bürger ist vor einem Missbrauch der Macht nur dann halbwegs geschützt, wenn er sie in demokratischen Verhältnissen zuteilt und bei Bedarf wieder entzieht. Das muss nicht nur möglich sein, sondern es muss der breiten Masse auch erstrebenswert erscheinen. (Am meisten Besorgnis erregte gestern die niedrige Wahlbeteiligung.)

Das Meiste bleibt gleich, wir werden im wahren Leben nur wenig unmittelbar davon spüren, dass jetzt wieder ein bestimmtes politisches Lager das Sagen hat. Aber der Politik wird es gut tun und in vier Jahren sprechen wir uns wieder und werden urteilen. Das dürfen wir uns nie wieder aus den Händen nehmen lassen.

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Gelassen bleiben, aber wachsam ...

Übrigens kommt die TAZ einen Tag später zu ganz ähnlichen Schlüssen und bietet noch eine Reihe weiterer Trostpflaster an, warum der Wahlausgang gar nicht so schlimm ist ...

Obama und die Folterfotos - ein ethischer Exkurs

Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik? Den bringt uns gerade der Präsident der USA wieder nahe und das finde ich sehr interessant.

Barack Obama hat also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos aus Abu Ghoreib und anderen Lagern untersagt. Und die Gutmenschen dieser Welt prügeln jetzt auf ihn ein. Die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU steckt Obama jetzt sogar mit Ex-Präsident Bush in einen Sack und behauptet, er mache sich damit mitschuldig an den Folterdelikten.

Der Mitbegründer der Soziologie Max Weber (1864-1920) hätte das sicherlich als Beispiel aufgegrifffen, würde er seine berühmte Schrift „Was ist Politik?“ heute verfassen. Darin geht es unter anderem um die gegensätzlichen Paare Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Was Obama betreibt ist Verantwortungsethik, was die Kritiker aber von ihm verlangen ist ein Handeln nach den Grundsätzen der Gesinnungsethik.

Die Situation ist so, dass bekannt ist, dass die USA in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terror selbst zu Terroristen geworden sind und unter anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch das Folterverbot in hohen Fallzahlen missachtet haben. Beweise gibt es dafür zuhauf, unter anderem auch zahlreiche publik gewordene Fotodokumente. Das ist gut so! Und ungemein wichtig, denn es zeigt, dass auch eine Supermacht zumindest nicht unerkannt mit so schweren Verbrechen davon kommt.

Jetzt verweigert der derzeitige Präsident der USA also die Veröffentlichung weiterer Folterfotos und verhindert damit die lückenlose Information der Weltöffentlichkeit. Die Gesinnungsethik besagt nun, dass eine ethisch gebotene Handlung in jedem Fall durchgeführt werden muss, egal, was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Obama muss nach gesinnungsethischer Anforderung alle Fotos auf den Tisch legen. Die Gesinnungsethik gibt klare, unmissverständliche Anweisungen und erlaubt keinerlei Wischiwaschi.

Die Verantwortungsethik hingegen fragt nach den Konsequenzen einer ethisch gebotenen Handlung. Im Fall Folterfotos ist auch für die Verantwortungsethik klar, dass das Gebot lautet: Publik machen! Aber, so fragt diese Ethik weiter, was würde dann passieren? Obamas Antwort lautet, das Ansehen der USA würde weiter sinken, sein Kurs der weltweiten Bemühungen um eine friedlichere Welt würde torpediert, in direkter Konsequenz würde es zu weltweitem Aufruhr kommen, der höchstwahrscheinlich in zusätzliche terroristische Angriffe münden würde, die eine unabsehbare Zahl von Menschen, US-Amerikaner und andere, das Leben kosten würde. Also hält er die Bilder unter Verschluss.

Was ist richtig? Die Gesinnungsethik ist so schön eindeutig ... und so lebensfremd. Gesinnungsethik - das ist beispielsweise das Gebot, immer und unbedingt nicht zu lügen. Nie halbwahre Komplimente machen, keine Notlügen, keine Ausflüchte und den Chef ungeschminkt auf seine Dummheit und Ungerechtigkeit hinweisen. Oder, extremer gesagt, wenn man 1943 einen versteckten Juden im Keller sitzen wüsste, auf entsprechende Fragen der Gestapo wahrheitsgemäß zu antworten ...

Die Verantwortungsethik ist dagegen ein wenig schmuddelig. Sie laviert immer so ein bisschen herum, macht Ausflüchte, lässt Fünfe gerade sein und erlaubt Ungerechtigkeiten. Sie lässt sich auch leicht missbrauchen („Klar verschweige ich meine Affäre, meine frau würde mich verlassen und ewas wäre dann mit den Kindern?“. Aber sie belügt auch die Gestapo und rettet den Juden.

Was ist richtig? Im Falle Folterfotos ist es so, dass die Welt weiß, was die USA getan hat. Sie weiß auch wie es aussieht, was die USA und ihre Unterstützer in Irak, Polen und anderswo getan haben, denn es wurden hunderte von Fotos mit Folterbeweisen veröffentlicht.

Wenn uns jetzt ein paar hundert mehr verborgen bleiben, dann werden sich Presse und NGOs noch bis schätzungsweise nächsten Dienstag darüber aufregen, dann ist die Sache gegessen - gegessen allerdings ohne, dass vergessen würde, dass die USA gefoltert haben. Es wird ja nichts Grundsätzliches vertuscht, sondern nur weitere Details. Dafür bleiben ein paar Dutzend Selbstmordattentäter vielleicht zuhause und eine ganze Reihe Kalaschnikows unbenutzt.

Die Verantwortungsethik ist dem menschlichen Verhalten einfach angemessener als die Gesinnungsethik. Es gibt keine absolute Gerechtigkeit und der Mensch kann mit schonungsloser Offenheit und Wahrheit in sozialen Angelegenheiten nicht leben. Dass die Verantwortungsethik schmuddeliger ist, ist uns ebenfalls angemessen. Wir sind auch alle ein bisschen schmuddelig in unserem ethischen Verhalten, oder?


Starke, schmale Schultern

blossoms

Wow, muss der starke Schultern beweisen, und dass wo sie so schmal aussehen, die Schultern des 44. Präsidenten der USA ...

Als ich so durch die Fotos der Inauguration blätterte, die derzeit auf einen einprasseln, dachte ich nur daran, unter welchem enormen Druck dieser Mann steht, der von Millionen, vielleicht Milliarden von Menschen mit messianischen Hoffnungen befrachtet wird. Wie will er dem gerecht werden? Anders als Frodo, dem sein übermenschlich starker Wille allein genügte, würde Barack Obama nicht einmal ein solcher Wille hinreichende Stärke verleihen.

Der sogenannte mächtigste Mann der Welt ist auf dermaßen viele Zu- und Mitarbeiter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen, dass sein möglicher Erfolg zu mehr als 95 Prozent von anderen abhängt. Er kann nicht mehr sein als das Brennglas, das die Energien des Landes (und vielleicht eines großen Teiles der Welt) bündelt und so den allgemeinen Neuanfang ermöglicht.

Der erste Tag beeindruckt mich schon einmal: Die Art und Weise, in der er das Weiße Haus übernahm und die Mitarbeiter/innen einschwor und ihnen Grenzen setzte, das hatte was. Er wird sich schon damit erste Feinde gemacht haben. Und er wird sich noch viele Feinde machen müssen. Lassen Sie ihn erst einmal zwölf Monate so weiterwirken und der Secret Service wird allen Grund haben, sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen.

Aber es geht ja nicht anders. So kann es in den USA und der ganzen westlichen Welt nicht weitergehen. Nicht ökonomisch, nicht ökologisch, nicht gesellschaftlich, nicht auf der Ebene des allzu egoistischen Individuums. Wer da gegenlenken will, macht sich Feinde, denn ein derart umwälzender Wandel wird viele Unbequemlichkeiten bringen und manche Pfründen unterpflügen.

Das geht nur, wenn die Menschen in den USA mitziehen. Und da wir Otto Normalverbraucher in Deutschland ebenso wie Joanna in Gabun, Cheng in China und Maria in Argentinien ebenso davon abhängen, dass sich in den USA was ändert, damit sich auf der Welt was ändert, müssen wir alle, auf allen Kontinenten ebenso mitziehen. Bescheidener werden - in materieller Hinsicht. Optimistischer werden - in sozialer Hinsicht. Glücklicher sein - in spiritueller Hinsicht (ob als Atheist oder Gläubige).

Diese starken, schmalen Schultern müssen wir stützen, auch wenn der Mann noch so strahlend und erfolgreich scheint. Good luck, Mr. President!

blossoms

Eine gute Wahl!

Barack Obama also - ein gute Wahl!

Ich werde gleich meinen Sohn in den Kindergarten bringen und, nein, dann werden die Bäume nicht über Nacht neu ergrünt sein und die herbstlichen Beete werden nicht in frühlingshafter Blumenpracht erstrahlen. Aber es war eine gute Nacht, mit einem Wahlergebnis, das der ganzen Welt gut tun wird.

Und auch in den USA wird nun kein „winter of love“ anbrechen. Die Amerikaner werden weiterhin vornehmlich ihren meist zu adipösen Bauchnabel betrachten, sie werden weiterhin die Umwelt über die Maßen belasten, ihre unzähligen, unnützen Waffen nicht weglegen und weiterhin werden sie selbst für sie das Maß aller Dinge sein. Es bleiben eben die guten/schlechten alten USA.

Aber diese Wahl wird den Menschen Hoffnung geben. Es ist eine banale Aussage gewesen, dieses „Yes, we can“, aber der Mann, der sie traf und die Menschen, die nur zu begierig darauf setzen, dass „wir es können“, die drücken damit eine sehr starke Emotion und einen Glauben aus, der sich wirklich in positivem Aufbruch entladen könnte.

Und wenn die Amerikaner nur aufhören, den Bremser in wirtschaftlichen, ökologischen und diplomatischen Entwicklungen zu spielen, dann ist schon viel gewonnen. Wenn diese im Kern starke und optimistische Nation auch noch zum Motor guter Entwicklungen wird, dann können wir wirklich weltweit etwas verbessern. Die Türen wurden in dieser Nacht weit aufgestoßen - God bless America ...




Der Fluch der bösen Tat in Hessen ...

... kommt und ist gerechtfertigt.

Lassen Sie mich zuerst klarstellen:
1. Natürlich gehört Roland Koch als Ministerpräsident Hessens abgewählt. Der Mann ist mit Ausländerhetze und schwarzen Geldern an die Macht gekommen und konnte sich nur durch das Bauernopfer Manfred Kanthers vor einer Verurteilung bewahren. Zudem ist seine einseitig wirtschaftsfreundliche Politik unangemessen. Auf jeden Fall ist er keinesfalls integer, als leitender Politiker ungeeignet und seine Politik lässt vieles zu wünschen übrig, dass SPD und Grüne wahrscheinlich besser machen würden.
2. Natürlich ist das Verhalten von Jürgen Walter, Carmen Everts und Silke Tesch unentschuldbar. Hätten die drei wirklich derartige Gewissensprobleme gegenüber einer Tolerierung durch die Linken, hätten sie das sofort sagen müssen und sofort die Konsequenzen klarmachen müssen, dass sie Frau Ypsilanti eben nicht mit den Linken wählen werden. So wie Dagmar Metzger es getan hat, die allen Respekt verdient und deshalb - anders als die mal wieder reichlich verantwortungslose Presse dies tut - auf keinen Fall mit den drei anderen Taktierern in einen Topf geworfen werden sollte. Dann wäre dies Thema auch schon Anfang des Jahres abgeschlossen gewesen.
3. Und sicher ist es ein wahres Trauerspiel für die SPD, das sich aus den jüngsten Ereignissen ergibt. Es ist schade, dass sie nun gegen die CDU chancenlos ist, es ist schade für die Bundes-SPD, die weiter in den Zustimmungswerten absinken wird, es ist schade für die Grünen, die völlig zu Unrecht heute weit außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit und Zustimmung stehen, und es ist schade für die Demokratie, die erstens im Allgemeinen einmal mehr als Schacherveranstaltung wahrgenommen wird und zweitens im Besonderen an dem Ansehensverlust einer einst starken Volkspartei leiden wird.

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Aber von diesen Katastrophen mal ganz abgesehen, erfüllt es mich mit Befriedigung, zu sehen, dass eine böse politische Tat auch heute noch Konsequenzen hat. Ich meine natürlich die glatte Lüge von Frau Ypsilanti, nach der Wahl nicht mit den Linken zusammenarbeiten zu wollen. Nein, liebe Frau Machtpolitikerin, das sind keine Sachzwänge, das war ein Wortbruch, das war eine Lüge und es ist ganz, ganz wichtig für die Gesellschaft, dass die Dame mit dieser Lüge nicht durchkommt, sondern schön öffentlichkeitswirksam scheitert.

Einiges am menschlichen Zusammenleben ist ganz einfach. Zum Beispiel die Tatsache, dass soziales Leben und die Gemeinschaft des Vertrauens bedürfen. Ein Wort muss ein Wort bleiben, sonst zerfällt die Grundlage menschlichen Zusammenlebens, das in einem Klima des Misstrauens nicht gedeihen kann. Nicht umsonst gehört das Lügenverbot zu den zehn Geboten. In diesem Sinne ist es wichtig, wenn ein Versuch von Politikern (oder anderer bekannter Persönlichkeiten), mit einer Lüge durchzukommen, spektakulär scheitert. Allzu oft hat die Tat ja leider keine Konsequenzen.

Schade, dass Herr Koch den armen Hessen jetzt für lange Zeit erhalten bleibt, aber besser so, als dass die bessere Sache mit einer Lüge an die Macht kommt.




11.10. Berlin: Demo gegen Überwachungswahn

Am 11.10. findet in Berlin, am Alexanderplatz, die große Demo „Freiheit statt Angst 2008“ statt. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung schreibt:

Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler rufen bundesweit zur Teilnahme an einer Demonstration gegen die ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat auf. Am Samstag, den 11. Oktober 2008 werden besorgte Bürgerinnen und Bürger in Berlin unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" auf die Straße gehen. Treffpunkt ist der Alexanderplatz um 14.00 Uhr.

Berlin ist zu weit weg? Die Anfahrt zu teuer? Der Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud e. V.) organisiert deutschlandweit die Anfahrt mit „Bus und Bahn gegen Überwachungswahn“: https://shop.foebud.org/index.php?cName=akvorrat--demobus-c-36_42.

Was Sie das angeht? Vielleicht werfen Sie einen Blick in diesen Grundsatzartikel zum Datenschutz, besonders in den Abschnitt „Daten von Staats wegen“. Es ist einfach so, dass eine Demokratie darauf angewiesen ist, dass die Bürger auf ihre Freiheitsrechte selbst achten müssen, da staatliche Interessen der individuellen Freiheit allzu oft entgegenstehen. Wenn Sie Ihre Rechte nicht selbst verteidigen, steht es also in Frage, ob es jemand anders für Sie tun wird.

Außer natürlich den Bürgerrechtlern, die dies ehrenamtlich tun. Die können aber ohne Ihre Unterstützung mittel- bis langfristig gar nichts erreichen. Engagieren Sie sich, damit das Licht nicht ausgeht!

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Vielen Dank, liebe Kölner!

Da machen sich also Faschos aus ganz Europa auf, um unter dem Deckmantel der Sorge vor dem Islam Stimmung für ihre schwachsinnigen, menschenverachtenden Ansichten zu machen. Sie melden sich in Restaurants, bei Transportunternehmen und Hotels als „Rechtsanwaltsgesellschaft“, „Geburtstagsfeier“ und „Kongressgruppe“ an um in Kölle auch angemessen unter- und herumzukommen.

Und was machen die Kölner? Sie schmeißen das Pack raus! Sie lassen sie nicht einsteigen, sie bedienen sie nicht und sie stellen den Braunen die Köfferchen in die Gosse, wo sie hingehören. Das ist die Antwort, die man erhoffen durfte von den Bürgern einer Stadt, die den heranrückenden Feind schonmal mit den Worten begrüßten: "Wie kutt er dann scheeße, süht er nit, dat he Lück ston?"

Aber auch wenn man das schon hoffen konnte, so ist es doch einfach nur schön, zu sehen, wie sich die ganze Stadt gegen die braune Plage gewandt hat. Danke dafür!

Schade war nur, dass die Chaoten der linken Autonomen beinahe alles kaputt gemacht hätten mit ihrer sinnlosen Gewalt. Was unterscheidet euch eigentlich noch von den braunen Schlägern?


Prekariat: mein Unwort des Jahres

In Deutschland, wie auch europa- und weltweit, wird eine Armutsdebatte geführt. Das ist erst einmal gut, auch wenn zur Zeit populistische Verführer vom Schlage eines Oskar Lafontaine am meisten davon profitieren. Was aber gar nicht gut ist, ist das Vokabular, das dabei verwandt wird. Hartz IV, Unterschicht und ähnliches sind schon ziemlich schlecht, da sie negative Etiketten auf Menschen kleben (Hartz IV) oder mangelnde Qualität oder sogar einen geringeren Grad an Menschlichkeit suggerieren (UNTERschicht). Besonders mies wird es aber bei diesem neuen, ach so griffigen Begriff „Prekariat“, der Millionen von Menschen plötzlich anhängt. Deshalb ist Prekariat mein Favorit für das Unwort des Jahres, das in etwa zwei Monaten gewählt werden wird.

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Schauen wir uns dieses Wort einmal an. Prekariat ist abgeleitet von prekär, was laut Duden soviel wie „schwierig“ oder „heikel“ heißt. Angehängt wurde dann nur eine von „Proletariat“ entlehnte Nachsilbe. Laut Wikipedia ist „Prekariat ist ein Begriff aus der Soziologie und definiert ‚ungeschützte Arbeitende und Arbeitslose’ als eine neue soziale Gruppierung“. Und wer fällt darunter? Wikipedia weiß: „Betroffen sind einkommensschwache Selbstständige und Angestellte auf Zeit, Praktikanten, auch chronisch Kranke, Alleinerziehende, Zeitarbeitnehmer und Langzeitarbeitslose, aber zunehmend auch in wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen Angestellte: Prekariat definiert keine sozial homogene Gruppierung.“

Okay, das Prekariat sind also Leute ohne, mit geringem oder mit unsicherem Einkommen. Ja, die gibt es. Das ist Sch****, aber es gibt sie, und zwar in viel zu großer Zahl. Und die sind also „schwierig“ und „heikel“ – das ist aber eine schöne Art, Menschen zu charakterisieren ... Denn diese Zuschreibung muss man doch wohl wörtlich nehmen, so wie man im 19. Jahrhundert Proletarier als Sammelbegriff für besitzlose, abhängig Beschäftigte wörtlich meinte, was von „proletarius“ abstammte und die niedrigste Schicht im römischen Volk meinte, die zu nichts anderem gut war, als Kinder zu produzieren, die dann beispielsweise in den Legionen zu dienen hatten, wenn sie nicht gleich versklavt wurden.

Doch „Proletariat“ ist ein Substantiv, das eine Gruppe von Menschen beschrieb, eben die Angehörigen einer besitzlosen Bevölkerungsschicht im alten Rom, die proletarii, und später die Gruppe der abhängig Beschäftigten im 19. Jahrhundert. Proletariat klassifiziert also anhand eines Faktums. Prekariat klassifiziert nicht nur sehr ungenau, wenn man mal auf die heterogene Wikipedia-Definition schaut, sonder es klassifiziert auch anhand einer nicht objektiv haltbaren Zuschreibung, ist prekär doch ein Adjektiv – „heikel“ eben. „Heikel“ und „schwierig“, damit also auch „gefährlich“. Keine substantivisches Faktum, sondern eine subjektive, adjektivische Zuschreibung. Das ist immer auch eine Aussage über angebliche Eigenschaften der so klassifizierten Menschen.

‚Prekarier’ sind „heikel“?

Quatsch, es ist ihre Situation, die heikel ist; prekär zu leben ist aber kein Merkmal der Menschen selbst. „Aus prekären Arbeitsverhältnissen folgen prekäre Existenzweisen“, schreibt Thomas Gross in der „Zeit“. Das stimmt natürlich. Durch das Ankleben des Adjektivs prekär wird die Situation nur noch verschlimmert. Denn unterbewusst eignen sich die Angehörigen der Gruppe der prekär lebenden Menschen diese Zuschreibung mehr oder weniger stark an und verlieren dadurch an Kraft, Selbstvertrauen und Änderungswillen. Und auch die Nichtprekarier übernehmen die heikle Zuschreibung mehr oder weniger bewusst, wollen mit diesen „schwierigen“ und „gefährlichen“ Menschen nichts zu tun haben und wünschen nicht, dass ihre Kinder mit ‚deren’ Schmuddelkindern spielen oder lernen. (Ach wie gut, dass wir ein dreigliedriges Schulsystem haben, da bleiben die Schmuddelkinder unter sich ...).

Ist schon klar: Worunter die vom wirtschaftlichen Erfolg abgehängten Menschen hierzulande leiden, ist sicherlich erst in dritter oder vierter Linie das Wort Prekariat – kein Geld, keine Arbeit; krank, unglücklich und mittlerweile sogar wieder hungrig zu sein, das sind die wahren Probleme. Aber man darf die Macht der Sprache und die Kraft der sich selbst erfüllenden sprachlich verfassten Prophezeiungen nicht unterschätzen.

Deshalb lautet mein Unwort des Jahres 2008: Preka****.