Freiheitsrechte

Bestenfalls einen Viertelsieg ...

... für die Freiheitsredner, den AK Vorratsdatenspeicherung und alle anderen Gegner derselben stellt die Niederlage der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht dar. Denn die Vorratsdatenspeicherung ist mitnichten gekippt worden, nur ihre derzeitige unausgegorene Version wurde für unverfassungsmäßig erklärt.

wurm_drin


Was alle Gegner der Vorratsdatenspeicherung eigentlich erwartet hatten, war, dass sie insgesamt als ein Verstoß gegen die Grundprinzipien des Datenschutzes abgelehnt würde. Stattdessen hat das Gericht festgelegt, dass eine Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform ist, „wenn ihre Ausgestaltung besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht“ (Quelle: heise-online). Denen ist insbesondere dann Genüge getan, wenn Daten zu bestimmten Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gespeichert werden. Verworfen wurde nur eine schwammig-unbestimmte Form der Vorratsdatenspeicherung für erst später aufgestellte Fragestellungen und Interessen. Na ja, einen Katalog relevanter Gefährdungsszenarien wird die Regierung schon hinbekommen ...

Festgelegt wurde nur, dass die derzeitige, und damit gekippte Regelung den Anforderungen an Transparenz und Bestimmbarkeit der Nutzung der erhobenen Daten nicht genügt. Wird diese hergestellt, so ist zu erwarten, dass das BVfG eine etwaige erneute Klage abschlägig bescheiden wird. Und das ist genau das, was unser Innenminister jetzt so schnell von Frau Leutheusser-Schnarrenberger fordert: ein schnelles neues Gesetz, möglichst noch vor dem Sommer.

Warum so schnell? Na, im Herbst entscheidet der EUGh über die europäischen Vorgaben und vielleicht schlüge er Herrn de Maiziére damit ein noch nicht fertigestelltes neues Instrument aus der datensammeleifrigen Hand. Schauen wir mal, was das FDP-geführte Justizministerium jetzt macht. Heute morgen hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger ja noch gegengehalten - hier könnte sich die FDP endlich wieder ein bisschen als liberal profilieren ... auch wenn der Markt mal nicht profitieren würde.

Besonders bedrohlich ist übrigens die vom Gericht vorgenommene Trennung in mittelbar und unmittelbar genutzte Daten. Die ist relevant, weil „mittelbar nutzbare“ Daten, wie IP-Adressen, in den Augen des Gerichtes keinen direkten Datenzugriff darstellen und deshalb auch weiterhin und sogar - allerdings auch wie jetzt schon Praxis - ohne Richtervorbehalt genutzt werden dürfen. Die Abmahnindustrie wirds freuen. Verständlich ist diese Argumentation indes nicht.

So gesehen hat sich entgegen des ersten Eindruckes nicht viel Gutes getan. Für die Praxis hat das Urteil gar keine Folgen und was kommen mag wird sich an dem orientieren, was Europa entscheidet. Schade, unser BVfG war auch schonmal besorgter um Freiheit und Datenschutz.



Warum ich ein Liberaler bin, die FDP aber nicht

Seit einiger Zeit geistern ja diese verhaltensauffälligen und scheinbar hilflosen Menschen durch die Medien, die in der FDP heutzutage Verantwortung haben und Leitungspositionen ausüben. Nein, Mitleid braucht man nicht zu haben, die wirken nur hilflos, sind aber bestens in Unterstützungssysteme eingebunden und erfüllen eine ihnen von Lobbyisten zugewiesene Rolle. Mitleid muss man eher mit den echten Liberalen haben, von denen in der FDP nur noch ein paar wenige zu finden sind (Hirsch, Baum, Hamm-Brücher), und die auch nichts zu sagen haben.

Warum? Weil der Liberalismus eine wichtige Sache ist, er aber von der Mannschaft um Herrn Westerwave vollkommen diskreditiert wird. Sollen die doch Anwälte, Hoteliers und Apotheker vertreten - aber bitte nicht unter dem Label „liberal“.

Ursprünglich ging alle Macht keinesfalls vom Volke aus, sondern musste in der Neuzeit vom Volke Stück für Stück erkämpft werden. Macht ist dem Homo sapiens eine prima Sache, die er genießt, aber aus freien Stücken meist nicht uneigennützig einsetzt. Also musste sie den Königinnen und Königen, Zarinnen und Kaisern und diversen selbsternannten Befreiern, die die Freiheit gleich wieder einkassierten, in zähen Verhandlungen und teilweisen Kämpfen abgerungen werden. Dass wir heute zumindest im Westen Bürger- und Menschenrechte haben, haben wir dem Liberalismus zu verdanken, der diesen Kampf führte.

An der Natur der Menschen hat sich nun nichts verändert, weshalb es immer noch nötig ist, die Freiheit zu verteidigen, sonst wird sich bald jemand finden, der sie uns wieder abnimmt. Also hat der Liberalismus weiterhin eine Daseinsberechtigung, denn nur seine Grundsätze verpflichten zum Erhalt der individuellen Freiheit. Und dieser Liberalismus ist auch kein kalter Freiheitsgedanke, denn er hat seit Adam Smith gewaltig dazugelernt und ist eine Verbindung mit den Grundgedanken von Sozialität und Solidarität eingegangen. Spätestens seit John Rawls Theorie der Gerechtigkeit liegen die theoretischen Grundlagen vor, eine gerechte und solidarische und freiheitliche Gesellschaft zu begründen beziehungsweise zu erhalten, denn noch liegen wir in Deutschland gar nicht so schlecht.

(Ja, es gibt auch andere Spielarten des Liberalismus. Welche aber gelten soll, kann man ja aushandeln, und der gesunde Menschenverstand spricht mit Macht für die Rawlssche Spielart - nachzulesen beispielsweise in Abschnitt 3 meines Buches Anspruchsvolle Schlüsse.)

Rawls und andere beschreiben eine gerechte Gesellschaft, die ihren Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Freiheit gewährt, solange diese Freiheit nur nicht die Solidarität der Gesellschaft auflöst. Als Grundlage dieser Gesellschaft kann man die unveräußerlichen Menschenrechte beschreiben, die ihrerseits dem Liberalismus Ziel und Richtung geben. Und die ihn nötigenfalls einschränken, nämlich immer dann, wenn die angenommenen Freiheiten einiger, die Grundrechte anderer außer Kraft zu setzen drohen. Dies zu verteidigen oder überhaupt erst einmal zu erreichen, wäre ureigenste Aufgabe einer freiheitlichen Partei wie der FDP.

Das hat sie auch mal getan, wenigstens in nicht unerheblichen Teilen. Das war aber, bevor sie sich unter der Herrschaft Helmut Kohls bequem als Anwalt der Partikularinteressen einiger weniger etabliert hat und das Denken einstellte. Dann kam etwas unerwartet Rot-Grün und eine elfjährige Leidenszeit in der Opposition. Dem Verhalten adoleszenter Brüllaffen nicht unähnlich rumpelstilzte ein bei Jürgen Möllemann in die Lehre gegangener Herr Westerwave lauthals neben der Bühne des politischen Geschehens einher und warb um Aufmerksamkeit. Die er leider bekam. Nein, nicht weil jemand die FDP haben wollte, sondern weil ganz viele die Große Koalition nicht mehr haben wollten. Also durfte Herr Westerwave auf die Bühne hinauf - schade.

Jetzt regieren die ‚Liberalen‘ also. In einer Zeit, die ganz besondere Anforderungen an den Liberalismus stellt. Wir haben eine Wirtschaftskrise, die das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören vermag, denn einer wie Josef oder Adolf „würde da sicher aufräumen“. Wir haben eine durch die elektronischen Medien revolutionierte Lebensweise, die mit dem einfachen Zugriff auf sensibelste Daten völlig neue Überwachungsformen und innovative Verarschungsweisen (Abofallen, Phishing, Bankbetrug) ermöglicht. Wir stehen vor dem Klimawandel, der den Liberalismus auf umgekehrte Weise herausfordert, denn der Wandel beruht auf exzessiver Nutzung der eigenen Freiheit, die in Umweltgefährdungen mündet, weshalb das Ausmaß diskutiert werden muss, in der persönliche Freiheiten aufgegeben werden sollten oder nicht. Und und und ...

Und was macht die FDP? Sie entdeckt ihre soziale Ader! Herr Niebel holt Bedürftige von der Straße und schenkt ihnen Staatssekretärsposten in dem Ministerium, das er eigentlich abschaffen wollte und nach OECD-Meinung vielleicht auch besser abschaffen sollte. Ach nee - trauriger Scherz beiseite. Die FDP macht erstens weiter wie bisher und bedient Partikularinteressen und vergisst zweitens alles, wofür der Begriff der bürgerlichen Freiheit steht.

Was soll beispielsweise dieser völlige Blödsinn von der „spätrömischen Dekadenz“ der Empfänger von Sozialleistungen? Außer einem Beweis der Ungebildetheit von Herrn Westerwave, der nicht einmal wie jeder Siebtklässler weiß, wie es in Rom wirklich zuging, kann man darin nichts erkennen. Liberalismus muss sich wirtschaftlichen Problemen von der Wurzel her nähern, heißt: Freiheit ist auch das Recht darauf, Freiheiten wahrnehmen zu können. Dafür braucht man Geld. Haben wir in Deutschland aber nicht, sagt die OECD im Ländervergleich. Also brauchen wir Maßnahmen gegen die ausufernde Armut, wie differenziertere Möglichkeiten der Aufstockung von Sozialleistungen und Absicherung des Alters sowie eine Mindestentlohnung wenigstens auf europäischem Niveau.

Es sind so viele Aufgaben zu meistern, gerade für Liberale. Die Pseudoliberalen von der FDP versuchen es aber nicht einmal. Ich schreibe wenigstens dagegen an. Deshalb bin ich ein Liberaler und die nicht!



Datenkontrollverlust - wie weit würden Sie sich treiben lassen?

Angesichts der in immer schnellerer Folge bekanntwerdenden Überwachungsaktionen, die Wirtschaftsunternehmen ihren Angestellten angedeihen lassen, stellt sich die Frage ziemlich akut, wie weit Sie sich treiben lassen würden? Was würden Sie an Kontrolle über Ihre Daten zulassen?

(Ganz davon abgesehen, dass das Datensammelgebaren des Staates diesen Gedanken eigentlich schon seit Jahren nahelegt: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.)

wurm_drin


Was mich gerade heute dazu bringt, dieses Thema im Blog anzusprechen, ist eine Nachricht über die finnische Elektronikfirma Nokia, die das Thema „Datenschutz in der Wirtschaft“ auf eine neue Stufe hebt. Nokia, das war schon länger bekannt, strebt an, dass Finnland ein Gesetz erlässt, das es Nokia erlauben soll, die Grenzen der Kommunikationsüberwachung, die Finnland gesetzlich eigentlich gezogen hat, zu überschreiten und insbesondere den E-Mail-Verkehr seiner Mitarbeiter weitestgehend inhaltlich kontrollieren zu dürfen.

Heute ist ans Licht gekommen, dass Nokia diese Forderung mit der Drohung verbunden hat, den Firmensítz aus Finnland abzuziehen, wenn dieses Gesetz nicht kommt. Also soll die Regierung ein Einlenken signalisiert und die Schaffung einer Lex Nokia versprochen haben. (Quellen: Heise, n-tv sowie der Originalartikel in der „Helsingi Sanomat“, der erfordert allerdings Finnischkenntnisse.) Zwar gibt es mittlerweile auch erste Dementis, doch die überzeugen nicht, so dass die Frage also noch einmal dringlicher wird: Wie weit wären Sie bereit mitzugehen?

Denn was ist denn schon Schlimmes an dieser Überwachung? Was wäre schlimm daran, wenn Thyssen das einführte? Oder Siemens? Oder die regionale Baumarktkette und der Sanitärbetrieb zwei Straßen weiter oder die Kita „Sonnenschein“ von gegenüber? Was wäre schlimm daran, wenn es Sie beträfe?

Die allermeisten Mitarbeiter von Nokia haben, ebenso wie Sie liebe Leserin, lieber Leser auch, nicht das Geringste zu befürchten von so einer Überwachung. Und dass ein paar schwarze Schafe dadurch eventuell gefasst werden, macht ihren Arbeitsplatz nur umso sicherer, denn die haben ja dem Betrieb geschadet.

Die eine oder andere grenzfällige Onlinenutzung kann man ja auch auf zuhause verlegen: Buchmacher, Erotikshop usw. Und dass einem erst jetzt, angesichts der Einführung der kompletten Onlineüberwachung, auffällt, dass man etwas sooo viel Arbeitszeit bei Xing, Facebook oder MySpace verbringt, ist ja auch nicht schlecht, denn nun kriegt man wieder mehr geschafft. (Denn das gehört nun natürlich dazu - nicht allein E-Mail wird mitgelesen, auch die Nutzung und die Nutzungszeiten aller Internetsites und -dienste wird ab nun protokolliert.)

Und selbst wenn Sie persönlich kein gutes Gefühl dabei haben, überwacht zu werden ... denken Sie nur an Ihre Abteilung ... würde von denen jemand aufbegehren? Nein? Dann stünden Sie mit einer Beschwerde ja auch noch allein im kurzen Hemd vor der Chefin! Müssen Sie sich das antun? Können Sie sich das überhaupt erlauben?

Wie weit also würden Sie mitgehen? Sie werden unter Umständen ein gutes Stück zu laufen haben, denn den Überwachern werden die Ideen nicht so schnell ausgehen ...

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